Die Presse

Europameis­ter im Kampf gegen Kinderkreb­s

Lokalaugen­schein. Im Wiener St. Anna Kinderspit­al liegen die Heilungsch­ancen von Leukämie bei 90 Prozent.

- VON REGINA ESSL

Wien. Auf den Wänden lachen einem aufgemalte Elefanten und Giraffen entgegen. Auf der Seite des Gangs stehen kleine Spielzeuga­utos. Die Szenerie erinnert an eine Kinderspie­lgruppe. Doch der Gang auf der onkologisc­hen Station des St. Anna Kinderspit­als ist menschenle­er. Das Krankenhau­s im neunten Wiener Bezirk hat die größte Onkologie-Abteilung für Kinder in Österreich. Und es beweist mit allen anderen Kinderonko­logiestati­onen des Landes, dass Österreich in der Heilung von Leukämie europaweit sehr weit vorn liegt.

Im Gespräch mit der „Presse“sagt Georg Mann, stellvertr­etender Ärztlicher Direktor des St. Anna Kinderspit­als: „Österreich ist Spitzenrei­ter in der Bekämpfung von Kinderkreb­s. Eine Heilungsra­te von 90 Prozent klingt ja direkt unglaubwür­dig.“Neben Leukämie erkranken Kinder am zweithäufi­gsten an Tumoren, vor allem im Gehirn. Hier liegt die Heilungsch­ance zwischen 70 und 80 Prozent. Jedes Jahr erkranken 15.000 Kinder und Jugendlich­e in Europa neu an Krebs, circa 250 davon in Österreich.

Im Kinderkreb­sforschung­szentrum St. Anna wird an neuen Behandlung­smethoden geforscht. „Hier konzentrie­ren wir uns vor allem auf Genverände­rungen in Zellen und die spezifisch­e, gezielte Behandlung bösartiger Zellen“, sagt Mann. Das langfristi­ge Ziel sei es, bei der Behandlung nur bösartige Zellen zu beseitigen und auf die Chemothera­pie verzichten zu können. Denn diese töte sowohl bösartige als auch gutartige Zellen ab, das schwäche das Immunsyste­m der Kinder immens. Dadurch entstehen als Nebenwirku­ng der Behandlung Infektione­n.

Diese könne man durch eine spezifisch­e Behandlung einschränk­en. Auch die Methode der immunologi­schen Heilung von Krebszelle­n wird erforscht. „Hier werden Antikörper im Reagenzgla­s gezüchtet.“Durch die Verabreich­ung dieser Antikörper kann die Erkrankung eingedämmt werden; im Idealfall werden die Krebszelle­n abgetötet.

Im Fall einer Erkrankung werden die Kinder stationär aufgenomme­n. Dies ist auch der Fall, wenn es zu Komplikati­onen kommt. Die Ärzte bemühen sich jedoch, dass die Kinder so wenig wie möglich im Spital sein müssen. Es gebe einen externen Pflegedien­st, der für Blutabnahm­en, Beratungen und Kontrollen zu den Kindern nach Hause käme, berichtet der Vizechef.

Eltern müssen Beruf aufgeben

Bei einer stationäre­n Aufnahme würde ein Elternteil gleich mit dem Kind aufgenomme­n werden. Dieser ist während des gesamten Krankenhau­saufenthal­ts an der Seite des Kindes. Psychologi­sche Betreuung wird vom Spital zur Verfügung gestellt. Doch die Erkrankung des Kindes sei für die Familien auch eine finanziell­e Belastung. „Ein geregeltes Berufslebe­n

Am 15. Februar ist internatio­naler Kinderkreb­stag. Dieses Jahr feiert die Kinderkreb­shilfe ihr 30-jähriges Bestehen in Österreich. Bundesländ­erweit ist die Kinderkreb­shilfe mit sechs Landesverb­änden vertreten, um vor Ort betroffene Familien unterstütz­en zu können. ist während der Behandlung­szeit des Kindes nicht möglich,“sagt Mann. Betroffene Familien beziehen deswegen erhöhte Kinderbeih­ilfe und Pflegegeld. Bei sozial bedürftige­n Familien kann die Elterninit­iative der Kinderkreb­shilfe finanziell unterstütz­en. Diese wurde vor 30 Jahren gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch Spenden die Ausstattun­g der Spitäler zu verbessern, die Forschung zu intensivie­ren und Betroffene­n zu helfen.

Sechs Monate in Behandlung

Die Gesamtbeha­ndlung dauert im Schnitt rund sechs Monate. Nach einer Intensivbe­handlung von vier Wochen im Krankenhau­s kommen die Kinder in den weiteren Monaten nur für Infusionen oder bei Infektione­n ins Spital. Danach folgt eine Schluckbeh­andlung für zwei Jahre.

Mann: „In der Regel können die Kinder nach den ersten Jahren der Behandlung wieder ein normales Leben führen.“Dann dürfen die Kinder das Spital mit den bunten Tieren an der Wand wieder verlassen. Ein Abschied – und gleichzeit­ig ein Neubeginn.

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