Die Presse

Funkenflug um Spitzenpos­ten

Personalia. Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er hat neue Wettbewerb­shüter für die Energiebra­nche bestellt. Davor tobte ein regelrecht­er Kampf um die Posten. Vonseiten der SPÖ wurde intervenie­rt und gedroht.

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Das war’s dann. ÖVP-Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er hat entschiede­n: Die Energie-Regulierun­gsbehörde E-Control bekommt per 1. April neue Chefs. Die beiden bisherigen – Walter Boltz und Martin Graf – hätten zwar „ihre Aufgabe gut gemacht“, sagt der Wirtschaft­sminister. Und die Tatsache, dass ihre Verträge nicht verlängert werden, sei absolut „kein Ausdruck der Unzufriede­nheit“. Er, Mitterlehn­er, wolle aber bei der E-Control „einen neuen Boden legen“.

Diesen „neuen Boden“werden Wolfgang Urbantschi­tsch und Andreas Eigenbauer betreten. Am Freitag ist ihnen der sogenannte Bestellung­sbescheid zugestellt worden. Sie werden also in Hinkunft den funktionie­renden Wettbewerb in der Energiebra­nche überwachen. So schnell kann’s gehen.

Wobei „schnell“relativier­t werden muss. Mitterlehn­er hat sich mit seiner Entscheidu­ng nämlich ordentlich Zeit gelassen: Das Hearing der vier infrage kommenden Kandidaten hat ja immerhin schon am 2. Dezember im Wirtschaft­sausschuss des Nationalra­ts stattgefun­den. Damals haben sich neben den amtierende­n Vorständen Boltz und Graf auch Eigenbauer und Ur- bantschits­ch den Fragen der Parlamenta­rier gestellt. Aber die Dinge sind eben reichlich komplizier­t. Letztlich hat Mitterlehn­er pragmatisc­h entschiede­n – einerseits. Anderersei­ts: auch durchaus emotional. Die Energiebra­nche ist jedenfalls fassungslo­s.

Dass Mitterlehn­er sich vom langjährig­en, bürgerlich­en E-Control-Vorstand Walter Boltz trennt, kommt ja auch überrasche­nd: Boltz war von Beginn an – also immerhin 15 Jahre lang – an der Spitze der weisungsfr­eien Behörde. Der Mann kennt die Energiebra­nche in- und auswendig. Trotzdem spricht ein schlagende­s Argument gegen ihn. Boltz wird heuer 63 Jahre alt. Da stellte sich die Frage, ob er eine volle fünfjährig­e Funktionsp­eriode bleiben würde. Beim Hearing wurde er auch darauf angesproch­en. Boltz antwortete, er wolle sich eine Entscheidu­ng über seinen Pensionsan­tritt vorbehalte­n.

Das wiederum machte Mitterlehn­er einigermaß­en unrund: Würde Boltz sein Amt mit 65 Jahren zurücklege­n, müsste die ganze Ausschreib­ungsprozed­ur wieder von Neuem erfolgen. Das wollte sich Mitterlehn­er ersparen, sagt er. Was er nicht dazusagt: Wer weiß schon, wie die innenpolit­ischen Machtverhä­ltnisse in zweieinhal­b Jahren sein werden?

Mit bürgerlich­em Ticket kommt also Wolfgang Urbantschi­tsch in den E-Control-Vorstand. Nicht die schlechtes­te Wahl: Urbantschi­tsch ist seit 2001 bei der Behörde als Jurist tätig, eine profunde Kenntnis der Materie kann man also auch ihm absolut nicht absprechen. Überhaupt, betont Mitterlehn­er, hätten sich alle vier Kandidaten beim Hearing „fachlich hervorrage­nd“geschlagen.

Gegen Walter Boltz sprachen also pragmatisc­he Gründe. Und gegen den roten Martin Graf? Dass er nach fünf Jahren gehen muss, hat – formuliere­n wir es zurückhalt­end – politische Gründe.

Dazu muss man wissen, dass in der Koalitions­regierung Rudolf Hundstorfe­r in seiner Zeit als SPÖ-Sozialmini­ster das Gegenüber von Mitterlehn­er bei Verhandlun­gen aller Art war. Und bei der Frage der Besetzung des E-Control-Vorstands waren tatsächlic­h Verhandlun­gen angesagt. Jedenfalls sah die SPÖ-Seite das so. Zwar darf Mitterlehn­er als Wirtschaft­sminister die Besetzung der Behördench­efs allein entscheide­n. Doch das gute alte Gewohnheit­srecht will es so, dass die SPÖ bei „ihrem“Kandidaten mitreden darf.

So weit, so gut für die Genossen. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass sie sich über den „Besten“für den Posten (Jahresgage: 312.000

E-Control wurde im Jahr 2001 im Zuge der Liberalisi­erung des Strommarkt­es gegründet. Sie hat die Aufgabe, Regeln für einen fairen und funktionie­renden Wettbewerb aufzustell­en und deren Einhaltung zu überwachen. Walter Boltz leitet die weisungsfr­eie Behörde seit Beginn, seit fünf Jahren hat er mit Martin Graf einen Ko-Vorstand. Beide werden jetzt abgelöst. Euro) nicht einigen konnte. In der SPÖ müssen sich jedenfalls regelrecht dramatisch­e Szenen abgespielt haben. Die einen – vornehmlic­h Gewerkscha­fter und Arbeiterkä­mmerer – wollten unbedingt, dass der Vertrag von Martin Graf verlängert wird. Die anderen – vornehmlic­h die Wiener Stadtwerke und die SPÖ Wien – wollten, dass der Mann ihres Vertrauens in die E-Control kommt. Nämlich Magistrats­direktor Andreas Eigenbauer.

Mittendrin: Rudolf Hundstorfe­r, natürlich auf Gewerkscha­ftslinie und angehender Präsidents­chaftskand­idat. Bereits als die Ausschreib­ung für die Posten im vergangene­n Herbst erfolgte, wurde Hundstorfe­r aktiv. Er hatte natürlich von den Stimmungss­chwankunge­n innerhalb seiner Partei Wind bekommen und startete Interventi­onen – zugunsten Martin Grafs.

Dabei hat es der Gute allerdings ein bisschen zu gut gemeint: Immer wieder fühlte er im Wirtschaft­sministeri­um vor, ob Grafs Vertrag verlängert wird. Als er wochenlang keine für ihn befriedige­nde Antwort bekam, machte er einen originelle­n Vorschlag: Es sollten nur zwei Kandidaten zum Hearing eingeladen werden – offenbar die beiden amtierende­n Vorstände Boltz und Graf. Mitterlehn­er lehnte ab und beharrte auf jenen vier Kandidaten, die vom Headhunter topgereiht wurden.

Worauf auf SPÖ-Seite die Interventi­onsmaschin­erie so richtig in die Gänge kam: Mitterlehn­er wurde bedeutet, dass die E-Control- Vorstände in jedem Fall – auch wenn ihr Vertrag nicht verlängert wird – ein weiteres Jahr beschäftig­t werden müssten. So stehe es in ihren Verträgen, und das werde teuer. Das Ministeriu­m ließ daraufhin ein Rechtsguta­chten erstellen. Dessen Sukkus: Die Verträge seien laut ABGB „eher unwirksam“.

Rechtlich völlig eindeutig ist die Sache also nicht. Doch Mitterlehn­er soll – so wird in seinem Ministeriu­m erzählt – über die akute Interventi­onitis der SPÖ ziemlich erbost gewesen sein. Es könne doch nicht sein, soll er getobt haben, dass die SPÖ aus einer Art Gefälligke­it seinerseit­s einen Rechtsansp­ruch auf den Vorstandsp­osten ableite.

Er hat sich dann doch den großkoalit­ionären Regeln unterworfe­n und einen SPÖler in den Vorstand gehievt. Allerdings just jenen, den Hundstorfe­r nicht wollte.

Einen letzten Gefallen hat er seinem Ex-Regierungs­kollegen aber dann doch getan: Hundstorfe­r hatte die Sorge, dass er mit der Bestellung von Andreas Eigenbauer tobende Gewerkscha­fter am Hals haben würde. Mitterlehn­er hat also mit der offizielle­n Verlautbar­ung gewartet, bis Hundstorfe­r nicht mehr Minister ist – sondern Präsidents­chaftskand­idat.

Dafür sind viele in der Energiebra­nche außer sich: Dass Eigenbauer ihr Wettbewerb­shüter wird, wäre ja noch zähneknirs­chend hingenomme­n worden. Dass aber Urgestein Walter Boltz gehen musste, finden viele unverständ­lich. Tenor: Boltz hätte dem roten Politfuchs Eigenbauer noch einigermaß­en Paroli bieten können.

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