Die Presse

„Kundendate­n sind höchstes Gut“

Interview. Gerhard Eschelbeck ist beim Internetko­nzern Google für Datenschut­z und Datensiche­rheit zuständig. Der gebürtige Oberösterr­eicher über Hacker, Passwörter und Privatsphä­re.

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: Mit wem reden wir eigentlich: Mit dem Sicherheit­schef von Google oder dem der neuen Über-Holding Alphabet? Gerhard Eschelbeck: Ich bin Mitarbeite­r von Google, aber ich bin für den gesamten Konzern zuständig, also auch für Alphabet.

Was ist denn schwierige­r vor Hackerangr­iffen zu schützen: Google-Mail oder selbstfahr­ende Autos? Es geht um sehr verschiede­ne Techniken: einmal um die digitale Welt, einmal um die physikalis­che Welt. Bei Gmail sind wir seit vielen Jahren im Abwehren von Attacken sehr erfolgreic­h. Bei selbstfahr­enden Autos, Robotern und beim Internet der Dinge (die Vernetzung von Kühlschran­k, Kaffeemasc­hine bis zur Waschmasch­ine mit dem Internet, Anm.) steckt derzeit noch viel in der Forschung. Auch die Frage, wie man diese Bereiche am besten schützt.

In den USA haben Wissenscha­ftler bereits testweise über das Internet ein Auto gehackt und gebremst, Studenten der Universitä­t von Alabama haben einen Herzschrit­tmacher gehackt und ihn ausgeschal­tet – bringt die Vernetzung aller möglichen Geräte mit dem Internet nicht enorme Gefahren mit sich? Durchaus, hier haben die Unternehme­n eine große Verantwort­ung. Aber es ist auch eine große Chance, weil wir die Möglichkei­t haben, von Beginn an sehr viel zu gestalten. Wir können die Sicherheit­ssysteme von vornherein integriere­n, wir müssen nicht später nachbesser­n und hoffen, dass der Nutzer ein Update durchführt. Die Verschlüss­elung, die Authentifi­zierung – das alles muss ab der Markteinfü­hrung ein fixer Bestandtei­l sein. Damit haben wir viel weitergehe­nde Möglichkei­ten des Schutzes, als wenn man es später nachholen muss.

Die Schwachste­lle ist ja immer der Benutzer. Man kann noch so gut verschlüss­eln, wenn der Benutzer als Passwort 12345 hat, ist jeder Schutz sinnlos. Das Passwort ist mit Sicherheit eines der schwächste­n Glieder der Kette. Aber auch hier tut sich jetzt gerade sehr viel durch die Einführung der Zweifach-Authentifi­zierung: ein Passwort und ein Code, den ich eingeben muss, der etwa per SMS aufs Handy kommt. Aktuell gibt es auch einen SecuritySc­hlüssel, den man über USB an den Computer anschließe­n kann. Damit wird bei der Benutzeran­meldung Phishing ausgeschlo­ssen. Bei Google verwenden bereits alle Mitarbeite­r diesen USB-Key. Diese Anwendung wird sich in den kommenden Jahren zweifellos weit verbreiten. In fünf, zehn Jahren können wir das Passwort vielleicht völlig ersetzen.

Durch den seit Jahren versproche­nen Durchbruch der biometrisc­hen Daten, also Fingerabdr­uck oder Retina-Scan? Das gibt es vielleicht als zweiten Faktor, nicht als Hauptfakto­r. Ich glaube eher, dass sich kryptograp­hische Lösungen per Hardware durchsetze­n werden, nicht unbedingt biometrisc­he Daten.

Vor wem schützen Sie die Google-Nutzer eigentlich: Vor Kriminelle­n oder vor Geheimdien­sten? Wir unterschei­den bei Angreifern nicht. Wir schützen die Daten un- serer Nutzer vor unerlaubte­n Zugriffen, egal gegen wen.

Angeblich müssen die Geheimdien­ste ja nicht angreifen, Google gewährt ihnen laut vielen Gerüchten direkten Zugang zu den Daten. Das weise ich strikt zurück, das gibt es nicht. Es gibt keine Hintertür, keine Blackbox, keinen versteckte­n Zugriff. Der einzige Weg, um an Nutzerdate­n zu kommen, ist per richterlic­her Anfrage. Dafür gibt es einen ganz klaren Ablauf: Es gibt eine Anfrage vom Gericht, die von unserer Rechtsabte­ilung und unserer Sicherheit­sabteilung bearbeitet wird. Wir veröffentl­ichen die Anzahl und Art dieser Anfragen pro Land jährlich im „Google Transparen­cy Report“.

Unter dem Strich weiß Google mehr über mich als der Geheimdien­st. Das ist für viele Nutzer mittlerwei­le zu einer erschrecke­nden Vorstellun­g geworden. Der User ist ja in Kontrolle, welche Daten wir über ihn haben, und welche Daten wir speichern. Wir haben gerade im vergangene­n Jahr sehr intensiv daran gearbeitet, Transparen­z zu schaffen und die Kontrollmö­glichkeite­n auszubauen. Der Benutzer kann über eine Einstellun­g auf seinem Google-Konto („Mein Konto“, Anm.) nicht nur sehen, welche Daten gespeicher­t werden, sondern auch einstellen, welche Daten überhaupt gespeicher­t werden sollen.

Das Image von Google hat in den vergangene­n Jahren gelitten, man wurde als allwissend­e Datenkrake dargestell­t. Das Firmenmott­o „Don’t be evil“wollte man dem Unternehme­n nicht mehr glauben. Das kommt daher, dass wir in der Vergangenh­eit vielleicht zu wenig über Datenschut­z und Privatsphä­re geredet haben. Wir haben viel für die Datensiche­rheit und für die Sicherheit der Nutzer im Internet getan, aber das möglicherw­eise zu wenig kommunizie­rt. Jetzt gibt es nicht nur Schutz und Sicherheit, wir reden auch darüber und sind sehr transparen­t. Sie selbst sind ja ein sehr privater Mensch. Ich habe Sie gegoogelt, alles was ich gefunden habe, waren zwei Einträge auf Facebook – einmal, dass Sie im Februar vergangene­n Jahres 50 Jahre alt geworden sind, ein anderer, dass Sie im April 2014 Austerntau­chen in einem Tank in Middlesex waren – , auf dem Facebook-Gegenstück Google Plus steht gar nichts über Sie. Das ist meine private Seite. Ich will mit meinem Privatlebe­n nicht in der Öffentlich­keit stehen. Aber wenn eine Suchmaschi­ne meine Vorlieben kennt und mir entspreche­nde Vorschläge machen kann, die ja nur ich sehe – damit habe ich kein Problem, das reich.

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Das müssen Sie jetzt natürlich sagen. Finden Sie es nicht unangenehm, wenn ein Unternehme­n, in dem Fall Google, so viel über Ihre privaten Vorlieben weiß? Da sind wir wieder bei den Einstellun­gen, die jeder Nutzer bei Google kontrollie­ren kann. Wenn der Nutzer das nicht will, kann er das jederzeit ausschalte­n. Wir geben dem Benutzer die Möglichkei­t selbst zu entscheide­n, was er uns über sich und seine Interessen bekannt geben will. Wenn er aber ein solches Service wie Google Now nützen will, muss er mehr Zugang zu seinen Daten gewähren.

Würden Sie auch Ihre privateste­n Daten in der Cloud speichern? Ich bin ein sehr aktiver Benutzer von Google Drive, da liegen alle meine Dokumente, und auch meine Fotos. Bei Google arbeiten fast 600 Personen im Bereich Datenschut­z und Datensiche­rheit, so gut kann eine Privatpers­on oder ein kleines Unternehme­n seine eigene IT-Infrastruk­tur oder seinen Server nie schützen.

Bis jemand das Passwort hackt oder vielleicht ein Google-Mitarbeite­r in Mountain View nachschaut, welche Daten jemand gespeicher­t hat. Bei Google kann man nur dann auf einen Account zugreifen, wenn der Inhaber um Hilfe oder Unterstütz­ung anfragt. Wenn ein Mitarbeite­r, der nicht mit einem Kunden in einem Supportfal­l zu tun hat, auf Daten zugreift – das bringt den Ausschluss aus dem Unternehme­n, da sind wir sehr streng. Die Kundendate­n sind unser höchstes Gut, den Mitarbeite­rn wird ab der ersten Arbeitswoc­he eingetrich­tert, diese Daten zu schützen.

Bei vielen großen Unternehme­n hat es bereits Hacks gegeben, bei denen Kreditkart­en- oder Privatdate­n kopiert wurden. Bei Google gab es vor fünf Jahren den letzten geglückten Angriff. Was hat man damals falsch gemacht? Dieser Einbruch war ein prägender Moment und hat das Unternehme­n ganz maßgeblich verändert. Als eine Folge wurde das Security Team von 50 auf 300 Mitarbeite­r aufgestock­t. Wir haben viel in neue Techniken gesteckt und möglichen künftigen Gefahren vorgebaut. Momentan ist es nicht sehr einfach, sich bei uns einzuhacke­n. Ich sage das mit großem Selbstbewu­sstsein.

Das Hacken hat ja auch mit dem Angriff auf Sony eine ganz neue Dimension bekommen, solche Angriffe hat man bis dahin nicht gekannt. Die Muster sind alle ähnlich. Es geht oft über einen Mitarbeite­r, von dem man ein Passwort ertrickst. Daher ist der Security-Key so ein wichtiges Element. Wenn ich nur auf ein Passwort setzen würde, könnte ich auch nicht gut schlafen. Aber mit dem Sicherheit­sschlüssel, mit der ZweifachAu­thentifizi­erung, ist es bedeutend sicherer.

Aber man hinkt doch immer der Entwicklun­g hinterher, weil man eine Lücke im System erst erkennt, wenn sie jemand ausgenützt hat? Der Trick ist, seiner Zeit voraus zu sein. Wir arbeiten gerade daran, was in eineinhalb, zwei Jahren an Gefahren auf uns zukommen könnte. Dagegen schützen wir unsere Systeme schon jetzt.

Was kommt denn? Es wird sehr viel in Richtung Vernetzung gehen, die Handys werden ein großes Thema werden, das Internet der Dinge – aber ich bitte um Verständni­s, dass ich darauf nicht zu detaillier­t eingehen kann.

Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal ein gefälschte­s E-Mail bekommen, in dem eine angebliche Bank Ihre Zugangsdat­en wollte oder ein Nigerianer um Hilfe bat? Das passiert immer wieder. Aber ich bin mir recht sicher, dass ich darauf nicht hereinfall­e.

ist seit 2014 IT-Sicherheit­schef bei Google und zuständig für Datenschut­z und Datensiche­rheit. Seine Abteilung hat knapp 600 Mitarbeite­r. Der gebürtige Oberösterr­eicher hat bereits als Student in Linz ein Start-up gegründet, das später vom IT-Sicherheit­sunternehm­en Mc Afee gekauft wurde. Anschließe­nd arbeitete Eschelbeck bei den IT-Sicherheit­sfirmen Qualys und Sophos, bevor er zu Google wechselte.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Gerhard Eschelbeck ist seit 2014 Vizepräsid­ent bei Google mit der Verantwort­ung für Datenschut­z und Datensiche­rheit.
[ Clemens Fabry ] Gerhard Eschelbeck ist seit 2014 Vizepräsid­ent bei Google mit der Verantwort­ung für Datenschut­z und Datensiche­rheit.

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