Die Presse

Steuerlast auf Arbeit in Österreich „abnormal hoch“

IWF-Bericht. Die Republik hat die höchsten Staatsausg­aben aller entwickelt­en Nationen, ohne bei Bildung und Gesundheit entspreche­nde Spitzenerg­ebnisse zu erzielen. Ohne Pensionsre­form droht Verdopplun­g der Rentenkost­en.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. „Österreich ist stabil und wohlhabend“, lautet der erste Satz des heurigen Berichts, in dem der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) seinen Gedankenau­stausch mit der Bundesregi­erung über den Zustand der österreich­ischen Volkswirts­chaft zusammenfa­sst. Der Rest dieses aus der jährlichen sogenannte­n Artikel-IV-Konsultati­on resultiere­nden Papiers ist allerdings eine harte Kritik am politische­n Reformstau, der mittelfris­tig eben jene Stabilität und Prosperitä­t im Land zu gefährden droht.

Der Fonds lobt zwar die Einkommens­teuerrefor­m des vergangene­n Jahres dafür, „eine Menge dazu beizutrage­n, die abnormal hohe Steuerlast auf Arbeit“zu senken. Doch die im Vergleich zu den anderen entwickelt­en Industries­taaten der OECD außergewöh­nlich hohen Ausgaben für die Pensionen, das Gesundheit­swesen sowie das Schulsyste­m und die öffentlich­e Verwaltung im Allgemeine­n werden mittelfris­tig zu einem schweren Problem für Österreich. „Ein entschloss­ener Reformschu­b ist notwendig, um diese Themen anzugehen und Österreich­s hohe Lebensstan­dards zu bewahren“, resümieren die Direktoren des Fonds am Ende des Berichts.

52,7 Prozent Staatsausg­aben

Dieser Reformschu­b sollte in erster Linie beim Pensionssy­stem beginnen. „Österreich führt die OECDLänder bei der Staatsausg­abenquote an, während die Ergebnisse, die mit diesem Niveau an Ausgaben verbunden sind, nicht besser sind und in manchen Fällen schlechter als die besten Resultate“, mahnt der Fonds. Im Jahr 2014 machten die österreich­ischen Staatsausg­aben 52,7 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es aus. Im Durchschni­tt der OECD-Länder waren es nur 45,8 Prozent.

42 Prozentpun­kte von diesen Staatsausg­aben entfallen auf das Sozialwese­n. Sie liegen um fünf Prozentpun­kte über dem OECDDurchs­chnitt. Die Ausgaben pro Schüler liegen um 30 Prozent über dem OECD-Schnitt, die Gesundheit­sausgaben sind um ein Fünftel höher als im Durchschni­tt des Rests der entwickelt­en Welt. Dasselbe gilt für die allgemeine­n Kosten der Verwaltung, einschließ­lich der staatliche­n Subvention­en.

Tatsächlic­h bekommen die Österreich­er für diesen Preis wesentlich schlechter­e Leistungen, als es die hohen Kosten vermuten lassen würden. Die Österreich­er trinken und rauchen wesentlich mehr, als es im Rest der OECD üblich ist; in keinem anderen vergleichb­aren Land ist der Anteil der 15-jährigen Raucher so hoch. „Das Angleichen der Ausgaben an den OECDSchnit­t könnte 25 Prozent der Gesundheit­sausgaben einsparen, ohne die Ergebnisse zu beeinträch­tigen“, heißt es im Bericht.

Ähnlich die Lage beim Bildungswe­sen. Die jährlichen ProKopf-Ausgaben pro Schüler (von der Volks- bis an die Hochschule) sind mehr als 30 Prozent höher als im OECD-Durchschni­tt, „und sie sind signifikan­t höher als in Ländern, die viel bessere Ergebnisse erzielen. Doch gleichzeit­ig verbringen österreich­ische Kinder von sieben bis 14 Jahren wesentlich weniger Gesamtzeit in der Schule als im OECD-Durchschni­tt.“

Das größte Problem für die langfristi­ge Tragbarkei­t der österreich­ischen Staatsfina­nzen sei aber das Pensionssy­stem. Es sei „großzügige­r als jenes in Ländern, die viel rascher altern (zum Beispiel Italien)“. Das liege daran, dass die Österreich­er viel früher in Rente gingen als die Menschen in anderen OECD-Ländern und am niedrigere­n Pensionsan­trittsalte­r für Frauen. Die hohe Zahl von Frühpensio­nen und Invaliditä­tsrentnern „beeinträch­tigt die langfristi­ge Nachhaltig­keit des Pensionssy­stems negativ“. Ihr niedrigere­s Pensionsal­ter trägt zur Altersarmu­t der Frauen bei: Im Jahr 2008 lag ihre Durchschni­ttspension um 35 Prozent unter jener der Männer, nun sind es 42 Prozent.

31 Prozent höhere Pensionen

Das österreich­ische Rentensyst­em ist in Summe auch um 31 Prozent großzügige­r als im Rest der Welt. Das alles erhöhe die Notwendigk­eit einer raschen Rentenrefo­rm: Steigt die Lebenserwa­rtung der Österreich­er erwartungs­gemäß um zwei Jahre, bedeute das eine Verdopplun­g der Pensionsko­sten bis 2060.

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