Undankbare Berufe und gnadenloses Publikum
Berufe,
in denen man sich ständig in Interaktion mit vielen Leuten befindet, sind tendenziell undankbar. Das Paradebeispiel dafür ist der Fußballtrainer. Jeder mischt sich ein, jeder weiß es besser. Vor allem im Nachhinein. Noch deutlicher wird es beim Beruf des Zauberers. Denn sein Publikum kann wirklich gnadenlos sein. Folgendes hat sich vor einiger Zeit tatsächlich ereignet: Als David Copperfield in der Innsbrucker Olympiahalle auftrat und vor den Augen Tausender Gäste abhob, um eine Runde durch den Saal zu schweben, sagte jemand aus den vorderen Reihen: „Der hängt doch ganz bestimmt an Seilen, fliegen kann er sicher nicht.“
Wie bitte? Wer würde ernsthaft glauben, dass jemand, der für ein paar Euro pro Ticket durch Hallen und Stadien tourt, fliegen kann wie Superman? So jemand hätte sich doch längst als Prophet geoutet und würde angebetet werden. Als Copperfield später eine seiner Mitarbeiterinnen in der Mitte auseinandersägte, meinte derselbe Mann: „Die taucht doch später wieder auf, die wurde gar nicht durchgesägt.“Was wollte diese Person bloß sehen? Eine durchgesägte, tote Frau, damit die Show gut genug ist? Hinter den Tricks eines Magiers stecken so viel Vorbereitung, Aufwand und Liebe zum Detail. Und dann das.
Zwar nicht mit undankbarem, aber mit gnadenlosem Publikum haben es auch wir Journalisten bisweilen zu tun. Jeder Artikel wird filetiert, seziert und unter dem Mikroskop betrachtet. Oft ohne zu berücksichtigen, wie vielen handwerklichen Regeln ein Zeitungsartikel oder ein TV-Beitrag unterliegt und wie lange die Ausbildung eines Redakteurs dauert. Klar, im Gegensatz zur Tätigkeit eines Arztes, Anwalts oder Elektrikers hat eben jeder eine Meinung zur Arbeit eines Journalisten. Und viele denken, sie könnten sie auch oder sogar noch besser machen. So wie viele denken, dass es einfach sei, an einem Seil befestigt zu fliegen oder mit einem fünfköpfigen Team eine Fußballmannschaft zu trainieren. Ist es aber nicht. Echt nicht.