Die Presse

Von Terroriste­n und Tänzern: Regimekrit­ik auf leisen Sohlen

Brut/ImPulsTanz. Der Japaner Matsune führt Vorurteile und Grenzen der modernen Welt vor, Choy Ka Fai die politische Situation in China.

- VON ISABELLA WALLNÖFER Das Special läuft bis 14. 2. im 21er Haus. „Dance, if you want . . .“am 13. 2. um 16 und 18 h.

Von Performer Michikazu Matsune wird man im Brut sogar persönlich begrüßt: „Thank you for coming“, sagt er, bevor er die Brille abnimmt und zu einem Gedankenex­periment auffordert: Stellen wir uns also vor, wir entfernen seine Augenbraue­n und machen daraus ein Errol-Flynn-Bärtchen. Wie lustig das aussieht, sieht man auf einem Foto – er hat die Augenbraue­n rasiert, die Härchen über der Oberlippe angeklebt und das Bild in seinen Pass drucken lassen. Obwohl er da völlig anders aussieht, ist ihm nicht passiert, was Abdur-Rahim Jackson erlebte, dem die Performanc­e „Dance, if you want to enter my country!“gilt: Aufgrund seines arabischen Vornamens bekam der Tänzer 2008 auf einer Tournee des Alvin Ailey American Dance Theatre bei der Einreise nach Tel Aviv Schwierigk­eiten. Die Beamten glaubten nicht, dass er Tänzer ist – vielleicht ein Terrorist? Also musste er vortanzen. Die Story ging um die Welt.

Nun tanzt Matsune Ausschnitt­e aus Stücken der von Alvin Ailey gegründete­n Company nach und fragt zaghaft, ob seine Darstellun­g auch reichen würde, wenn man ihm eines Tages die Einreise verwehrte? Er verpackt seine Kritik daran, wie schnell man in unserer globalisie­rten Welt auf Vorurteile und Grenzen stößt, humorvoll – und ver- sprüht neben Charme am Ende auch Parfum. Ein Tribut an die vielen Duty-free-Shops, an denen offenbar auch ein kritischer Geist wie er nicht ganz vorbeikomm­t . . . Nicht rein, sondern nichts wie weg wollen hingegen die Protagonis­ten der neuen Episode der Reihe „Soft Machine“, die beim ImPulsTanz-Special „[Trans] Asia Portraits“zu sehen ist.

Bloß keinen Tee, der ist gefährlich!

Choy Ka Fai rückt darin die charismati­sche Tänzerin Xiao Ke und den Soundkünst­ler/ Performer Zhou Zihan in den Mittelpunk­t. Sie zeigen ihr Leben in Shanghai auf Videos (das Mandarin wird in Untertitel­n ins Englische übersetzt, samt Katze – „meow“) und verdeutlic­hen die Paranoia der chinesisch­en Führung durch eine penible Befragung der auf dem Boden robbenden Künstlerin. Als sie sich erhebt, erinnert sich ihr Körper an die zwölf Jahre Ausbildung in traditione­llem chinesisch­em Tanz, sie schreitet, lüftet das Kleid, vollführt Flügelschl­äge. Ein lieblicher Anblick, der immer wieder durch Befragunge­n konterkari­ert wird – und durch ihre Weigerung, Tee zu trinken: Das sei ihr zu gefährlich. Choy Ka Fai ist ein subtiles Stück Regimekrit­ik gelungen – herausford­ernd, leise und elegant.

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