Der emsige Mensch im Hintergrund
Wer ist der Andere? Er knüpft das Beziehungsnetz, das dich trägt. Er begleitet dich unauffällig.
Auf der Küchenbank saßen zwei schmächtige Kinder, ein Bub und ein Mädchen; alle anderen waren nach Hause gegangen. Morgen würden sie wiederkommen, in die Musikschule, zum Abendgebet, zum Essen. Für viele ist es daheim nicht leicht, es ist oft kalt, weil sie wenig Holz haben, und in den kleinen Hütten ist kaum Platz.
Zana und Ionut senkten den Blick unter den Tisch. Bei ihnen war noch der Begleiter mit den struppigen Haaren, der sie gebracht hatte. Er zog mich hinaus in den Hof, um zu erklären, dass die beiden in dieser Nacht nirgends hin könnten. Aber Rada, die Mutter? Sie sei gestern Nacht wieder verschwunden.
Und der Vater? Zwei Väter hätten sie, nicht einen. Der eine sei in Frankreich, den anderen kenne man nicht. Und die Großmutter, Tanten, Onkel? Zu ihnen dürften sie nicht, weil sie aus einer anderen Schatra – Familienzweig – seien.
Florin, der junge Mitarbeiter, selbst Roma, fand sich als Einziger zurecht im Durcheinander der Verwandtschaft: die zwölf Kinder der Großmutter, wer mit wem verheiratet war, wer nicht mehr, von wem welche Kinder stammten. Sehr kompliziert. Jetzt verstand ich manche Zusammenhänge im Dorf. Manchmal fragte ich mich, was Florin den ganzen Tag tat. Er ging überall ein und aus, kannte alle, wusste alles. Aber löste er auch Probleme?
Jetzt kam ich drauf, dass er es war, der in der Schatra vermittelte, wer sich um Zana und Ionut zu kümmern hatte, wenn die Mutter weg war. Für diese Nacht wollte er sie in sein eigenes Zimmer aufnehmen. Besser wäre natürlich, wenn die Kinder bei uns bleiben könnten, legte er mir nahe. Er hatte schon zwei Zahnbürsten und Schlafsäcke organisiert. In der Küche spielten Zana und Ionut, als wären sie schon immer bei uns zuhause gewesen. Wir fanden einen Platz, Florin war bei ihnen, bis sie einschliefen. Dann klopfte er an mein Fenster und machte ein Zeichen: Danke!
Zu danken habe ich dem jungen Mann. Sein Name taucht in unserem Organigramm gar nicht auf, und doch ist er unser wichtigster Sozialarbeiter. Ähnlich wie „der andere Jünger“, dessen Name das Evangelium übergeht, wenn es die Szene im Haus des Hohenpriesters beschreibt, in dem Jesus gefangen gesetzt ist.
Von Petrus heißt es, er sei draußen am Tor stehen geblieben. Vom namenlosen Jünger wissen wir, dass er ein Bekannter des Hohenpriesters ist und mit der Pförtnerin vertraut. So kann er seinen Chef Petrus einschleusen.
Es handelt sich wohl um den Schüler, von dem es heißt, dass Jesus ihn liebte. Einfühlsam knüpft er das Beziehungsnetz, das Jesus noch hat. Unter dem Kreuz wird sich zeigen, dass neben Johannes die Frauen am stärksten zu ihm halten. Wer ist in deinem Leben der Andere, dessen Name nicht genannt werden muss?
Er knüpft für dich ein Beziehungsnetz, das dich trägt. Er begleitet dich unauffällig.