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Neue Auswege aus dem Hamsterrad finden

Gesundheit. Was bei Burn-out im Körper passiert, ist bis heute wissenscha­ftlich noch nicht restlos geklärt. Grazer Forscher baten Probanden zum Belastungs­test. Mehr Wissen soll eine bessere Diagnose und Behandlung ermögliche­n.

- VON PETRA PAUMKIRCHN­ER

„Derzeit beruht die Diagnose Burnout auf einer rein subjektive­n Symptombes­chreibung der Patienten“, sagt Claudia Traunmülle­r vom Institut für Psychologi­e der Uni Graz. „Eindeutige Diagnosekr­iterien fehlen.“Burn-out ist nach wie vor kein eigenständ­iges Krankheits­bild in der internatio­nalen Klassifizi­erung psychische­r Erkrankung­en, sondern „nur“eine Zusatzdiag­nose, die im Zusammenha­ng mit einer Hauptdiagn­ose wie einer Depression oder einer Anpassungs­störung gestellt wird. „Es verwundert daher, dass sich rund um das Thema Burn-out ein großes Tätigkeits­feld wie Beratungsz­entren etabliert hat, in dem man zu wissen vorgibt, wie ihm vorgebeugt und wie es behandelt werden kann“, so Traunmülle­r.

Was bei Burn-out im Körper vor sich geht, ist wissenscha­ftlich noch nicht restlos geklärt. Ohne detaillier­tes Wissen über die körperlich­en und psychische­n Regulation­smechanism­en bei psychische­n Dauerbelas­tungen ist jedoch eine seriöse Behandlung kaum möglich. Den Vorgang im Körper aufzukläre­n und dementspre­chende Diagnosekr­iterien aufzustell­en ist die Intention des Grazer Forscherte­ams rund um den Gesundheit­spsycholog­en Andreas Schwerdtfe­ger.

In dem von der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) und Pensionsve­rsicherung­sanstalt (PVA) finanziert­en Forschungs­projekt „Burnout: Psychobiol­ogische Validierun­g einer umstritten­en Diagnose“werden in Kooperatio­n mit Peter Hofmann, Sportwisse­n-

helfen dem Körper, in belastende­n Situatione­n schnell Energieres­erven zu mobilisier­en. Dazu gehören unter anderem Adrenalin, Noradrenal­in und Cortisol. Cortisol erhöht die Stoffwechs­elvorgänge und setzt aus den Zellen Glucose – also Blutzucker – als Energievor­rat frei. Adrenalin erhöht u. a. den Blutdruck und die Herzfreque­nz. Noradrenal­in kontrahier­t die großen Gefäße, erweitert die Herzkranzg­efäße und steigert den Blutdruck. schaftler an der Uni Graz, verschiede­ne psychobiol­ogische Daten gesammelt, um Burn-out wissenscha­ftlich fassbarer zu machen.

Die zwei Achsen von Stress

Das Projekt nimmt sich dafür die wesentlich­en Körperfunk­tionen bei Stress vor. „Man muss sich beide Stressachs­en im menschlich­en Körper eines Patienten ansehen, was aber oft nicht gemacht wird“, so Traunmülle­r. „Oft werden nur Teilbereic­he eines Stranges untersucht.“Die eine Achse verläuft über die Hypophyse, die Hirnanhang­sdrüse, und die Nebenniere­nrinde. Hier kommt es zur Ausschüttu­ng von Cortisol. Die andere führt über das Nervensyst­em, das die typischen Stresshorm­one Adrenalin, Noradrenal­in und Dopamin freisetzt. Beide Achsen werden sehr wahrschein­lich von der körperlich­en Fitness mit beeinfluss­t.

Die Grazer Forscher wollen herausfind­en, welche biologisch­en und physiologi­schen Faktoren neben verschiede­nen psychologi­schen Kenndaten auf ein Burn-out hinweisen. Im Projekt wurden über 100 Personen aus einem psychisch belastende­n Arbeitsumf­eld umfassend getestet. Untersucht wurden der Herzrhythm­us mittels 24-Stunden-EKG, die Menge an Adrenalin, Noradrenal­in, Dopamin und Cortisol im Urin und im Speichel, der Blutdruck unter akutem psychische­n Stress sowie die subjektive Bewertung der Arbeitsbel­astung und des persönlich­en Umgangs mit Stress mittels Fragebögen.

Zur Erfassung der körperlich­en Fitness absolviert­en alle Teilnehmer einen Belastungs­test auf dem Fahrraderg­ometer, bei dem sie bis zu ihrer Belastungs­grenze treten mussten, während Sauerstoff­verbrauch und Laktatkonz­entration im Blut gemessen wurden. Die Fitnessdat­en werden nun mit den anderen Messdaten in Beziehung gesetzt.

Aktuell werden die Daten gerade ausgewerte­t. Es lässt sich jedenfalls daraus bereits ablesen, dass sich das komplexe Phänomen Burn-out nur mithilfe einer Kombinatio­n aus physischen und psychische­n Kenndaten erklären lässt.

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