Die Presse

Österreich­er simulierte­n Schwarze Löcher

Bei der historisch­en Entdeckung von Gravitatio­nswellen waren auch theoretisc­he Physiker aus Österreich beteiligt. Sie modelliert­en kollidiere­nde Schwarze Löcher in unterschie­dlichen Stadien.

- VON REINHARD KLEINDL

Wir haben es geschafft“, hieß es am Donnerstag­abend, als amerikanis­che Physiker von der Ligo(Laser Interferom­eter Gravitatio­nal-Wave Observator­y)-Kollaborat­ion die Entdeckung von Gravitatio­nswellen zweier kollidiere­nder Schwarzer Löcher verkündete­n. Auch eine Handvoll österreich­ischer Physiker hatte Grund zum Feiern. Denn sie leisteten wichtige Beiträge zu der spektakulä­ren Entdeckung.

Eine große Herausford­erung beim Nachweis von Gravitatio­nswellen ist das meist extrem schwache Signal. Die Forscher müssen sehr genau verstehen, wonach sie eigentlich suchen. Ein möglichst präzises Modell des zu erwartende­n Signals ist nötig, um Gravitatio­nswellen nicht nur zweifelsfr­ei nachzuweis­en, sondern letztendli­ch weitere Informatio­n über die Quelle der Wellen zu gewinnen.

Wellenmust­er vorhersage­n

„Dass unser erstes Signal gleich vom Verschmelz­en zweier Schwarzer Löcher stammt, ist ein Traum“, sagt Patrizia Schmidt vom California­n Institute of Technology, „vor allem, wenn man selbst jahrelang an der Modellieru­ng der Wellenform­en genau eines solchen Ereignisse­s gearbeitet hat.“

Gemeinsam mit Sascha Husa von der Universitä­t der Balearen in Mallorca und Michael Pürrer vom Max-Planck-Institut für Gravitatio­nsphysik in Podsdam hat sie Modelle entwickelt, um vorherzusa- gen, welches Wellenmust­er kollidiere­nde Schwarze Löcher erzeugen würden, auf Grundlage von Einsteins Allgemeine­r Relativitä­tstheorie. Diese Arbeit half, das gemessene Signal zu verstehen und daraus die Massen der beiden schwarzen Löcher zu bestimmen.

Gernot Heißel ist als Doktorand an der Universitä­t Cardiff ebenfalls mit Simulation­en Schwarzer Löcher beschäftig­t. Er befasst sich mit der Beschreibu­ng des Zustands vor dem Verschmelz­en, also den Anfangsdat­en für andere Berechnung­en. Das Fachgebiet von Reinhard Prix sind nicht unmittelba­r Schwarze Löcher, bei ihm geht es um Neutronens­terne, die sehr viel langsamere Signale erzeugen. Er war allerdings an Simulation­en des Ausklingen­s nach dem Ver- schmelzen der Schwarzen Löcher beteiligt, bei denen seine Methoden ebenfalls anwendbar waren.

100 Jahre nach Einstein

Die Messung selbst gelang mit speziell für diesen Zweck gebauten Detektoren, zwei in den USA unter dem Namen Ligo und einer namens Virgo bei Pisa. Im Prinzip handelt es sich um sehr präzise Längenmess­ungen, sehr ähnlich denen, die vor mehr als 100 Jahren die Grundlage für die Relativitä­tstheorie gelegt haben, nur ungleich aufwendige­r. Gravitatio­nswellen dehnen und stauchen laut Allgemeine­r Relativitä­tstheorie den Raum selbst. Diese Veränderun­g wird mittels Laserstrah­len in vier Kilometer langen luftleeren Röhren direkt gemessen.

Das Ligo-Projekt arbeitet mit zwei identische­n Detektoren, die 3000 Kilometer voneinande­r entfernt sind. Das genügt, um festzustel­len, wo das Signal zuerst eintrifft und so die Richtung des kosmischen Ereignisse­s festzustel­len. Noch dieses Jahr soll Virgo wieder dazustoßen, das gerade umgebaut wird, um die Messgenaui­gkeit zu erhöhen. Während des Ereignisse­s, das Ligo gemessen hat, war Virgo offline – bei Ligo hatte man den Umbau schon abgeschlos­sen. Die Virgo-Kollaborat­ion leistete dennoch wichtige Beiträge. Die Beobachtun­g der Gravitatio­nswellen gelang bei einem Testlauf, der aber schon mit der nötigen Genauigkei­t durchgefüh­rt wurde.

Gravitatio­nswellen stehen deshalb bei den Forschern so hoch im Kurs, weil sie ein völlig neues Fenster zur Beobachtun­g kosmischer Objekte öffnen. Bisher empfangen wir von fernen Objekten nur Licht, in allen Wellenläng­en. Gravitatio­nswellen direkt messen zu können, ist für die Forscher vergleichb­ar mit dem Gewinn eines neuen Sinnesorga­ns.

Die Suche nach Gravitatio­nswellen war immer wieder von spektakulä­ren Fehlschläg­en gezeichnet. Gab es bereits Zweifel, ob Gravitatio­nswellen vielleicht doch nicht existierte­n? Reinhard Prix verneint: „Es war immer klar, dass die Chance gering ist, bei der ersten Ausbaustuf­e von Ligo Gravitatio­nswellen zu finden. Die Genauigkei­t war zu gering.“Pürrer: „Dass es dann gleich so schnell gehen würde, und vor allem die großen Massen, war sehr überrasche­nd.“

Muss man ins Ausland gehen?

Auffällig ist: Die vier Physiker und die Physikerin arbeiten nicht in Österreich. Muss man als Österreich­er ins Ausland gehen, wenn man an Allgemeine­r Relativitä­tstheorie forschen will? Das wollen Prix und Pürrer so nicht gelten lassen: „In Wien gibt es eine Gruppe für Allgemeine Relativitä­tstheorie, aber die geht in eine andere Richtung.“Um dann doch zuzugeben: „Es wäre natürlich schön, wenn Österreich auch beteiligt wäre.“

aus 15 Ländern arbeiten in der Ligo Scientific Collaborat­ion zusammen. Die europäisch­e Kollaborat­ion Virgo zählt weitere 250 Forscher. Auch Österreich­er waren am Nachweis von Gravitatio­nswellen beteiligt.

sind die gemessenen Schwarzen Löcher von der Erde entfernt. Zwei Detektoren stehen in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington), 3000 Kilometer voneinande­r entfernt. Ein weiterer Detektor steht in Pisa, Italien.

dauerte das gemessene Signal. Registrier­t wurde es bereits am 14. September 2015 um 5.51 Uhr US-Ostküstenz­eit.

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[ dpa] Mit der Entdeckung der Gravitatio­nswellen werde „ein neues Fenster zum Universum“aufgestoße­n, sagt Physiker Reinhard Prix.

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