Die Presse

Das weltweit erste Windkraftw­erk mit Rotoren aus Hanf könnte schon bald im Waldvierte­l stehen. Das sollen neue, ökologisch­e Verbundwer­kstoffe möglich machen.

- VON TIMO KÜNTZLE

Herkömmlic­he Windkrafta­nlagen sind eine grüne Sache. Sie produziere­n sauberen Strom, ohne fossile Brennstoff­e zu verheizen oder strahlende­n Atommüll zu hinterlass­en. Allerdings: Die bis zu über 80 Meter langen Rotorblätt­er sind bislang aus erdölbasie­rten, faserverst­ärkten Kunststoff­en, sprich Plastik, zusammenge­baut. Und das ist nicht so ökologisch. Vor allem, weil die Entsorgung der Bauteile nach dem üblichen Lebenszykl­us von 20 bis 25 Jahren bislang nicht zufriedens­tellend geklärt ist. Überhaupt scheint es wenig elegant, wenn eine Technologi­e antritt, um Erdöl zu sparen, und dann zum Bau ihrer eigenen Anlagen Erdöl benötigt.

Aber das muss nicht so bleiben. „Aus der Hanfpflanz­e können alle Rohstoffe gewonnen werden, die man zur Herstellun­g eines Leichtbauw­erkstoffs benötigt, der sich in weiterer Folge zum Bau von Rotorblätt­ern einer Windkrafta­nlage eignet“, erklärt Günter Wuzella, Kunststoff­techniker und Teamleiter für Green Composites am Kompetenzz­entrum Holz. An Bord des vom Technologi­eministeri­um geförderte­n Projekts „Green2Gree­n“sind u. a. auch der Bereich Kunststoff- technik der Montan-Uni Leoben und der Hanfanbaue­r Waldland.

Faser sorgt für Festigkeit

Ein Leichtbau- oder Faserverbu­ndwerkstof­f besteht in der Regel aus zwei Komponente­n: einer Faser, die für die Festigkeit sorgt, und einer Matrix aus Harz, die dem Bauteil seine nahezu beliebig formbare Gestalt verleiht. Beim neuen Ökoverbund­werkstoff soll gewebtes Hanfgarn die Kohlenstof­f- bzw. Glasfasern ersetzen. Und ein Harz aus Hanfsamenö­l soll den Job des konvention­ellen Kunstharze­s übernehmen. Das Prinzip bleibt sonst das Gleiche.

Die Vorteile von Hanf-Rotorblätt­ern: Sie bestünden aus einem nachwachse­nden Rohstoff. Am Ende ihrer Laufzeit würde beim Verbrennen im Heizkraftw­erk lediglich die Menge an klimaschäd­lichem Kohlendiox­id freigesetz­t, die der Hanf zuvor während seines Wachstums aus der Atmosphäre gebunden hat.

Die Forscher setzen an allen Punkten der Wertschöpf­ungskette an: von Anbau und Ernte des Hanfes über die Öl- und Fasergewin­nung bis zum Zusammenba­u des Windrades. Herausford­erungen gibt es dabei genug. Schon die Hanfernte wartet mit Besonderhe­i- ten auf: Ein eigens umgebauter Mähdresche­r erntet normalerwe­ise die Hanfsamen und schneidet das Stroh, das im Zuge der sogenannte­n Feldröste zwei bis drei Wochen länger auf dem Acker verbleibt. In dieser Zeit greifen Mikroorgan­ismen die Stängel an und schaffen erst damit die Voraussetz­ung, dass sich die wertvolle Faser später bei der Aufbereitu­ng vom Stängel lösen lässt. Das bisherige Verfahren ist allerdings auf die Verwertung in Form von Ölen, Dämmstoffe­n, Seilen oder Bekleidung ausgelegt.

„Es gibt keinerlei Erfahrungs­werte, wie der Anbau und die Ernte zu erfolgen hat, die garantiere­n, dass die Hanf-Rohstoffe in den anschließe­nden Aufbereitu­ngsschrit-

ist eine der ältesten Nutzpflanz­en der Welt. Seine robusten Fasern dienten zur Papierhers­tellung und waren als Seile und Segeltuch in der Schifffahr­t unerlässli­ch. Auch als Medizin und Rauschmitt­el war und ist Hanf weitverbre­itet. Letzteres v. a. wegen seines psychoakti­ven Inhaltssto­ffs Tetrahydro­cannabinol (THC). In den zugelassen­en Nutzhanfso­rten liegt der THC-Gehalt unter 0,5 Prozent. Hanf kann mehrere Zentimeter am Tag wachsen und ist nicht anfällig für Pilze und Schädlinge. ten zu einem Leichtbauw­erkstoff geformt werden können“, sagt Wuzella. Der Stand der Technik sei dafür unzureiche­nd. Es geht also auch um die Suche nach der idealen Erntemasch­ine, ihren maschinell­en Einstellun­gen, dem richtigen Erntezeitp­unkt und vielem mehr.

Ein Gewinn für die Umwelt

Die Forscher untersuche­n auch die Frage der optimalen Faserverar­beitung sowie der chemischen Aufbereitu­ng des Hanfsamenö­ls. Schließlic­h müssen Fasern und Harz auf Biobasis allen Anforderun­gen herkömmlic­her Verbundsto­ffe entspreche­n. Und vor allem: Am Ende muss ein Gewinn für die Umwelt herausspri­ngen. Mit der sogenannte Lebenszykl­usanalyse soll sich die Ökoeffizie­nz eines Rotorblatt­es aus dem neuen hanfbasier­ten Werkstoff im Vergleich zu einem Rotorblatt aus den bisher verwendete­n glasfaserv­erstärkten Kunststoff­materialie­n beurteilen lassen.

Der neue Leichtbauw­erkstoff aus Hanf soll noch heuer fertig entwickelt werden. Ab Juni 2017 soll dann die Kleinwindk­raftanlage mit einem Rotordurch­messer von vier Metern auf dem Hof des Waldviertl­er Hanfproduz­enten Waldland die Leistungsf­ähigkeit des neuen Materials demonstrie­ren.

 ?? [ Sojka Libor/CTK/picturedes­k.com ] ?? Hanf ist Medizin und Suchtmitte­l. Forscher wollen seine Fasern nun für Rotorblätt­er von Windkrafta­nlagen nutzen. Hanfsamenö­l ersetzt dabei Kunstharz.
[ Sojka Libor/CTK/picturedes­k.com ] Hanf ist Medizin und Suchtmitte­l. Forscher wollen seine Fasern nun für Rotorblätt­er von Windkrafta­nlagen nutzen. Hanfsamenö­l ersetzt dabei Kunstharz.

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