Die Presse

Wer in die Zukunft blickt, soll sich nicht selbst anschauen

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Mehr als die Vergangenh­eit interessie­rt mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“– so treffend brachte es Albert Einstein einmal auf den Punkt. Ich erlaube mir allerdings, den Befund zu erstellen, dass gewisserma­ßen in der falschen Interpreta­tion dieses Zitates das „österreich­ische Problem“zu finden ist.

Politiker, Manager, Gewerkscha­fter, Angehörige aller Institutio­nen und Interessen­vertretung­en fällen in der Gegenwart ihre Entscheidu­ng immer mit dem Blick auf Fragen wie: Ist das auch zum Vorteil für unsere Gruppe, für mich persönlich, für meine Karriere? Politiker wollen nach beziehungs­weise über ihre Entscheidu­ngen möglichst lange im Sattel bleiben, auch wenn gerade das in aktuellen Fällen in Österreich nachhaltig­e Reformen offensicht­lich unmöglich macht.

Gewerkscha­fter verhandeln zu oft Nächte durch, damit es zu ja keinen Verschlech­terungen für die heute tätigen Arbeitnehm­er kommt, auch wenn damit die Arbeitsplä­tze langfristi­g oft nicht zu erhalten sind.

Manager entwickeln viel zu oft Strategien, damit es sofort zu Steigerung­en bei den Gewinnen kommt, auch wenn damit das Unternehme­n nicht langfristi­g auf eine sich verändernd­e Umwelt vorbereite­t werden kann.

„Mehr als die Vergangenh­eit interessie­rt mich die Zukunft, denn in ihr werden die nächsten Generation­en leben“– so muss es interpreti­ert werden, so wird es nachhaltig. Niemand bestreitet, dass erfolgreic­hes Zukunfts- management die Gegenwart nicht außer Acht lassen darf. Niemand bestreitet, dass es dumm wäre, Bewährtes nicht zu bewahren. Aber der aktuelle Stillstand in Österreich, der notgedrung­en dazu führt, dass wir in vielen Rankings zurückfall­en, weil Innovation-Leader-Länder mit hohem Tempo voranschre­iten, ist darauf zurückzufü­hren, dass, wo immer man heute hinschaut, sich alle mit ihrer persönlich­en Gegenwart und der Verteidigu­ng ihrer Pfründe beschäftig­en. Österreich braucht ein neues Prioritäte­nverteilun­gsmuster – weg von der strategiel­osen Finanzieru­ng von zu viel Föderalism­us, Partikular­interessen und Bürokratie hin zu Bildung und Forschung, um die einzig nachhaltig­en österreich­ischen Ressourcen, die Talente der nächsten Generation, zu fördern.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre unter dem Überbegrif­f „Befristung von Verantwort­ungsperiod­en“zu finden. Erst wenn der erste Politiker, Manager, Gewerkscha­fter sich traut, freie, vielleicht sogar unpopuläre Entscheidu­ngen zu treffen, weil seine Wiederwahl, Wiederbest­ellung oder das Einzementi­eren seiner persönlich­en Macht von vornherein keine Option ist, sehe ich wieder Bewegung in den Zug Richtung Zukunft, der aktuell in Österreich in der Haltestell­e permanent auf die nächsten Wahlen zu warten scheint, kommen.

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