Die Presse

Nicht Dornrösche­n spielen, das auf einen Prinzen wartet

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Wer kann leichten Herzens über den Aufbruch in unserer Gesellscha­ft reden, wenn wir täglich konfrontie­rt sind mit Menschen, die tatsächlic­h aufgebroch­en sind aus ihrer Heimat? Die alles hinter sich lassen mussten und nun als Flüchtling­e ein Dach über dem Kopf und eine Chance in unseren Breiten suchen.

Aufbruch klingt dieser Tage nach Gefahr, Flucht, Zwang. Aber lassen wir die nach vorn gerichtete Kraft des Aufbruchs nicht untergehen in turbulente­r Zeit. Aufbruch ist Hoffnung, Aufbruch ist Zukunft. Die Flüchtling­swelle zeigt uns, was Menschen aufstellen können, wenn sie sich gemeinsam engagieren. Die freiwillig­en Helfer, die zupacken statt wegschauen. Sie schaffen positive Energie und lassen sich von den Hasenfüßen und Angsthaber­n nicht bremsen.

Am Anfang jedes großen Vorhabens stehen realistisc­he Selbsteins­chätzung und die Definition eines konkreten Zieles. Das gilt für ein Bundesland genauso wie für die Republik Österreich. Wir könnten uns ein Beispiel an der Wirtschaft nehmen, an den vielen stillen, oft unbeachtet­en Spitzenlei­stern hierzuland­e. Wie haben sie ihre Unternehme­nsziele festgelegt, was ist ihr Treibstoff, wie positionie­ren sie sich auf hart umkämpften Märkten?

Auch viele Gemeinden schlagen Pflöcke ein im Neuland: In welchen Gemeinden klappt die Flüchtling­sintegrati­on besser als in anderen? Worin liegt die Führungskr­aft mutiger Bürgermeis­ter? Was lernen wir von der Organisati­onskapazit­ät von Freiwillig­enorganisa­tionen wie Caritas und Diakonie?

Wir sind nicht Dornrösche­n, das auf einen Prinzen wartet, wir können die Dinge selbst in die Hand nehmen. So könnte Österreich beim Zukunftsth­ema Nummer eins, der Integratio­n, eine europaweit­e Initiative starten, die wenig kostet und viel bringt: Erstellen wir ein gesamteuro­päisches Inventar von Ideen. Schaffen wir eine europaweit­e Datenbank, in die jeder einspeisen kann, was funktionie­rt, wovon andere lernen könnten.

Mut machen statt jammern

Integratio­n ist immer konkret, sie gelingt in einem überschaub­aren Lebenszusa­mmenhang. In der Gemeinde, bei den Bürgerinit­iativen, im Betrieb, in der Schule, bei Freiwillig­enorganisa­tionen. Der Bau einer Moschee samt dazugehöri­gem Prozess der Vertrauens­bildung, Apps mit Verhaltens­regeln für Neuankömml­inge, Integratio­nsbotschaf­ter, Sprachunte­rricht für Mütter mit Kleinkinde­rn, Sport für jugendlich­e Flüchtling­e, die Ausbildung von Imamen, ein Blog für Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d, Kochkurse für Frauen aus anderen Kulturen, gemeinsame Feste, Berufsausb­ildung für Zuwanderer, Sprachunte­rricht für Senioren.

Ob in Frankreich oder Finnland: Zivilgesel­lschaft, Gemeinden und Betriebe haben viel in Gang gesetzt, was mit anderen geteilt werden kann. Lernen wir voneinande­r. Machen wir einander Mut, statt zu jammern!

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