Die Presse

Secondhand-Werturteil­e

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Und wie sinnvoll ist es, einen Ausspruch Torbergs über Gina Kaus einmal nach Torberg zu zitieren und sechs Seiten später nach der Monografie Veronika Hofeneders? Sind hier Bausteine aus verschiede­nen Vorgängert­exten zusammenge­fügt worden, was die wortgleich zwei bis dreimal wiederkehr­enden Absätze ebenso erklären könnte wie die Brüche in den chronologi­sch aufgebaute­n Lebensbild­ern?

Hätte diese Problemzon­en ebenso wie einige Flüchtigke­itsfehler ein aufmerksam­es Lektorat verhindern können, liegt die Tatsache, dass Werturteil­e wie Formulieru­ngen oft unproblema­tisiert übernommen werden, im konzeptuel­len Bereich. Dabei wäre gerade bei einem sensiblen Thema wie dem Geschlecht­erverhältn­is um und nach 1900, das auch in der Forschung bis vor Kurzem nahezu ungebroche­n nach den viel zahlreiche­r erhaltenen Schriftzeu­gen der männlichen Akteure reproduzie­rt wurde, eine sprachlich­e Analyse dieser als „erotischer Kult“behübschte­n Liebesrede­n unerlässli­ch.

Spannend wäre natürlich auch gewesen, über andere Frauen zu recherchie­ren, von denen sich im Kraus-Nachlass intimere Briefe erhalten haben, wie etwa von Friederike Manner, die bisher in keiner Biografie des Autors erwähnt wird.

Hilde Schmölzer Frauen um Karl Kraus 278 S., geb., € 18 (Kitab Verlag, Klagenfurt)

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