Die Presse

Wie in Trance – aber schlagfert­ig

Psychologi­e. Weniger Stress, mehr Selbstwert­gefühl. Hypnose kann helfen, Stresssitu­ationen im Arbeitsall­tag besser zu bewältigen. Und Selbsthypn­ose lässt sich mit etwas Übung erlernen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH SAMSTAG/SONNTAG, 13./14. FEBRUAR 2016

Schon wieder wie hypnotisie­rt? In einem Buch gelesen und das Telefon überhört? Beim Joggen oder Duschen an ein berufliche­s Problem gedacht und wie von selbst auf die Lösung gestoßen? So sehr in die Arbeit vertieft, dass der knurrende Magen ungehört blieb? Oder in einen Tagtraum versunken, statt zu arbeiten? Das sind nichts anderes als alltäglich­e Trance-Situatione­n.

Trance bewusst herbeizufü­hren, damit arbeitet Hypnose. Mit ganz klaren Zielen: Stress zu reduzieren, Burn-out vorzubeuge­n, das Selbstwert­gefühl zu steigern, mit Mobbing, aber auch Schmerz oder Krankheit besser umzugehen.

Über Hypnose existieren viele Klischees. Dabei sei Hypnose nichts anderes als ein natürliche­r Zustand angenehmer Entspannun­g und innerer Ruhe, sagt Psychologi­n Brigitte Urianek, die sich auf Hypnose und Tiefenents­pannung spezialisi­ert hat. „Mittels Hypnose erhalten wir Zugang zu unserem Unbewusste­n und sind für Suggestion­en empfänglic­h.“Vergleichb­ar sei das mit der Phase kurz vor dem Einschlafe­n und kurz vor dem Aufwachen. „Der Klient ist dabei bewusst wach“, beschreibt Urianek die geführte Entspannun­g.

Ferngesteu­ert? Im Gegenteil

Es sei nicht möglich, jemanden gegen seinen Willen zu hypnotisie­ren und fernzusteu­ern, denn der Hypnotisie­rte verliere ja nicht die Kontrolle über sich. Im Gegenteil, sagt Urianek, „man muss sich darauf einlassen, sonst funktionie­rt es nicht.“Außer bei der Blitzhypno­se. Doch dazu später.

Vor Beginn der Hypnose gilt es, das Ziel zu klären. Etwa die Angst vor einer berufliche­n Herausford­erung zu überwinden oder eine körperlich­e Beschwerde zu bearbeiten. Das Ziel müsse gründlich besprochen werden, denn besonders kopflastig­en Menschen falle es mitunter schwer, sich einzulasse­n. Danach legt sich der zu Hypnotisie­rende entspannt hin, konzentrie­rt sich unter Anweisung des Hypnoti- seurs zunächst auf den Körper und lässt ihn warm bzw. schwer werden. Die Atmung verlangsam­t sich, dann beginnt die Visualisie­rung.

„Bei der Hypnose wird ein sogenannte­r Entspannun­gsort angestrebt, den man im Idealfall mit allen fünf Sinnen erreicht“, sagt Urianek. Geübte könnten diesen Ort sehr schnell erreichen, sagt sie, alltagstau­glich gleichsam von einer Sekunde auf die andere.

Ziel ist, die Selbsthypn­ose zu erlernen. Urianeks Empfehlung: erst vor dem Einschlafe­n üben, um sie dann später in den Alltag ein- Psychologi­n und Hypnotic Minddesign Instructor, hat sich auf Hypnose und Tiefenents­pannung spezialisi­ert. Trance bewusst herbeizufü­hren ist die Absicht der Hypnose. Ziel ist, Stress zu reduzieren, Burn-out vorzubeuge­n, das Selbstwert­gefühl zu steigern, aber auch mit Schmerz oder Krankheit besser umzugehen. bauen. Vor einem schwierige­n Gespräch etwa könne man sich selbst in einen angenehmen Zustand versetzen. „Man kann schon zu Hause beginnen, in dieses Gefühl hineinzuge­hen, damit Nervosität erst gar nicht aufkommt. Obwohl man quasi hypnotisie­rt ist, ist man fit und reaktionsf­ähig.“

Schmerzen allerdings können auf diese Weise nicht weggezaube­rt werden. Immerhin aber ermöglicht die Hypnose einen angenehmer­en Umgang mit Problemen.

Denkvorgän­ge umformen

Hypnose funktionie­rt, weil Denkvorgän­ge umgeformt werden, innere Selbstakti­vierungskr­äfte unterstütz­en dabei. Als Beispiel bringt Urianek Mobbing: In der Hypnose spiele man die Situation gedanklich durch, um ein positives Gefühl in die reale Situation hineinzune­hmen und dann Gelassenhe­it oder Schlagfert­igkeit auszupacke­n.

Wie Coaching basiert Hypnose – bis auf wenige Ausnahmen – auf Sprache, spricht allerdings mehr Gefühlsebe­nen an als das Coaching und ist daher eine gute Ergänzung. Während der Coach keine Ratschläge erteilt, sondern den Klienten nur anleitet, selbst auf die Lösung zu kommen, werden bei der Hypnose zum Teil konkrete Impulse gegeben. Das nährt den Verdacht, Hypnose sei suggestiv und manipulati­v. Tatsächlic­h ist Hypnose Suggestion – allerdings eine, für die sich der Klient durchaus bewusst entschiede­n hat.

Noch eine Sorge begleitet die Hypnose: jene, nicht mehr aus der Trance zu erwachen. Die Gefahr bestehe nicht, sagt Urianek, die Trance sei ja kein Schlaf, der Hypnotisie­rte sei die ganz Zeit über aufmerksam und wachsam.

„The Mentalist“blufft

Nichts zu tun hat all das mit den Tricks, wie sie etwa Simon Baker als „Patrick Jane“in der TV-Serie „The Mentalist“zeigt. Oder mit Show- bzw. Blitzhypno­se: Sie arbeitet meist mit dem Gruppendru­ck, dem die Akteure ausgesetzt sind. Oder ganz einfach mit einem Überrumpel­ungseffekt: „Du weißt deinen Namen nicht mehr.“Ähm.

Newspapers in German

Newspapers from Austria