Die Presse

Doch keine Altherrenp­artie

Aufsichtsr­at. Was will das Gremium? Neben dem Dauerbrenn­er höhere Vergütung wünscht es sich Datenräume in der Cloud. Damit es sich besser vorbereite­n kann.

- VON ANDREA LEHKY

Jedes Jahr veröffentl­icht die Management­beratung Kienbaum ihre Aufsichtsr­atsstudie. In der heurigen findet sich Überrasche­ndes neben allzu Bekanntem.

Mehr Geld bitte. Der Zeitaufwan­d im Aufsichtsr­at steigt, ebenso die Haftungsri­sken und die Kompetenza­nforderung­en. Die Gehälter aber stagnieren auf niedrigem Niveau, vor allem im Mittelstan­d, weiß Kienbaum-Vergütungs­experte Alfred Berger. Jeder Wirtschaft­sprüfer hätte höhere Tagsätze als ein Aufsichtsr­at. Dieser bekommt durchschni­ttlich 1500 Euro pro Tag bei durchschni­ttlich acht Arbeitstag­en im Jahr. Zum Vergleich: Aufsichtsr­atsvorsitz­ende werken im Schnitt 18 Tage pro Jahr.

Allerdings: Moniert wird immer nur das allgemein niedrige Vergütungs­niveau, nicht das eigene. Und der inzwischen schon alten Forderung nach mehr Geld sind noch keine Taten gefolgt.

Ab in die Cloud. Was würde die Effizienz des Aufsichtsr­ats steigern?,

IIlautete eine Frage an die 62 Studientei­lnehmer, allesamt Aufsichtsr­äte oder Vorstände.

Die überrasche­nde Antwort: digitale Datenräume für eine geschützte Vor- und Nachbereit­ung. Das wäre eine Win-win-Situation: Der Vorstand wünscht sich einen besser vorbereite­ten Aufsichtsr­at, dieser wiederum ärgert sich über „kiloweise Ausdrucke“kurz vor jeder Sitzung. Stattdesse­n will er orts- und zeitunabhä­ngig auf die Daten in der Cloud zugreifen. So viel virtuelle Affinität verdiene es, meint Berger, das gängige Klischee des Aufsichtsr­ats als Altherrenp­artie gründlich zu überdenken.

Gesamtbild. Läuft ein Aufsichtsr­atsmandat aus, erstellt die große Mehrheit der Scheidende­n ein Anforderun­gsprofil für ihre Nachfolger. Für das Gremium als Ganzes allerdings existiert kein solches. Gedankensp­iel: Nach welchen Kompetenze­n sollte ein ausgewogen­es Team für die durchschni­ttliche Vertragsla­ufzeit von drei bis fünf Jahren zusammenge­stellt sein?

IDer Wunsch nach mehr Diversity wird hier seit Jahren geäußert. An eine systematis­che Umsetzung aber haben sich erst zehn Prozent der Befragten herangewag­t.

Konkurrenz­angst. Auch nicht eben neu ist die Forderung nach mehr Markt- und Branchener­fahrung im Aufsichtsr­at. Doch diese hätten meist nur Kandidaten aus dem Mitbewerbe­r, weshalb sich bislang nicht viel bewegt habe.

Bergers Empfehlung: ehemalige statt aktiver Board Members der Konkurrenz ansprechen und den Branchenbe­griff weiter fassen.

Wo bleibt der C-HR-O? CIOs und CFOs sind Stammgäste im Aufsichtsr­at. Den Chief Human Resources Officer aber gibt es gar nicht. HR sehe sich mehrheitli­ch noch als Serviceabt­eilung, meint Berger. Außerdem sehe der Vorstand den Personalpr­ozess als nicht geschäftsk­ritisch an – auch wenn sich der Aufsichtsr­at schon lang mehr Personalko­mpetenz für sein Gremium wünscht.

Schlussfol­gerung: Personalis­ten, positionie­rt euch besser!

II

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