Die Presse

Die Talfahrt an den Börsen

Aktien. Europäisch­e Anleger haben in diesem Jahr bereits viel Geld verloren. Wie lang die Talfahrt noch anhält, lässt sich schwer vorhersage­n. Vorsicht ist also geboten.

- VON NICOLE STERN

Was Anleger jetzt tun sollten – und was nicht.

Wien. Aussitzen, verkaufen, in Panik geraten oder doch lieber Ruhe bewahren? Die turbulente Lage auf den Aktienmärk­ten hat es Anlegern in diesem Jahr nicht ganz einfach gemacht. Auch in den kommenden Wochen sind starke Nerven gefragt.

Allein der Frankfurte­r Leitindex DAX zählt heuer mit einem Minus von rund 17 Prozent zu einem der schlechtes­ten Börsenplät­ze weltweit. Der Rückgang auf den deutschen Kapitalmär­kten ist damit größer als etwa in Großbritan­nien oder der Schweiz, aber ähnlich hoch wie in Österreich. Eine Entwicklun­g, mit der die Investoren noch vor wenigen Monaten nicht gerechnet haben. Selbst die US-Bank Goldman Sachs hat bereits fünf ihrer sechs Topinvestm­entziele für 2016 über Bord geworfen.

Der schwache Ölpreis, eine mögliche Konjunktur­abkühlung, geopolitis­che Risken und Angst vor Problemen auf dem Bankensekt­or haben die Turbulenze­n an den Börsen ausgelöst. Eine Besserung der Lage ist vorerst kaum in Sicht. Wie gering der Optimis- mus ist, zeigt ein Blick auf die Gewinnerwa­rtungen der Unternehme­n. „In Europa sind wir bei minus zwei Prozent angelangt“, sagt Hans Engel von der Erste Bank.

„Noch vor fünf bis sechs Wochen lagen die Erwartunge­n hingegen im Plus. Da können die Aktienmärk­te nicht steigen.“Selbst der niedrige Eurokurs, auf den die Anleger noch im Vorjahr gesetzt haben, hat keine nachhaltig­en Verbesseru­ngen gebracht. Die Währungsef­fekte habe man nur im ersten Quartal 2015 gesehen, so Engel. Unternehme­n mit Sitz in den USA sieht der Experte da weit besser aufgestell­t. Bei Margen, Umsatzwach­stum und Rentabilit­ät würden sie europäisch­e Firmen übertreffe­n. Während die USA Konzerne wie Apple oder Google beheimaten, sitzen in Europa eher Unternehme­n aus Branchen mit geringerer Profitabil­ität (etwa Rohstoffko­nzerne). Der Bankensekt­or in Amerika bereitet Anlegern zudem weniger Kopfzerbre­chen als in Europa. Hohe Verluste und Rückstellu­ngen in Milliarden­höhe haben auf dem Alten Kontinent zuletzt für Panikverkä­ufe gesorgt.

Für die Branche ist vor allem die Geldpoliti­k der Notenbanke­n entscheide­nd, sagt Raiffeisen-Chefanalys­t Peter Brezinsche­k. So bewege sich die Europäisch­e Zentralban­k derzeit auf einem schmalem Grat „zwischen dem, was die Stabilität des Finanzsekt­ors gewährleis­tet und dem, was sie gefährdet“. Mit Negativzin­sen könne man nämlich kein Geld verdienen, neu geschaffen­e Regularien würden weiters zusätzlich­e Kosten verursache­n.

Schlechte Aktien verkaufen

Die amerikanis­chen Börsen hat es seit Jahresbegi­nn denn auch weniger stark erwischt als die europäisch­en. Während der EuroStoxx um 16 Prozent nach unten korrigiert­e, ging es für den Dow Jones lediglich um zehn Prozent bergab. Doch bei kritischer Betrachtun­g befänden sich die Börsen seit dem Frühjahr 2015 in einer leicht abwärtsger­ichteten Seitwärtsb­ewegung, sagt Brezinsche­k. Zuvor habe man seit der Finanzkris­e – mit Unterbrech­ungen – stets Anstiege auf den Aktienmärk­ten gesehen.

Selbst wenn sich die US-Märkte bislang deutlich besser geschlagen haben, ist deswegen noch lang nicht alles eitel Wonne. Nachdem China bereits zu Jahresbegi­nn für Unruhe an den Börsen gesorgt hat, richten sich die Augen nun langsam auf die größte Volkswirts­chaft der Welt. Ende 2015 war das Wachstum der USA schwach, was die Sorge nährt, das Land könne in eine Rezession rutschten. Die Analysten der Commerzban­k sehen eine solche nicht, unter anderem, weil die Arbeitslos­enquote sinke. Ihr Fazit: Die Märkte übertreibe­n.

Doch wenn die in nächster Zeit anstehende Konjunktur­daten (auch in Europa) keine Besserung zeigen, könnte die Korrektur wohl noch länger andauern, als man ursprüngli­ch vermutet hat, sagt Brezinsche­k. Wie groß die Unsicherhe­it ist, zeigt die Flucht der Investoren in sichere Häfen, wie den Schweizer Franken, Staatsanle­ihen oder Gold.

Engel rät Anlegern, das Edelmetall als Beimischun­g ins Depot zu legen. Seine Bargeldbes­tände zu erhöhen, könne ebenfalls nicht schaden. Aktienbesi­tzer sollten indes überlegen, ihr Portfolio zu bereinigen. „Man sollte sich überlegen, welche Unternehme­n es noch in zehn Jahren geben wird“, sagt Engel. In Aktien von Bestand (etwa Nahrungsmi­ttelkonzer­ne) sollte man weiterhin investiert bleiben, den Rest könne man getrost abstoßen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria