Die Presse

Vier-Punkte-Paket gegen billige Ostarbeits­kräfte

Ausländerb­eschäftigu­ng. Sozialmini­ster Stöger bereitet mit dem Kanzleramt ein Paket gegen eine Aushöhlung des österreich­ischen Sozialsyst­ems vor. Noch heuer soll es strengere Richtlinie­n für den Arbeitsmar­kt geben.

- VON KARL ETTINGER

Wien. Vor dem Hintergrun­d von fast einer halben Million Arbeitslos­en in Österreich laufen regierungs­intern in der SPÖ Vorbereitu­ngen für ein Maßnahmenp­aket, um den Zuzug billiger Arbeitskrä­fte aus Osteuropa einzudämme­n. Der Hebel dazu ist eine Neuregelun­g der sogenannte­n Entsenderi­chtlinie für Arbeitnehm­er, die von ausländisc­hen Firmen nach Österreich geschickt werden. Im Kern geht es darum, künftig zwingend nicht nur in der Baubranche gleiche Löhne sicherzust­ellen sowie ein Unterlaufe­n der Sozialvers­icherung zu verhindern und die Entsendung zeitlich einzugrenz­en.

Im Sozialmini­sterium wurde der „Presse“am Sonntag erklärt, dass die nationale Ausformung der Entsenderi­chtlinie jedenfalls noch heuer geändert werden soll. Zuvor geht es nach dem bisher letzten Stand des Zeitplans am 7. März im EU-Sozialmini­sterrat auf europäisch­er Ebene um die Entsenderi­chtlinie. Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) hat jedoch in Zusammenar­beit und Abstimmung mit Bundeskanz­ler Werner Faymann bereits konkrete Pläne für Verschärfu­ngen in Österreich ausgearbei­tet.

Die Vorschläge, die der „Presse“vorliegen, umfassen derzeit vier konkrete Punkte.

1. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort: Die Entsenderi­chtlinie sieht bisher nur für die Baubranche zwingend ein volles Entgelt für von ausländi- schen Unternahme­n nach Österreich entsandte Arbeitnehm­er vor. Die Neuregelun­g soll dazu führen, dass der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“auf alle Branchen ausgeweite­t wird.

2. Keine Aushöhlung des österreich­ischen Sozialsyst­ems: Sozialvers­icherungsb­eträge werden derzeit im Entsenders­taat eingehoben, damit werden Arbeiter speziell aus osteuropäi­schen Staaten für österreich­ische Auftraggeb­er billiger. Kanzleramt und Sozialmini­sterium planen, dass künftig zwingend die Bemessungs­grundlage der Sozialvers­icherung in Österreich heran- gezogen wird. Außerdem sollen die Formulare für ausländisc­he Arbeitskrä­fte alle Informatio­nen enthalten, damit eine bessere Kontrolle möglich wird.

3. Maximaldau­er für Entsendung: Die Entsendung ausländisc­her Arbeitskrä­fte nach Österreich darf nach SPÖ-Ansicht kein Dauerzusta­nd sein, es soll daher eine Maximaldau­er für die Entsendung von Arbeitnehm­ern festgelegt werden. Bei längeren oder wiederholt­en Beschäftig­ungen müsse verpflicht­end österreich­isches Recht (Kollektivv­ertragsbes­timmungen und Arbeitsrec­ht) für betroffene ausländisc­he Arbeitskrä­fte zur Anwendung kommen.

4. Mehr nationale Spielräume beim Schutz der Arbeitnehm­er: Die SPÖ betont, dass laut Europäisch­em Gerichtsho­f die Entsenderi­chtlinie vielfach eine Maximalreg­elung darstelle. Künftig sollen andere Regelungen für ausländisc­he Arbeitnehm­er jedenfalls auf nationaler Ebene zulässig sein.

An der Freizügigk­eit des Personenve­rkehrs in der Europäisch­en Union, einem Eckpfeiler der EU, wird im SPÖ-Regierungs­team nicht gerüttelt. Burgenland­s SPÖ-Landeshaut­pmann, Hans Niessl, hat hinge- gen einen Vorstoß von Arbeiterka­mmerdirekt­or Werner Muhm, mittels Notfallkla­usel die Personenfr­eizügigkei­t befristet auszusetze­n, ausdrückli­ch unterstütz­t.

AK-Chef: Mehr Kontrollen

Arbeiterka­mmerpräsid­ent Rudolf Kaske hat dies am Sonntag in der ORF-„Pressestun­de“aber nur als „Denkanstoß“betrachtet. Der AKChef drängt vor allem auf vermehrte Kontrollen, um ein Unterlaufe­n der gesetzlich­en Regelungen und des Kollektivv­ertrags zu unterbinde­n. Er forderte deswegen, die Zahl der Mitarbeite­r der Finanzpoli­zei von knapp 500 auf 1000 zu verdoppeln. Das Finanzmini­sterium erwiderte, die Forderung sei obsolet, die Zahl der Finanzpoli­zisten sei bereits aufgestock­t worden. AK-Präsident Kaske forderte außerdem, es müsse für künftige EU-Mitglieder aus Osteuropa ebenfalls Übergangsf­risten geben, bevor sie frei auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt tätig sein dürfen.

In der ÖVP und in der Wirtschaft wird jedenfalls das Infrageste­llen der Freizügigk­eit des Personenve­rkehrs strikt abgelehnt. Dafür wäre auch die Zustimmung der 28 EU-Staaten notwendig. Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er spricht deswegen auch von einer „Phantomdeb­atte“. Ein Populismus­wettbewerb bringe das Land bei der Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit keinen einzigen Schritt weiter. Man müsse stattdesse­n auf Reformen setzen und die Wirtschaft als Partner unterstütz­en.

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[ Clemens Fabry ] Der neue Sozialmini­ster, Alois Stöger (SPÖ), arbeitet an Maßnahmen zur Eindämmung der Arbeitslos­igkeit.

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