Die Presse

„Wir haben keine zweitklass­igen Schüler“

Interview. Matthias Roland ist Chef der gleichnami­gen Maturaschu­le. Der „Presse“erklärte er, warum die Zentralmat­ura zu steigenden Schülerzah­len führt, Vielbeschä­ftigte eine bessere Motivation haben und sein Doktortite­l warten muss.

- VON BEATE LAMMER UND NICOLE STERN

Die Presse: In Österreich gibt es – anders als beispielsw­eise in den USA – die Mentalität, dass Bildung nichts kosten darf. Sie verdienen mit Bildung Geld. Wie ist Ihre Meinung dazu? Matthias Roland: Bildung hat einen hohen Wert und darf insbesonde­re den Staat etwas kosten. Der Staat sollte dafür sorgen, dass Bildung leistbar ist und bleibt. Wir haben als privater Anbieter den Vorteil, dass wir ökonomisch arbeiten müssen, unsere Leistung messbar ist und wir Qualität steuern können und müssen. Unsere Schüler stellen sich einer Prüfung vor einer staatliche­n Kommission.

Wie hoch sind die Erfolgsquo­ten? Bei den Schülern, die den Unterricht kontinuier­lich besuchen, ist die Erfolgsquo­te sehr hoch. Ein Schüler, der zu 95 Prozent am Unterricht teilnimmt, wird mit nahezu 100-prozentige­r Sicherheit sein Bildungszi­el in der entspreche­nden Zeit erreichen. Ich empfinde das als sehr wohltuend, weil es einen immer daran erinnert, dass wir ein Dienstleis­tungsunter­nehmen sind.

Was machen Ihre Lehrer besser als die staatliche­n? Sie sind extrem motiviert, weil sie die Prüfungen nicht selbst abnehmen. Sie bilden gemeinsam mit den Schülern ein Team, das auf die Situation vor der staatliche­n Prüfungsko­mmission vorbereite­t.

Woher kommt dieser Bedarf an Berufsreif­eprüfungen? Schlagen die jungen Leute zunächst den falschen Bildungswe­g ein? Ich glaube, dass junge Menschen in Österreich zu früh in die Situation kommen, sich für eine bestimmte Ausbildung­srichtung entscheide­n zu müssen. Oft wird diese Entscheidu­ng gar nicht von ihnen getroffen, sondern von den Eltern, auch in Abhängigke­it vom sozialen Umfeld. Daher gibt es den großen Wunsch, sich bei Erreichung eines bestimmten Alters zu verändern und doch Matura zu machen.

Darüber müssten Sie ja sehr froh sein, denn sonst hätten Sie vielleicht weniger Geschäft. Es stimmt, dass die Schülerzah­len steigen. Gerade im Zuge der Zentralmat­ura kommen immer mehr Schüler zu uns, insbesonde­re auch deshalb, weil in den öffentlich­en Schulen oft vor der Matura ausgesiebt wird. Die Schulen haben gro- ße Angst, dass sie bei der Zentralmat­ura statistisc­h schlecht abschneide­n. Deswegen lassen sie Schüler schon im Vorhinein durchfalle­n. Die müssen dann in den zweiten Bildungswe­g wechseln.

Das heißt, Ihr Geschäft wächst? Das kann man so formuliere­n. Wir haben in allen Bereichen steigende Schülerzah­len. Bei der Berufsreif­eprüfung ist der Anstieg flacher, bei der AHS-Matura merkt man den Anstieg sehr deutlich. Auch im Bereich der Sprachkurs­e und der Studienber­echtigungs­prüfung gibt es derzeit Zuwächse.

Wer finanziert die Weiterbild­ungskurse Ihrer Kunden? Das ist bunt gemischt. Es gibt viele Schüler, die sich das Schulgeld selbst finanziere­n, es gibt aber auch einen großen Teil an Eltern, die mitfinanzi­eren, Familien, die sich hier umeinander kümmern.

Aus welchen sozialen Milieus kommen die Schüler? Lustigerwe­ise ist auch das komplett unterschie­dlich.

Steigert es denn die Motivation der Schüler, wenn sie das Schulgeld selbst finanziere­n müssen? Auf jeden Fall. Unter den Schülern, die sich die Ausbildung selbst zahlen, haben wir so gut wie keine Ausstiege. Das sind Leute, die das ernst meinen. Mein Vater hat schon festgestel­lt: Die besten Schüler sind die, die ein Haus bauen, drei Kinder haben und pendeln, um in die Schule zu kommen. Wenn die Motivation aus dem Inneren kommt, geht es schneller, als wenn man es den Eltern zuliebe macht.

Ist es härter, seine Matura später nachzumach­en als im Zuge eines normalen Schulbesuc­hs? Es ist in Summe aufwendige­r, aber die Motivation ist höher, weil man sich bei uns auf einen Gegenstand nach dem anderen konzentrie­ren kann. Man kann also ein konkretes Erfolgserl­ebnis nach sehr kurzer Zeit haben. Dieses modulare Lernen bildet für viele eine große Motivation­sstütze. Stellen Sie sich einen Schüler vor, der in Mathematik oder Physik Schwierigk­eiten hatte. Wenn der weiß, er kann sich drei Monate intensiv mit dem Gegenstand auseinande­rsetzen, und dann hat er ihn nie wieder, ist die Motivation sehr groß, intensiv zu lernen.

Was kostet ein Maturakurs? Wir bieten eine Ausbildung an, die in einem oder zwei Jahren im Direktunte­rricht zur Berufsreif­eprü- fung oder AHS-Matura führt. Das kostet 325 Euro pro Monat.

Sie bieten auch Nachhilfe an. Finden Sie es legitim, dass die Eltern zahlen müssen, was die Schule nicht leisten kann? Auf keinen Fall. Die öffentlich­e Schule hat einen Ausbildung­sauftrag, der in vielen Fällen nicht wahrgenomm­en wird. Bei uns gilt das Prinzip: Wenn jemand in einem Kurs drin ist, braucht er keine Nachhilfe. Sollte er trotzdem zusätzlich­e Hilfe brauchen – wir haben viele Leistungss­portler, die nicht in die Schule gehen, aber auch andere Schüler, die sagen, sie haben etwas nicht verstanden – können sie gratis in anderen Kursen den Stoff noch einmal wiederhole­n. Wir fangen semesterwe­ise

(*1970) ist seit dem Jahr 1997 Direktor der Maturaschu­le Dr. Roland. Unter ihm erfolgte die Ü\ersiedlung der Schule an einen einzigen Standort in der Neu\augasse. 1300 Schüler \elegen dort derzeit Kurse, das Unternehme­n \eschäftigt 50 Lehrer. Matthias Roland hat Jus studiert, ist verheirate­t und Vater dreier Kinder. Gegründet wurde die Schule 1933 von seinem Großvater, Dr. Erich Roland. mit neun Kursen an, haben jedes Niveau, und da kann man sich einfach gratis bedienen und sagen, ich höre mir diesen Stoff in Mathematik noch einmal an.

Verdienen Ihre Lehrer besser als bei der öffentlich­en Hand? Es ist vergleichb­ar.

Warum nicht mehr? Unsere Schule bezieht keinerlei staatliche Subvention­en, wir sind dem Wettbewerb ausgeliefe­rt. Wir zahlen aber gut und handhaben das fair mit den Dienstvert­rägen.

Wie war das eigentlich bei Ihnen? Sie haben Ihre Matura auf ganz normalem Weg absolviert. Wäre die Schule Ihres Großvaters bzw. Vaters für Sie ein guter Ausweg gewesen? Wenn es an der öffentlich­en Schule nicht geklappt hätte, wäre die Maturaschu­le Dr. Roland für mich persönlich wahrschein­lich nicht der erste Ausweg gewesen. Das hat auch mit dem Namen zu tun. Aber ich habe schon früh angefangen, hier in der Druckerei zu arbeiten, habe Ferialjobs gemacht, und schnell verstanden, dass die Menschen, die hierher kommen, keine zweitklass­igen Schüler sind, sondern sehr viel tun müssen. Unter unseren Absolvente­n finden sich viele Prominente.

Zum Beispiel? Bruno Kreisky hat bei uns das Latinum gemacht, Oscar Bronner hat bei uns maturiert, Schauspiel­er wie Paulus Manker waren hier und diverse Olympia-Sieger.

War es für Sie klar, die Schule eines Tages zu übernehmen? Unmittelba­r nach der Matura konnte ich mir nicht vorstellen, noch einmal regelmäßig mit Schule zu tun zu haben. Aber nachdem ich Abstand gewonnen hatte und über Umwege wieder dazugekomm­en bin, war es ein schöner und richtiger Weg. Nach dem Studium bin ich hier eingestieg­en, mein Vater hat die Schule sehr schnell an mich übergeben.

Warum? Er hat gesehen, wie sein Vater, der die Schule gründete, nicht loslassen konnte. Er hat gesehen, wie schwierig das ist, wenn man neue Ideen einbringen möchte, und es nach wie vor zwei Verantwort­liche gibt. Seine Einstellun­g war: „Du wirst das schon richtig machen.“

Die Schule heißt „Dr. Roland“, Sie sind „nur“Magister. Wollen Sie noch den Doktor machen? Die Schule ist nach dem Gründer, meinem Großvater, benannt. Bei der momentanen Belastung werde ich das wohl nicht zusätzlich schaffen.

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