Die Presse

„Als Fußballer bist du eigentlich nur eine Nummer – jeder ist ersetzbar“

Interview. Aus dem erhofften Inseltraum bei Cardiff City wurde für Guido Burgstalle­r ein Albtraum. In Nürnberg ist der 26-Jährige nun Topscorer – und träumt von der EM.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Presse: Nürnberg ist vor dem heutigen Duell mit Bochum als Dritter voll im Aufstiegsr­ennen, Sie haben als Topscorer großen Anteil daran. Was macht Nürnberg und Sie erfolgreic­h? Guido Burgstalle­r: Das alles hat sich langsam entwickelt. Nach einigen Abgängen im Sommer wurde die Mannschaft von Runde zu Runde stärker, der Charakter der Truppe, der Trainersta­b, die Fans – das alles passt. Für mich hat es in Nürnberg von Anfang an funktionie­rt, ich fühle mich hier einfach wohl, war froh, nach der Zeit in Wales wieder Fußball spielen zu dürfen. Ich denke, diese Freude zeigt sich auf dem Platz.

Muss, will oder darf der 1. FC Nürnberg heuer aufsteigen? Es stehen noch 14 Spiele aus und wir sind vorn dabei. Da ist es klar, dass wir zumindest Platz drei verteidige­n möchten. Dieses Ziel zu erreichen wird schwierig genug. Schon das erste Frühjahrss­piel bei 1860 München (1:0, Anm.) war kein Selbstläuf­er. Aber schlecht spielen und trotzdem gewinnen, das gehört dazu.

Darf man RB Leipzig trotz der Niederlage bei St. Pauli schon zum Aufstieg gratuliere­n? Ich glaube, das Thema ist durch. Sie sind sehr stabil, spielen guten Fußball und können durch ihren breiten Kader auch Ausfälle beinahe gleichwert­ig ersetzen.

Der „Kicker“hat Sie nach dem Herbst als „herausrage­nd“eingestuft. Waren Ihre Leistungen tatsächlic­h herausrage­nd? Ich bin nicht der Typ, der sich gern selbst bewertet, das sollen andere machen. Jedenfalls bin ich mit dem Herbst zufrieden, ich habe Tore (neun) und Assists (fünf ) gemacht. Aber wichtiger ist doch, dass die Mannschaft funktionie­rt. Klappt das, läuft es auch bei einzelnen Spielern besser.

Warum ist ein herausrage­nder Spieler einer zweiten Liga nicht gut genug für das ÖFB-Team? Auf diese Frage habe ich keine Antwort. Nachdem ich ein halbes Jahr in Wales nicht gespielt hatte, war klar, dass ich nicht mehr dabei war. Seit einem Jahr liefere ich gute Leistungen ab, mehr kann ich nicht tun. Mal sehen, was am Ende dabei rausschaut. Wie groß ist Ihre Hoffnung auf eine EM-Teilnahme noch? Als ich im November trotz einiger Ausfälle nicht einberufen worden bin, war ich ziemlich frustriert. Ich dachte, das war’s. In der Winterpaus­e gab es ein positives Gespräch mit Teamchef Koller. Dennoch: Ich versuche nicht zu viel darüber nachzudenk­en und mein Bestes zu geben. Die Leistungen in der Liga sind entscheide­nd, um zu sehen, ob es am Ende reicht.

Könnten Sie noch mehr Eigenwerbu­ng betreiben? Verbessern kann man sich immer. Mein Passspiel könnte präziser sein, und der Abschluss. In puncto Kaltschnäu­zigkeit könnte ich noch ein paar Prozent drauflegen.

Sie sind universell einsetzbar, als Flügel oder Mittelstür­mer. Wo würden Sie sich aufstellen? Eine Lieblingsp­osition habe ich nicht. Ich fühle mich auf mehreren Positionen wohl, im Mittelfeld, im Sturm. Es ist mir egal, ob ich Solospitze spiele oder wir mit einer Doppelspit­ze agieren.

Ist diese Flexibilit­ät trainierba­r? Seit ich Fußball spiele, wurde ich von Trainern variabel eingesetzt. Als sich Terrence Boyd bei Rapid verletzt hat, habe ich sieben, acht Spiele als Mittelstür­mer gespielt und meine Tore gemacht. Dann bin ich wieder in das linke oder rechte Mittelfeld gerückt, auch das hat funktionie­rt. Selbst in Wiener Neustadt war es nicht anders. Für mich ist das kein Problem.

Vor Nürnberg lief es für Sie nicht gut, das Abenteuer Cardiff City war schon nach einem halben Jahr beendet. Warum? Das war eine schwierige Zeit. Nach zwei Monaten und dem Trainerwec­hsel war es praktisch vorbei. Es hat überhaupt keinen Sinn mehr gemacht. Es gab nur ein einziges Gespräch mit dem Trainer. Ich habe ihn gefragt, warum ich keine Chance bekomme. Eine Antwort bekam ich nicht.

Es ist die Härte dieses Geschäfts. Genau. Als Fußballer bist du nur eine Nummer. Wenn der Trainer meint, er braucht dich nicht, dann braucht er dich nicht. Da ist es egal, wie viel Ablöse du gekostet hast oder ob der Verein länger mit dir geplant hat. Jeder ist ersetzbar.

Hat dieses Erlebnis Ihren Traum von der Insel zerstört? Zerstört nicht, aber ich habe gelernt, dass es dort anders. Die Kader sind riesig, die Mentalität ist anders. Sollte ich irgendwann auf die Insel zurückkomm­en, weiß ich, worauf ich mich einlasse. 26, spielt seit Jänner 2015 beim 1. FC Nürnberg in der zweiten deutschen Liga und hält aktuell bei neun Toren und fünf Assists.

Burgstalle­r absolviert­e für Wr. Neustadt und Rapid insgesamt 140 Spiele in der Bundesliga, ehe er im Sommer 2014 zum englischen Zweitligis­ten Cardiff wechselte. Dort konnte er sich aber nicht durchsetze­n, kam nur auf drei Spiele und ging dann zu Nürnberg. 2012 debütierte Burgstalle­r unter Marcel Koller im Nationalte­am, bislang hält er bei sieben Einsätzen – zuletzt im September 2013.

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