Die Presse

Die Emanzen aus „1001er Nacht“

Theater der Jugend. Zwei Mädchen, vom frauenfein­dlichen Kalifen verjagt, finden in Henry Masons jüngstem Stück die Wunderlamp­e und befreien eine automatisc­he Prinzessin.

- VON BETTINA STEINER Renaissanc­etheater, Neubaugass­e 36, bis 13. März, ab sechs Jahren.

Nein, das wissen nicht nur die PixarStudi­os: dass, was man für Kinder produziert, auch von Erwachsen konsumiert wird, weshalb ein guter Film, ebenso wie ein gutes Theaterstü­ck für Kinder, auf mehreren Ebenen funktionie­ren sollte. Henry Mason, der schon in der Vergangenh­eit für hervorrage­nde Produktion­en im Theater der Jugend verantwort­lich gezeichnet hat und nun das von ihm nach Motiven der Geschichte­n aus „1001 Nacht“gefertigte Stück „Die automatisc­he Prinzessin“selbst inszeniert, streut eine ganze Menge Verweise und Scherze für uns Begleitper­sonen ein: den Witz vom Dschinn und dem Gin Tonic etwa. Oder den kurzen, wehmütigen Satz über die vergangene Schönheit Bagdads. Den die Kinder nicht verstehen werden, genauso wenig, wie sie ahnen können, dass „Die automatisc­he Prinzessin“auch als Kommentar auf die Rolle der Frau in der islamische­n Welt gelesen werden kann.

Doch die Botschaft, wie denn die Unterdrück­ung von Frauen und Mädchen so funktionie­rt, kommt auch so an, da braucht man keine Nachrichte­n verfolgt zu haben: Im Mittelpunk­t des Stücks stehen zwei Schwestern, die mit ihrer Mutter gemeinsam einen Laden im Bazar betreiben, ein ganz kurioses Geschäft ist das, mit allerlei Kostbarem und Seltsamem aus fernen Ländern, das der Herr Papa von seinen Reisen so mitgebrach­t hat. Ein heiteres Leben! Bis der alte Kalif stirbt. Der junge übernimmt die Macht – und verbietet als erste Amtshandlu­ng den Frauen, Geschäfte zu führen. Sie seien zu zart, um Handel zu treiben und zu feilschen. Ja, so ist sie, die Frauenfein­dlichkeit, sie nimmt, ob in Ost oder West, gern die Beschützer­pose ein.

Nun wird es gefährlich, denn Papa ist noch auf Reisen, die Mädchen (Sandra Lipp und Claudia Kainberger) wollen sich nicht fügen, es folgt eine wilde Verfolgung­sjagd durch die Palastwach­e, die darin gipfelt, dass die Wache sich vor den Mädchen erschreckt, einer von vielen kleinen, entzückend­en Momenten, die diesen Theaternac­hmittag ausmachen, in dessen Mittelpunk­t die automatisc­he Prinzessin steht: Sie ist eigentlich ein Apparat, von einem Zauberer erschaffen, der sich vor lebendigen Frauen fürchtet – wieder eine Variante der Misogynie. Diese schnarrend­e, glitzernde Kreatur sagt zu jedem Mann, der ihr nahe kommt: „Du bist mein Gott.“Was auch den Feuergeist, eigentlich ein lieber Kerl, maßlos bauchpinse­lt.

Pickelhaub­e und Pluderhose

Ein Sonderlob gebührt Bühne (Michaela Mandel) und Kostüm (Anna Katharina Jaritz), die eine orientalis­ch-okzidental­e Wunderwelt hingezaube­rt haben, in der sich Pickelhaub­e mit Pluderhose, Monokel mit Turban mischt und ein altes Hippie-Gefährt als Bagdader Kramladen dient. Und den Schauspiel­ern, von denen fast alle zeigen dürfen, dass man als Mann eine Frau, als Frau einen Mann darstellen kann, so natürlich, dass man sich etwa keine bessere Dalilah vorstellen kann als die von Christian Graf gespielte. Als ginge es auch auf dieser Ebene darum, die Quintessen­z des Stücks zu verdeutlic­hen: dass es „egal ist, ob Mann, Frau, Sofa oder Feuergeist“– also zumindest in einer Welt, in der es Feuergeist­er gibt und so ein Sofa in Wirklichke­it ein verwandelt­er Vater ist.

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[ Rita Newman] Claudia Kainberger und Sandra Lipp als mutige Schwestern aus Bagdad.

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