Die Emanzen aus „1001er Nacht“
Theater der Jugend. Zwei Mädchen, vom frauenfeindlichen Kalifen verjagt, finden in Henry Masons jüngstem Stück die Wunderlampe und befreien eine automatische Prinzessin.
Nein, das wissen nicht nur die PixarStudios: dass, was man für Kinder produziert, auch von Erwachsen konsumiert wird, weshalb ein guter Film, ebenso wie ein gutes Theaterstück für Kinder, auf mehreren Ebenen funktionieren sollte. Henry Mason, der schon in der Vergangenheit für hervorragende Produktionen im Theater der Jugend verantwortlich gezeichnet hat und nun das von ihm nach Motiven der Geschichten aus „1001 Nacht“gefertigte Stück „Die automatische Prinzessin“selbst inszeniert, streut eine ganze Menge Verweise und Scherze für uns Begleitpersonen ein: den Witz vom Dschinn und dem Gin Tonic etwa. Oder den kurzen, wehmütigen Satz über die vergangene Schönheit Bagdads. Den die Kinder nicht verstehen werden, genauso wenig, wie sie ahnen können, dass „Die automatische Prinzessin“auch als Kommentar auf die Rolle der Frau in der islamischen Welt gelesen werden kann.
Doch die Botschaft, wie denn die Unterdrückung von Frauen und Mädchen so funktioniert, kommt auch so an, da braucht man keine Nachrichten verfolgt zu haben: Im Mittelpunkt des Stücks stehen zwei Schwestern, die mit ihrer Mutter gemeinsam einen Laden im Bazar betreiben, ein ganz kurioses Geschäft ist das, mit allerlei Kostbarem und Seltsamem aus fernen Ländern, das der Herr Papa von seinen Reisen so mitgebracht hat. Ein heiteres Leben! Bis der alte Kalif stirbt. Der junge übernimmt die Macht – und verbietet als erste Amtshandlung den Frauen, Geschäfte zu führen. Sie seien zu zart, um Handel zu treiben und zu feilschen. Ja, so ist sie, die Frauenfeindlichkeit, sie nimmt, ob in Ost oder West, gern die Beschützerpose ein.
Nun wird es gefährlich, denn Papa ist noch auf Reisen, die Mädchen (Sandra Lipp und Claudia Kainberger) wollen sich nicht fügen, es folgt eine wilde Verfolgungsjagd durch die Palastwache, die darin gipfelt, dass die Wache sich vor den Mädchen erschreckt, einer von vielen kleinen, entzückenden Momenten, die diesen Theaternachmittag ausmachen, in dessen Mittelpunkt die automatische Prinzessin steht: Sie ist eigentlich ein Apparat, von einem Zauberer erschaffen, der sich vor lebendigen Frauen fürchtet – wieder eine Variante der Misogynie. Diese schnarrende, glitzernde Kreatur sagt zu jedem Mann, der ihr nahe kommt: „Du bist mein Gott.“Was auch den Feuergeist, eigentlich ein lieber Kerl, maßlos bauchpinselt.
Pickelhaube und Pluderhose
Ein Sonderlob gebührt Bühne (Michaela Mandel) und Kostüm (Anna Katharina Jaritz), die eine orientalisch-okzidentale Wunderwelt hingezaubert haben, in der sich Pickelhaube mit Pluderhose, Monokel mit Turban mischt und ein altes Hippie-Gefährt als Bagdader Kramladen dient. Und den Schauspielern, von denen fast alle zeigen dürfen, dass man als Mann eine Frau, als Frau einen Mann darstellen kann, so natürlich, dass man sich etwa keine bessere Dalilah vorstellen kann als die von Christian Graf gespielte. Als ginge es auch auf dieser Ebene darum, die Quintessenz des Stücks zu verdeutlichen: dass es „egal ist, ob Mann, Frau, Sofa oder Feuergeist“– also zumindest in einer Welt, in der es Feuergeister gibt und so ein Sofa in Wirklichkeit ein verwandelter Vater ist.