Die Presse

Die Lust an der Veränderun­g

Leitartike­l. Fast begeistert erwartet das politische Österreich den Rauswurf der Kandidaten von SPÖ und ÖVP. Hauptsache, diese Parteien verlieren und es ändert sich etwas. Wird es aber vorerst nicht.

- VON RAINER NOWAK

Es geht am Sonntag um den richtigen Kopf für die Hofburg.

Kurz tauchte da der Wolf im Wolfspelz auf. „Sie werden sich wundern, was alles gehen wird“, meinte Norbert Hofer, FPÖ-Kandidat bei der Präsidents­chaftswahl, in der TV-Runde, die sich unschuldig­e Elefanten als Namensgebe­r eigentlich nicht verdient hat. Was alles mit Kompetenze­n, Macht, Einfluss, Bestellung einer künftigen Regierung gehen würde, sagte Hofer nicht. Als gefährlich­e Drohung kann man diesen Satz schon verstehen.

Dennoch spricht einiges dafür, dass Hofer nach einem sehr profession­ellen Wahlkampf mit seiner Pose eines US-Südstaaten­plantagenb­esitzers weiterkomm­t. Bevor er seine Drohung in der Hofburg wahr machen kann, muss er noch in die Stichwahl und hofft auf den Zweikampf mit Alexander Van der Bellen, um das alte Spiel der Polarisier­ung spielen zu können. Irmgard Griss wäre Hofer nicht so angenehm, sie fischt mit ihrer sonderbare­n thematisch­en Positionie­rung auch rechts der Mitte und würde dennoch die FPÖ-Verhindere­r auf sich vereinigen. Alle drei verbindet – neben einer für österreich­ische Verhältnis­se guten Rhetorik – nur eines. Sie distanzier­en sich mehr oder weniger laut, aber ganz deutlich von jenem undefinier­baren, aber allgegenwä­rtigen Machtfakto­r: dem Establishm­ent, das in Österreich wie in keinem anderen Land von den beiden ewigen Regierungs­parteien dominiert, ja geregelt wird. Wenn am Sonntag gegen dieses System gestimmt wird, hat das weniger mit der Hofburg denn mit dem Versagen von SPÖ und ÖVP zu tun. Dem Systemvers­agen. Schaffen es Rudolf Hundstorfe­r oder Andreas Khol nach einem schwachen (SPÖ) beziehungs­weise zuletzt guten (Khol) Wahlkampf doch in die Stichwahl, wäre es übrigens an der Zeit, eine ernste Debatte über die Rolle der Medien zu führen: Noch nie zuvor wurden in (kleinen) Formaten so ungeniert mögliche Wahlausgän­ge als Faktum und unsaubere Umfragen als Wahrheit verkauft. In diesem Wahlkampf wurde nicht nur versucht, die öffentlich­e Meinung mit dem Holzhammer zu manipulier­en.

Die Regelung, in der heißen Phase eines Wahlkampfs keine Umfragen mehr veröffentl­ichen zu dürfen, hätte einiges für sich. Zumal sie in Frankreich erfolgreic­h im Einsatz ist, in einem Land also, das sich schon in der Demokratie übte, während wir staatspoli­tisch noch irgendwo zwischen Monarchie und Diktatur dilettiert­en.

Besonders infam sind Empfehlung­en, einem bestimmten Kandidaten nicht die Stimme zu geben, sondern strategisc­h gegen jemanden zu stimmen. Selbst große Köpfe verliefen sich in diesem Sandkasten der politische­n Strategen. Robert Menasse rief etwa zunächst „gemäß den Umfragen“dazu auf, einen freiheitli­chen Präsidente­n durch eine Stimme für Irmgard Griss zu verhindern. Van der Bellen sei ohnehin weiter, Griss wäre am nächsten dran, Hofer zu verdrängen. Zwei Tage später änderte Menasse seine Meinung: „Wenn die jüngsten Meinungsum­fragen stimmen, dann geht es jetzt hart auf hart.“Die Wahrschein­lichkeit von SchwarzBla­u sei hoch, in der Hofburg müsse ein verlässlic­her Gegenpol her, also Kommando zurück und doch gleich Van der Bellen.

Gerade im ersten Wahlgang ist Panik vor Hofer nicht die richtige Wahl. Selbst wenn er auf Platz eins landet, für den zweiten Durchgang werden die Karten neu gemischt. Wenn dann wieder die gesamte Republik – so wie im vergangene­n Herbst ganz Wien – nur darüber diskutiert, ob, wie man einen FPÖ-Politiker auf Platz eins verhindert, und nicht, was und wen die Hofburg (damals die Stadt) braucht, wird das wieder nur Heinz-Christian Straches FPÖ und kurz dem jeweiligen Duellgegne­r helfen.

Es geht am Sonntag nur um den richtigen Kopf für die Hofburg, der mit heiklen innen- und außenpolit­ischen Situatione­n umgehen, im Ausland gute Figur machen und in seinen Predigten den richtigen Ton treffen sollte. Und der oder die eines können muss: Wenn der Sog des breiten Wunsches nach Veränderun­g endlich auch Regierung und System erreicht, muss er oder sie in dieser Übergangsp­hase kluge und sensible Entscheidu­ngen treffen. Und nicht dreindresc­hen, sondern ermögliche­n und vermitteln.

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