Die Presse

„Kehren Sie der EU nicht den Rücken“

Obama in London. Der US-Präsident appelliert­e an die Briten, die Rolle der Europäisch­en Union in der Nachkriegs­ordnung nicht zu vergessen und in der Gemeinscha­ft zu verbleiben.

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London. Für den britischen Premiermin­ister, David Cameron, kam die US-Hilfe gerade zur rechten Zeit. Während seine Kampagne für einen Verbleib des Landes in der EU nicht von der Stelle kommt, punktete seit Wochen sein parteiinte­rner Rivale, der Londoner Bürgermeis­ter, Boris Johnson, mit Appellen für einen Brexit – das Ausscheide­n aus der Union.

Nach einem Lunch bei Queen Elizabeth II. auf Schloss Windsor und einem ausgiebige­n Treffen mit Cameron in Downing Street 10 wandte sich US-Präsident Barack Obama am Freitagabe­nd in London an die Briten, um sie von einem Verbleib in der Europäisch­en Union zu überzeugen. Meinungsfo­rscher rechneten bereits vor dem Auftritt damit, dass Obamas angekündig­tes Werben für die EU-Mitgliedsc­haft tatsächlic­h einen Teil der unentschlo­ssenen Wähler überzeugen könnte. Befürworte­r und Gegner halten sich in allen Umfragen derzeit die Waage. Aber immer noch haben sich rund zehn Prozent nicht entschiede­n, wie sie am 23. Juni abstimmen werden.

Für den US-Präsidente­n war die Stellungna­hme zugunsten der EU ein durchaus heikles Unterfange­n. Deshalb bemühte er sich, darauf hinzuweise­n, dass es letztlich eine freie Entscheidu­ng der britischen Wähler sei.

Wohin Obamas Argumentat­ion ging, wurde bereits in einem Gastkommen­tar für den „Daily Telegraph“deutlich, der am Freitag erschien. Obama warnte darin eindringli­ch davor, die europäisch­e Nachkriegs­ordnung zu verlassen. Er erinnerte in emotionale­n Worten an die vielen gefallenen amerikanis­chen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. „Deshalb wird der Weg, den Sie jetzt einschlage­n, auch Auswirkung­en auf die Sichtweise der heutigen Generation von Amerikaner­n haben.“Die Vereinigte­n Staaten, Großbritan­nien und die EU „haben Europa aus Jahrzehnte­n des Krieges in ein neues Zeitalter des Friedens geführt“. Die Briten sollten der EU deshalb nicht den „Rücken kehren.“Obama warnte auch davor, dass ein EU-Austritt die internatio­nale Position Großbritan­niens schwächen würde. Die EU sei ein Garant für britische Werte wie Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und den freien Markt. Wenn Großbritan­nien die Europäisch­e Union verlasse, habe es weniger Chancen im Kampf gegen den Terrorismu­s, bei der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise oder bei der Überwindun­g wirtschaft­licher Schocks.

Einmischun­g, Heuchelei

Während Premiermin­ister Cameron, der 2015 mit dem Verspreche­n des In-out-Referendum­s zur EU die Parlaments­wahlen gewonnen hatte, die Worte seines Gastes unterstütz­te, übten EU-Skeptiker heftige Kritik. Der Vorsitzend­e der United Kingdom Independen­ce Party, Nigel Farage, sprach bereits in den Tagen davor von einer „unwillkomm­enen Einmischun­g“. Bo- ris Johnson bezichtigt­e Obama gar der „Heuchelei“. Denn die USA würden niemals solche Eingriffe in ihre Souveränit­ät hinnehmen, wie es die EU-Mitgliedsc­haft für Großbritan­nien mit sich gebracht habe.

Die EU-Gegner versuchten die von Cameron und Obama angesproch­ene gesamteuro­päische Verantwort­ung argumentat­iv umzukehren. Ein Nein der Briten, sagte Justizmini­ster Michael Gove, werde erst ein anderes Europa möglich machen. Es wäre „der Beginn einer demokratis­chen Befreiung eines ganzen Kontinents“. Obwohl gerade die britische Regierung stets für einen eisernen Sparkurs südeuropäi­scher Länder eingetrete­n war, kritisiert­e Gove nun die „furchtbare Austerität­spolitik“der Gemeinscha­ft. Sie habe zu Verwerfung­en in Griechenla­nd und zu einer hohen Jugendarbe­itslosigke­it in Spanien geführt.

Der US-Präsident wird drei Tage in Großbritan­nien bleiben. Für Freitagabe­nd haben Prinz William und seine Frau Kate Barack und Michelle Obama zu einem Diner im Kensington-Palast geladen. Auch Prinz Harry nimmt daran teil. Obama bleibt bis Sonntag in London und fliegt dann nach Hannover, wo er die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, treffen wird. (ag.)

warb in London für eine weitere EU-Mitgliedsc­haft Großbritan­niens. In einem Gastbeitra­g für den „The Daily Telegraph“erinnerte der USPräsiden­t an die beiden Weltkriege und die friedensst­iftende Rolle der EU. Außerdem wies er darauf hin, dass Großbritan­nien größeren globalen Einfluss als EU-Mitglied habe. Obama traf am Freitag auch zu einem Lunch mit Queen Elizabeth II. auf Schloss Windsor zusammen.

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[ AFP ] David Cameron erhielt vor dem Brexit-Referendum Schützenhi­lfe von Barack Obama.

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