Die Presse

An der Seite der kurdischen Frauenmili­zen leistete Delal K. gegen den IS in Syrien Widerstand – und wurde so zum Gesicht ausländisc­her Kämpferinn­en im Internet.

- VON ANNA THALHAMMER

Tirol. „Die Leichen der IS-Kämpfer, die haben mir nichts ausgemacht. Die tun mir nicht leid. Aber manche Bilder, die bekommst du nicht aus dem Kopf: Es gibt dort ganze Camps voll mit Waisenkind­ern, die hungern“, sagt Delal K. Aber sie ergänzt gleich: „Ich war im Krieg in Syrien gegen den IS und gedanklich darauf vorbereite­t, was ich sehen werde.“

Die 21-jährige Tirolerin ist erst seit ein paar Tagen zurück in ihrer Heimat Tirol, zurück aus Syrien. Sie ist in das Land gereist, aus dem Millionen fliehen. Delal K. kämpfte nicht für den IS, sondern auf der Gegenseite: für die Kurden. Die kurdischen Milizen dort heißen YPG (Volksverte­idigungsei­nheiten) – man schätzt, dass rund ein Drittel der Kämpfer Frauen sind. Die weiblichen Einheiten nennen sich YPJ. Und so, wie Tausende Europäer für den IS in den Krieg ziehen, schließen sich nun auch vermehrt Menschen den Kurden an – darunter immer häufiger Frauen. Die ausländisc­hen Kämpfer organisier­en sich über Facebook, werben dort für ihre Einheiten – und das Gesicht dieser Frauentrup­pen ist eben Delal K.

Bis vor wenigen Monaten arbeitete sie als Rechtsanwa­ltskanzlei­Assistenti­n. Warum sie dieses Leben aufgab, um in den Krieg zu ziehen? „Ich verfolge das Geschehen im Nahen Osten schon lange, war immer auf Demonstrat­ionen, aber irgendwann war mir das zu wenig“, sagt sie. „Ich wollte meinen Leuten helfen. Ich will, dass die Kurden frei und autonom sind – und ich will, dass nicht mehr so viele Menschen flüchten müssen.“Obwohl ihre Eltern alles versuchten, sie davon ab- zuhalten, in den Krieg zu ziehen, kündigte sie ihren Job und flog nach Sulaymaniy­ah, Irak. Von dort wurde sie abgeholt, über die kurdischen Gebiete nach Syrien geschleust und dort für mehrere Wochen in ein Trainingsc­amp gesteckt. „Am Anfang ist es hart. Es ist wie beim Militär. Eiserne Disziplin, viel Sport und Handys sind verboten.“Dazwischen hätte sie mit den Frauen aber Spaß gehabt. „Wir haben uns die Haare gemacht, getanzt. Aber kaum hast du Menschen lieb gewonnen, werden sie in Einheiten irgendwo im Land abgezogen.“

Heldentat oder Verbrechen

Österreich­er habe sie in ihrem Trainingsl­ager keine getroffen. Wo sie genau stationier­t war, möchte sie nicht sagen – nur, dass es in den Kurdengebi­eten im Norden Syriens an der türkischen Grenze war. Auch die Frage, welche Aufgaben sie nach der Ausbildung übernommen hat, beantworte­t sie zurückhalt­end mit: „Zuerst machst du eben Frühstück, hilfst, dann bekommst du andere Aufgaben. Ich habe meinen Leuten geholfen, wo ich gebraucht wurde.“Insgesamt vier Monate verbrachte sie bei den Truppen der YPG. Dass die Tirolerin mit Schilderun­gen zu kriegerisc­hen Handlungen vage bleibt, hat einen Grund: „In Österreich ist es verboten, für die Armee eines anderen Landes zu kämpfen. Seit einer Gesetzesän­derung vergangene­s Jahr gilt das auch für paramilitä­rische Einheiten“, heißt es aus dem Innenminis­terium.

Das kann auch den Verlust der Staatsbürg­erschaft bedeuten – das sei allerdings nur anwendbar, wenn eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft vorhanden sei. Ob dazu Straftaten nach dem Terrorpara­grafen vorliegen, müsse im Einzelfall geprüft werden. Generell gebe es in Österreich keine verbotenen Organisati­onen. Derzeit gibt es hierzuland­e rund 270 Rückkehrer aus dem Kriegsgebi­et Syrien. Diese hätten sich unterschie­dlichsten Truppen angeschlos­sen, nicht nur dem IS, heißt es. Der Verfassung­sschutz beobachte darum alle diese Personen.

Der Grat zwischen Freiheitsk­ampf und Verbrechen ist hier ein schmaler. Offiziell unterstütz­en Europa und die USA die Kurden im Kampf gegen den IS. Anderersei­ts ist es verboten, für diese Truppen als Ausländer zu kämpfen. Dazu gab es mehrmals massive Kritik von Human Rights Watch an den YPG, weil Kindersold­aten zum Einsatz gekommen sein sollen. „Es stimmt, es kommen immer wieder Junge, aber die kämpfen nicht an der Front, bis sie 18 sind“, sagt Delal. Zur Unterstütz­ung Europas sagt sie: „Das stimmt nur halb. Es werden vor allem die Peshmerga im Irak unterstütz­t.“In Syrien wären Luftangrif­fe geflogen worden, aber es mangle massiv an Waffen. Alles andere sei machbar: „Es gab eigentlich genug Soldaten, genug zu essen. Vor allem Reis und Tee. Wenn es eine Dose Cola gab, dann war das ein richtiges Highlight, dann sind alle herumgehüp­ft und haben sich gefreut“, erzählt sie.

Wiederaufb­au hat begonnen

In Kobane, einer Stadt, die zurückerob­ert wurde, hätten wieder erste Bäckereien aufgesperr­t, es gebe Kindergärt­en. „Alle versuchen, das Land wieder aufzubauen, vielleicht wird es doch irgendwann Frieden geben“, sagt sie.

Sie wolle auch weiterhin helfen, den Kurden ein besseres Leben zu ermögliche­n, sagt sie. Ihre Rückkehr nach Tirol sei nur ein Zwischenst­opp, um sich zu erholen. Schon im Herbst möchte sie in den Irak, dort aber nicht mehr in den Krieg, sondern mit Waisenkind­ern arbeiten. Vor allem die Mädchen liegen ihr am Herzen: „Die Freiheit der Frau ist mir wichtiger als die Freiheit der Heimat.“

 ?? [ privat ] ?? Die Rechtsanwa­ltsassiste­ntin als Kämpferin: Die Tirolerin Delal K. zog in den Kampf gegen die Truppen des IS in Syrien.
[ privat ] Die Rechtsanwa­ltsassiste­ntin als Kämpferin: Die Tirolerin Delal K. zog in den Kampf gegen die Truppen des IS in Syrien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria