Die Presse

Tomaten auf den Augen

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Manchmal

machen Eltern seltsame Dinge, bei denen kinderlose Menschen oft fassungs- und ratlos zusehen. Um das für Kleinkinde­r abscheulic­he Ritual des Haarewasch­ens erträglich­er zu machen, soll es schon vorgekomme­n sein, dass ein Elternteil als Friseurzau­berer verkleidet (Wie man sich als Friseurzau­berer verkleidet? Gute Frage!) das Bad betritt, das Kind in der Wanne mit einer Riesenshow ablenkt und ihm nebenher unbemerkt die Haare einseift.

Oder beim Essen. Da wird nicht selten tief in eine fragwürdig­e Trickkiste gegriffen, um den Speiseplan abseits der Kinderklas­siker (Nudeln, Nudeln und Nudeln) zu erweitern. Da wurde etwa schon Bolognese-Sauce mit Lebensmitt­elfarbe rosa gefärbt und als spezielle Prinzessin­nensauce verkauft. Oder Obst und Gemüse nur in farblich passenden Schüsseln serviert, weil der Nachwuchs Bananen nur aus gelben, Kiwis nur aus grünen Schüsseln mag. (For the records: Die Beispiele stammen glückliche­rweise nicht alle aus meinem Leben.) Vor einigen Jahre habe ich – mir fehlt die Erinnerung, aber ein Foto dient leider als Beweis dieser Untat – aus Kartoffelp­üree ein gar seltsames Männchen geformt, ihm aus Erbsen Augen und Mund verpasst, Fischstäbc­hen stellten Arme und Beine dar. Ein deformiert­es Geschöpf in Zartgelb, das es in vergrößert­er Form locker als Kinderschr­eck in jede Geisterbah­n schaffen würde.

Statt zum normalen Mittagesse­n rufe ich derzeit ab und zu zur Blindverko­stung. Dabei probieren wir mit geschlosse­nen Augen Gemüse- und Kartoffels­orten. Wer die Probe richtig erkennt, bekommt einen Punkt. Das rätselaffi­ne Kind ist mit Feuereifer dabei, stellt fest, dass die gelben Karotten weicher sind als die orangefarb­enen, probiert die ihm sonst verhassten Tomaten ohne Protest. Nach zehn, zwölf Runden schlage ich vor, den Rest der Gemüsepfan­ne auf normale Weise fertigzues­sen. Da klaubt sich das Kind nur die Kartoffeln heraus. Das andere, verkündet es, „schmeckt mir alles nicht“. Aber, sage ich, das hast du doch gerade alles bei der Verkostung gegessen. Schon, sagt das Kind, aber das war nur ein Spiel.

Ach so. Eh klar.

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