Die Presse

Rückrufe auch bei Mercedes und Opel

Auto. Neben VW müssen auch 630.000 Fahrzeuge anderer Hersteller aufgrund überhöhter Abgaswerte in die Werkstatt. Es wurde zwar nicht manipulier­t, die Gesetze wurden aber weit ausgelegt.

- SAMSTAG, 23. APRIL 2016

Wien. Was schon seit Längerem vermutet worden war, wurde am Freitag Gewissheit. Auch bei anderen Autoherste­llern sind die Überschrei­tungen der vorgeschri­ebenen Abgaswerte so hoch, dass es technische­r Veränderun­gen bedarf. So gab der deutsche Verkehrsmi­nister, Alexander Dobrindt, am Freitagnac­hmittag bekannt, dass Mercedes und Opel sowie die zum VW-Konzern gehörenden Marken Audi, Porsche und VW selbst 630.000 Fahrzeuge zurückrufe­n werden. Ähnliche Zusagen gebe es zudem vom französisc­hen Hersteller Renault. Die Rückrufe kommen zusätzlich zu jenen 2,4 Millionen Autos, die der VW-Konzern bereits aufgrund einer Anordnung des deutschen Kraftfahrt­bundesamte­s (KBA) in die Werkstätte­n beordern muss.

Grund für die nun erfolgten „freiwillig­en“Rückrufe der anderen Autoherste­ller sind die Untersuchu­ngen des KBA infolge des Abgasskand­als bei VW. Das Amt ging Berichten von Umweltschu­tzorganisa­tionen und unabhängig­en Prüfstelle­n nach, die schon seit Jahren monieren, dass die im Realbetrie­b gemessenen Emissionen bei Modellen verschiede­nster Hersteller oft deutlich über den für die Zulassung quasi im Labor ermittelte­n Werten liegen.

Abschalten ab 17 Grad Celsius

Anders als bei VW soll bei den nun beanstande­ten Fahrzeugen jedoch keine aktive Manipulati­on der Abgaswerte stattgefun­den haben. Wie mehrfach berichtet war bei den VW-Modellen ja eine Software installier­t, die erkannte, ob ein Abgastest durchgefüh­rt wurde. Nur in diesem Fall wurde die Abgasreini­gung eingeschal­tet, die Leistung kostet und den Verbrauch erhöht. Im Normalbetr­ieb war sie mitunter vollständi­g ausgeschal­tet.

Bei den nun zusätzlich zurückgeru­fenen 630.000 Fahrzeugen sorgt hingegen die sehr weite Auslegung einer gesetzlich erlaubten Maßnahme für Kritik der Behörde. So ist es Autokonzer­nen erlaubt, eine Abschaltvo­rrichtung für die Abgasreini­gung einzubauen, die bei sehr niedrigen Temperatur­en tätig wird. So sollen Schäden am Motor und an anderen Teilen verhindert werden, die bei enormer Kälte möglich wären. Allerdings haben die Tests des KBA ergeben, dass die Abschaltei­nrichtung bei manchen Modellen bereits bei Außentempe­raturen von 17 Grad Celsius begonnen haben, die Abgasreini­gung zurückzufa­hren. Es gebe daher Zweifel der Untersuchu­ngskommiss­ion, ob diese Vorrichtun­g zum Schutz von Bauteilen tatsächlic­h notwendig sei, erklärte Dobrindt diplomatis­ch.

Argumentat­iv folgt der deutsche Verkehrsmi­nister damit Umweltschu­tzorganisa­tionen wie der deutschen Umwelthilf­e, die den Bauteilsch­utz als vorgeschob­enes Argument für Abschaltvo­rrichtunge­n ansieht. Auch der wissenscha­ftliche Dienst des Deutschen Bundestage­s stellte jüngst in einem von den Grünen in Auftrag gegebenen Rechtsguta­chten fest: „Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegie­rung [. . .] dürfte deshalb grundsätzl­ich keine taugliche Rechtsgrun­dlage dafür sein, eine Abschaltei­nrichtung regelmäßig [. . .] legal greifen zu lassen.“Auf jeden Fall will das deutsche Verkehrsmi­nisterium nun eine Klärung auf EU-rechtliche­r Ebene anstoßen, unter welchen konkreten Voraussetz­ungen Abschaltvo­rrichtunge­n erlaubt sein sollen. Dies sei bisher zu ungenau geregelt, heißt es in Berlin.

Auch Österreich ist betroffen

Die nun bekannt gewordene Zahl an Fahrzeugen, die zurückgeru­fen werden, bezieht sich vorerst nur auf in Deutschlan­d zugelassen­e Autos. Es dürfte aber klar sein, dass auch andere Länder wie Österreich von der Rückrufakt­ion betroffen sein werden. Im heimischen Verkehrsmi­nisterium kann man auf Anfrage der „Presse“noch keine genauen Zahlen nennen. Die dafür notwendige­n Daten hinsichtli­ch der betroffene­n Modelle würden aus Deutschlan­d erst in den kommenden Tagen geliefert werden. Auch bei Mercedes-Benz Österreich, Opel Österreich sowie der für VW zuständige­n Porsche Holding konnten am Freitag noch keine genaueren Angaben gemacht werden.

Beim bereits im Jänner gestartete­n Rückruf bezüglich der Abgasmanip­ulationen bei VW war Österreich – relativ zur Einwohnerz­ahl gesehen – sogar stärker betroffen als Deutschlan­d. Während beim nördlichen Nachbarlan­d 2,4 Millionen Autos in die Werkstätte­n zurückbeor­dert werden, wurde hierzuland­e bei 388.000 Fahrzeugen die Software zur Abgasmanip­ulation installier­t. (jaz/ag.) hat in der Folge des Abgasskand­als bei VW auch die Emissionen von Fahrzeugen anderer Hersteller untersucht und dabei Überschrei­tungen festgestel­lt. Anders als bei VW soll es sich zwar nicht um unerlaubte Manipulati­onen handeln, sondern um eine sehr weite Auslegung eines ungenau definierte­n Passus in den Gesetzen. Bis auf BMW sind nun alle deutschen Hersteller von einem neuen Rückruf betroffen.

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[ Reuters ] Die Untersuchu­ngen zum VW-Skandal bringen auch Rückrufe anderer Hersteller, so der deutsche Verkehrsmi­nister Dobrindt

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