Die Presse

Der Habsburger mit seiner nicht entschlüss­elten Signatur AEIOU beschäftig­t mit seinem monumental­en Sarkophag im Apostelcho­r noch heute die Wissenscha­ftler.

- VON ERICH WITZMANN

Der Kaiser hatte zwar 30 Jahre vor seinem Ableben die Errichtung seines Grabmals bestellt, die Fertigstel­lung erlebte er aber nicht. Erst 20 Jahre nach seinem Tod wurde der Leichnam Friedrichs III. am 12. November 1513 im Wiener Stephansdo­m in der für ihn gefertigte­n Tumba, dem steinernen Hochgrab, bestattet.

Seit fünf Jahrhunder­ten wird das Friedrich-Grab im Apostelcho­r des Doms, das als das größte Kaisergrab­mal nördlich der Alpen gilt, aufgesucht, es fanden Zeremonien statt, Gelehrte ihrer Zeit interpreti­erten die Gestaltung und die Reliefs. Dennoch ist auch heute die Wissenscha­ft gefordert – „das Grabmal gibt uns noch manche Rätsel auf“, wie Renate Kohn vom Institut für Mittelalte­rforschung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften sagt.

Eines ist geklärt: Der Habsburger­kaiser befindet sich tatsächlic­h in der Tumba. 1969 wurde an der Rückwand ein kleines Loch hinter einem abgenommen­en Relief gebohrt und ein Spiegel sowie eine medizinisc­he Leuchte ins Innere geführt, mit deren Hilfe das golddurchw­irkte Leichentuc­h gesehen werden konnte. 2013 wurde im Vorfeld eines großen Kongresses die Nachschau noch einmal durchgefüh­rt. Im November 2013 – also zum 500. Jahrestag der Grablegung – widmeten sich 17 Wissenscha­ftler den noch unbekannte­n Facetten des spätgotisc­hen Grabmals. Die Organisato­rin der damaligen Tagung, die Historiker­in Renate Kohn, wird nun als Hauptveran­twortliche die Tagungsber­ichte und Erkenntnis­se des Kongresses in einem rund 400 Druckseite­n umfassende­n Band herausbrin­gen.

Auftrag bereits mit 48 Jahren

Friedrich III. selbst beschäftig­t noch heute die Historiker, etwa die Entschlüss­elung seiner von ihm 1437 erstmals verwendete­n Signatur (seinem Wahlspruch?) AEIOU. Die Gestaltung seines Grabes gab er 1463 als 48-Jähriger in Auftrag, was durchaus dem üblichen Ritus eines Fürsten seiner Zeit entsprach. Er berief Niclas Gerhaert van Leyden, einen der damals bekanntest­en Künstler, von Straßburg nach Wien. Aber ob das aus Adne- ter Marmor errichtete Grabmal für Wien oder seine damals bevorzugte Residenzst­adt Wiener Neustadt bestimmt war, ist bis heute umstritten. Van Leyden schuf selbst den Gesamtentw­urf und die steinerne Grabplatte (Tumbadecke­l) mit der Darstellun­g Friedrichs im vollen Königsorna­t, die als eines der Hauptwerke des Künstlers gilt. Der Mann aus Straßburg starb jedoch 1473 in Wiener Neustadt, Max Valmet und Michael Tichter – und vielleicht auch noch andere – vollendete­n das Werk.

Die Grabplatte selbst ist kunsthisto­risch erforscht, bei manchen anderen Details des FriedrichG­rabs ergeben sich noch offene Fragen. So wird immer wieder die Frage gestellt, wieso die Stiftungsr­eliefs, die rund um die Tumba an- gebracht sind, zwar die Bistümer Wiener Neustadt und Laibach zeigen, aber nicht das Wiener Bistum.

Dabei verdanken alle drei Diözesen ihre Gründung der Initiative Friedrichs. Gerade Wien wollten (freilich vergebens) schon die Babenberge­r um 1200 aus der

Friedrich III., 1415–1493, gelang die Wiedervere­inigung der Linien seines Hauses. Wegen Erhebungen in seinem Herrschaft­sgebiet verlegte er die Residenz nach Wiener Neustadt. 1452 wurde er als letzter deutscher Kaiser direkt in Rom vom Papst gekrönt. Mit dem Ehevertrag seines Sohnes Maximilian mit Maria von Burgund legte er den Grundstein für den Aufstieg der Habsburger. Oberhoheit des Bistums Passau herauslöse­n.

„Bei diesen Reliefs geht es nicht um gestiftete Institutio­nen, sondern um Mönchsgeme­inschaften“, sagt Renate Kohn. Weil eben die Mönche nach dem Ableben für die Seele des Verstorben­en beten sollten. In Wiener Neustadt waren weltliche Chorherren Mitglieder des Domkapitel­s, in Laibach die Benediktin­er. Auch in Wien waren die Chorherren präsent, weil diese aber bereits erwähnt waren, scheint St. Stephan nicht in den Stiftungsp­latten auf. „Friedrich gab wie in vielem eben Wiener Neustadt den Vorzug“, so Kohn. Wer übrigens die Stiftungsp­latte angefertig­t hat, ist heute (noch) nicht bekannt.

Winzige Tierdarste­llungen

Ebenfalls erst jetzt erforscht: die Wappenreih­e auf der Deckplatte, insgesamt an die 40 Wappenschi­lde vom Reichsadle­r über den Bindenschi­ld bis zum steirische­n Panther, die alle mit Friedrich zu tun haben. Renate Kohn: „Es gab falsche Zuordnunge­n der Wappen, bei anderen ist die Zuordnung noch immer nicht möglich.“Auch die Bedeutung der mehr als hundert winzigen Tierdarste­llungen an den Seiten ist noch nicht geklärt. Hier wären Vergleiche mit zeitgenöss­ischen Handschrif­ten zur Tiersymbol­ik notwendig. Die kunsthisto­risch-stilistisc­he Bewertung der Tumbaseite­n wird derzeit in einem von Kunsthisto­riker Michael Viktor Schwarz von der Uni Wien geleiteten Forschungs­projekt vorgenomme­n.

Imposant wirkt das FriedrichG­rab durch die Steinbrüst­ung, die für ein solches Hochgrab einzigarti­g ist. Aber auch weil die Grabanlage nicht direkt zugänglich ist, wirkt sie für Besucher des Stephansdo­ms mystisch und zählt zu den geheimnisv­ollen Stellen des Doms.

 ?? [ Reiffenste­in, Bruno/ÖNB-Bildarchiv/picturedes­k.com] ?? Im Apostelcho­r des Stephandom­s: das Kaisergrab.
[ Reiffenste­in, Bruno/ÖNB-Bildarchiv/picturedes­k.com] Im Apostelcho­r des Stephandom­s: das Kaisergrab.

Newspapers in German

Newspapers from Austria