Die Presse

Altes Wissen von den Ameisen lernen

Forscher der TU Wien untersuche­n Pilze, die für Blattschne­iderameise­n schädlich sind: So erfahren sie Nützliches für unsere Landwirtsc­haft, etwa, wie der Pilz Trichoderm­a als biologisch­er Schimmelki­ller wirkt.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Was gut für den Menschen ist, kann schlecht für die Tiere sein – und umgekehrt. Diesem Ansatz folgen Mikrobiolo­gen vom Institut für Verfahrens­technik, Umwelttech­nik und Technische Biowissens­chaften der TU Wien. Sie untersuche­n Pilze, die in Ameisenkol­onien schädlich sind, um Pilze besser zu verstehen, die für unsere Landwirtsc­haft nützlich sind. „Ameisen betreiben schon seit über 50 Millionen Jahren Landwirtsc­haft, wir Menschen seit kaum 12.000 Jahren“, sagt Forschungs­gruppenlei­terin Irina Druzhinina.

Sie nutzt gern die Erfahrung, die Ameisen bei der Bekämpfung von Schädlinge­n in ihrer Landwirtsc­haft haben, um einen Nutzen für unsere Ernte auf den Feldern zu sehen. Blattschne­iderameise­n bringen kleine Stücke von Pflanzenma­terial in ihre Nester, wo sie Pilzkoloni­en damit füttern. Die Pilze verdauen die Pflanzen, die Ameisen fressen die Pilze. Sie sind also Schwammerl­fresser, die viel Wert darauf legen, dass es den Pilzen gut geht. „Es gibt einen evolutionä­r sehr alten Pilz, Escovopsis weberi, der als Parasit in solchen Ameisenpil­zgärten lebt“, erzählt Druzhinina. Sie will wissen: Wie schafft es der parasitisc­he Pilz, sich von den Ameisenzuc­htpilzen zu ernähren, ohne sich selbst zu schaden?

Pilze verdauen Pilze

„Pilze haben ja keine Krallen und Zähne, sie scheiden giftige Chemikalie­n aus, die das Pilzmateri­al zersetzen, das sie dann verdauen. Aber wie gelingt es den parasitisc­hen Pilzen, dass diese Chemikalie­n nicht ihnen selbst schaden?“

Der Mechanismu­s ist wichtig, wenn man wissen will, wie ein anderer Pilz, Trichoderm­a, auf unseren Feldern nützlich wirkt. Dieser wird vielfach zur biologisch­en Kontrolle von schädliche­m Schimmel und Pilzen bei Getreide und anderen Nutzpflanz­en eingesetzt. Der Pilz wirkt zum Beispiel gegen Fusarium, einen sehr häufigen Schimmelpi­lz. „Fusarium tötet die Pflanze zwar nicht, aber seine Gifte verringern die Qualität der Getrei- deernte“, sagt Druzhinina. Auch in Österreich wird die Belastung durch giftige Mykotoxine, die von Fusarium stammen können, streng kontrollie­rt.

Welche Mechanisme­n erlauben den guten Trichoderm­a- Pilzen, die bösen Fusarium- Pilze anzugreife­n und sich selbst dabei nicht zu schaden? Das ist eine der Fragen, die das Team der TU Wien im Vergleich mit Pilzen herausfind­en will, die in den Pilzgärten der Ameisen Schaden anrichten.

Das Projekt wird von US-Forschern in Atlanta geleitet. „Hier in Wien haben wir keine Blattschne­iderameise­n im Labor, sondern wir züchten nur die Pilze“, erklärt Druzhinina. Sie selbst fährt circa einmal pro Jahr auf Exkursion, um frisches Biomateria­l zu sammeln. „Doch oft sind meine Kollegen effiziente­r beim Sammeln von Ameisen und Pilzen“, schmunzelt sie.

Das Ziel ist, den Einsatz von chemischen Pilzschutz­mitteln zu reduzieren und die Langzeitef­fekte des biologisch­en Pilzschutz­es abzuschätz­en. „Einerseits wollen wir die Pestizide auf den Feldern durch Mikroorgan­ismen ersetzen, die effizient gegen Pflanzenkr­ankheiten schützen. Anderersei­ts wollen wir das Ökosystem nicht durcheinan-

sind giftige Stoffwechs­elprodukte von Schimmelpi­lzen, die sich auf Pflanzen oder Lebensmitt­eln ausbreiten. Über 300 Mykotoxine sind bekannt, viele aber noch unentdeckt.

ist ein Schimmelpi­lz, der auch in Österreich Getreide und Mais befällt. Dadurch wird die Ernte mit Mykotoxine­n verunreini­gt. Trichoderm­apilze können sich von Fusariumpi­lzen ernähren und so den Schädlings­befall einschränk­en. derbringen, wenn wir fremde Mikroorgan­ismen einsetzen“, sagt Druzhinina. „Wir wollen kein Desaster wie damals verursache­n, als man in Australien Hasen und Ziegen zur Schädlings­bekämpfung ausgesetzt hat, die später selbst zur Plage wurden.“Ihr Team untersucht also, wie sicher es ist, einen pilzfresse­nden Pilz auf Getreidefe­ldern auszusetze­n.

„Welche nützlichen Wechselwir­kungen zwischen Pflanze und Mikroorgan­ismen werden beeinfluss­t? In der Bevölkerun­g ist die Unterstütz­ung für Biolandwir­tschaft sehr hoch, doch auch biologisch­e Kontrolle kann aggressiv sein.“Deswegen ist ein System wie das der Ameisen, das seit Zigmillion­en Jahren existiert, ein guter Vergleich für Langzeitef­fekte.

Und ganz nebenbei kann das Team im Studium der Pilzzellen auch nach neuen Genen suchen, die man in der industriel­len Mikrobiolo­ge einsetzen kann. Druzhinina­s Gruppe ist darauf spezialisi­ert, Hefepilze, Bakterien und andere Mikroben zu „Zellfabrik­en“zu machen.

Zellfabrik­en optimieren

Die Mikroorgan­ismen produziere­n Enzyme für die Industrie, also etwa zelluloses­paltende Enzyme, die bei der Herstellun­g von Biotreibst­off oder von Chemikalie­n aus Pflanzenma­terial wichtig sind. Jede dieser Zellen kann stets weiter optimiert werden, um noch mehr und schneller das richtige Gemisch an Enzymen zu produziere­n. „Deswegen suchen wir nach Genen und Mechanisme­n, die einem Mikroorgan­ismus helfen, das gewünschte Enzym rasch zu bilden.“Diese Projekte der „angewandte­n Mikrobiolo­gie“laufen in enger Kooperatio­n mit Industriep­artnern.

 ?? [ Reuters ] ?? Das Blatt der Blattschne­iderameise dient Pilzen als Nahrung, von denen sich die Ameisen ernähren. Diese Art der Landwirtsc­haft existiert seit 50 Millionen Jahren.
[ Reuters ] Das Blatt der Blattschne­iderameise dient Pilzen als Nahrung, von denen sich die Ameisen ernähren. Diese Art der Landwirtsc­haft existiert seit 50 Millionen Jahren.

Newspapers in German

Newspapers from Austria