Ein geheimes Schlüsselwerk
Dabei handelt es sich bei „Stark wie ein Nagel“zweifellos um ein großes, geheimes Schlüsselwerk der österreichischen Literatur. Wo der routinierte Romancier üblicherweise seine Szenen mit Einzelheiten vollpflastert, findet Widner genau das eine Detail, um literarische Assoziationsräume aufzureißen. So lassen sich die ersten 40 Seiten als historischer Roman über das Ende des Habsburgerreiches und die verworrene Zwischenkriegszeit lesen, der nächste Abschnitt als Schilderung einer von Aufstiegskämpfen geprägten Nachkriegszeit, und das Ende wird zur Mentalitätsgeschichte des Kleinbürgertums, hinter dessen christlicher Ikonografie nur mehr ideologische Bedeutung, kein religiösen Kern mehr steckt. Die Frau sagt mit Bezug auf ihre unglückliche Passion: „Ich bin stark wie ein Nagel“, und der Mann rechtfertigt seine brutalen Misshandlungen durch das Bibelwort „Die Frau ist dem Mann untertan“.
Der Musiker erinnert an die existenzielle Verweigerung von Melvilles Bartleby mit seinem „Ich möchte lieber nicht“. Nur wählt sich Widners Bartleby eine Frau als Opfer, als Publikum, dessen Gegenwart ihn gerade hindert, sich von seiner eigenen fatalen Rolle zu lösen. Wenn Kafka vom Schreiben als einem Beil spricht, mit dem man das Eis in sich aufhackt, so ist Widners Band ein Faustkeil, mit dem sich die Fassade dimensionsloser Erzählprosa zerschlagen lässt. Ein außerordentliches, ein zeitloses Buch für furchtlose Leser.
Alexander Widner Stark wie ein Nagel Roman. 120 S., brosch., € 13,50 (Wieser Verlag, Klagenfurt)
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