Die Presse

Bikerparad­ies Timmelsjoc­h

Österreich/Italien. Neben dem Passmuseum lockt an der Grenze zu Italien auf dem 2509 Meter hohen Timmelsjoc­h seit einer Woche auch das höchstgele­gene Motorradmu­seum Europas.

- VON DAGMAR GEHM

Hochgurgl. Großes Kino! 400 Ehrengäste halten den Atem an. Zum Greifen nah dreht sich ein Alpha Jet von, no na, Red Bull um die eigene Achse, jagt anscheinen­d haarscharf auch an den umliegende­n Berggipfel­n vorbei. Minuten später beginnt der Top Mountain Cross Point in Hochgurgl noch einmal zu vibrieren, als ein Corso von chromblink­enden Bikes durch die Mautstelle am Timmelsjoc­h donnert.

Den Zwillingen Alban und Attila Scheiber (49), Gründer und Besitzer des höchstgele­genen Motorradmu­seums Europas, wollen Flieger, Biker, Oldtimer-Fahrer und viel Politpromi­nenz zur Eröffnung ihre Reverenz erweisen. Ihnen und einer wohl einmaligen Versammlun­g von Zeitzeugen einer vergangene­n Epoche, Legenden des Motorsport­s allesamt.

Der Ex-Motocross-Champion Heinz Kinigadner aus Tirol vertritt eine aufregende Variante des Motorsport­s, Skirennläu­fer Fritz Dopfer zeigt einen weiteren Weg auf, den der Cross Point kreuzt. Die italienisc­he Motorradle­gende Giacomo Agostini, mit 15 Weltmeiste­rtiteln der bis dato erfolgreic­hste Rekordhalt­er, dreht mit seiner MV Agusta noch einmal voll auf in der Museumshal­le. „Giacomo gehört zu den wenigen Leuten, die ich wirklich verehre“, bekennt Gerry Friedle alias DJ Ötzi. „Deshalb mag ich mich nicht auf die gleiche hohe Stufe stellen wie er.“Trotz des Prestigeob­jekts geerdet bleiben auch die Zwillinge. „Wir sind moderne Straßenräu­ber“, scherzen sie unisono. Schließlic­h erfüllt der im November 2015 eröffnete Top Mountain Cross Point, vom Tiroler Architekte­n Michael Brötz einer Schneewech­te nachempfun­den, mit einem Investitio­nsvolumen von ca. 23 Millionen Euro vier verschiede­ne Funktionen: als Mautstelle am Fuße der Timmelsjoc­hHochalpen­straße auf 2175 Metern Höhe, als Bedienungs­restaurant, ebenfalls bestückt mit alten Motorräder­n, als Talstation der neuen, modernen Zehner-Gondelbahn zum Kirchenkar auf 2629 m, mit der sich für Skiläufer der fünfte Einstiegsp­unkt ins Skigebiet Hochgurgl-Obergurgl eröffnet.

Ab 15. April gingen die Brüder nun mit dem liebevoll bestückten Motorradmu­seum mit insgesamt 202 Exponaten aus über 100 Jahren auf einer Ausstellun­gsfläche von insgesamt 3000 Quadratmet­ern an den Start – mit Highlights wie einer Brough Superior von 1939, einer Laurin & Klement von 1905, einer Zweizylind­er-Indian des Jahres 1912 oder der MV Agusta, Leihgabe von Giacomo Agostini. „Ein Traum ist in Erfüllung gegangen“, sagt Attila nach der Segnung des Muse-

Zehn Euro pro Person, Ermäßigung für Gruppen und Inhaber der Ötztal Card bzw. Ötztal Premium Card. Geöffnet: tgl. 9–19 Uhr, bis Saisonende, dann wieder mit Eröffnung des Timmelsjoc­hs, voraussich­tlich im Mai. www.obergurgl.com/top-mountaincr­osspoint ums durch den Gurgler Pfarrer Johannes Binder. „In seine Verwirklic­hung haben wir insgesamt fünf Jahre gesteckt.“Schon im zarten Alter von sechs Jahren haben die beiden vom Vater ihre ersten Motorräder geschenkt bekommen. Seitdem fließt Benzin durch ihre Adern. Die Sammelleid­enschaft begann mit dem Aufkauf einer Privatkoll­ektion in Rüdesheim. „Seitdem nutzen wir alle Kanäle, um alte Motorräder aufzuspüre­n. Da aber mehr Autos über das Timmelsjoc­h fahren als Motorräder, haben wir auch Oldtimer ausgestell­t.“Im Untergesch­oß befinden sich Gespanne, später sollen Kutschen dazukommen. Wechselnde Sonderauss­tellungen zeigen alte Pistengerä­te oder aktuell die 90 Jahre alte Geschichte von BMW Motorrad. Rennfahrer Giacomo Agostini zeigt sich beeindruck­t: „Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass nach dem Spatenstic­h im September 2014 so etwas Großartige­s entstehen konnte.“

Natürlich ist er selbst schon mehrmals über den Timmel geheizt. Eine der schönsten Panoramast­raßen Tirols windet sich mit rund 60 Serpentine­n bis zum 2474 Meter hoch gelegenen Timmelsjoc­h.

Gern lassen sich die Biker auf der 35 Kilometer langen Route durch fünf begehbare Skulpturen des Südtiroler Architekte­n Werner Tscholl ausbremsen. Und neuerdings auch durch Europas höchstgele­genes Motorradmu­seum.

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[ Gehm] Die Museumsgrü­nder und Zwillinge Alban und Attila Scheiber beim Burn-out.

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