Die Presse

Lehrstart: Das schaffe ich doch mit links

Checkliste. Eben noch Schüler, plötzlich Lehrling. Nicht alle fühlen sich in ihrer neuen Welt von Anfang an wohl. Eines fällt bei den Guten auf: Sie wurden schnell erwachsen. Und das ist gar nicht so schlimm.

- VON ANDREA LEHKY

Lisa-Marie Kaiser (heute 23) hatte schon zwei Jahre Friseurleh­re hinter sich, als sie absprang. Sie hatte sich diesen Beruf nicht ausgesucht, nun hielt sie ihn nicht länger aus.

Wolfgang Lödl (heute 20) hatte genug von seiner Ausbildung als Kindergart­enpädagoge. Mit 18 Jahren schmiss er die Schule und jobbte ein wenig hier, ein wenig da: „Ich dachte, wenn ich mich ins Arbeitsleb­en stürze, bin ich sofort drinnen. Dabei habe ich nur die große Zehe hineingest­eckt.“

Schwierige Zeiten kennt auch Oliver Constantin Schoppmann (heute 27), obwohl er seinen Traumberuf von klein an kannte. Ihn zog es nach dem Abitur in Bayern nach Österreich, wo er eine Lehre als Hotel- und Gastgewerb­eassistent absolviert­e: „Trotzdem waren da ein paar Zeitpunkte, die ich durchtauch­en musste. Das will ich nicht verschweig­en.“

Für alle drei gab es ein Happy End. Kaiser und Lödl fanden ihre berufliche Heimat als Multimedia­Fachberate­rlehrlinge bei Saturn. Schoppmann leitet inzwischen die Nachtschic­ht im Sofitel Vienna Stephansdo­m. Im Rückblick erzählen sie, was beim Einstieg in die Lehre alles schiefgehe­n kann – und wie man es richtig anpackt.

ISei du selbst. Die meisten Schulen bieten Bewerbungs­trainings an. Dort lernt man, strukturie­rte Lebensläuf­e zu schreiben und sich selbst so zu präsentier­en, wie es der Recruiter (vermeintli­ch) erwartet.

Was man nicht lernt, ist authentisc­h zu sein. „Ich war unglaublic­h nervös“, erinnert sich Lödl, „alle hatten Einserzeug­nisse, nur ich nicht.“Eingestell­t wurde dennoch er. Weil er seine große Stärke ausspielte: Lödl ist sehr kontaktfre­udig. Dem Recruiter gefiel nicht nur seine Offenheit, der damals 18-Jährige brachte ihn sogar zum Lachen. Was den künftigen Multimedia­fachberate­r zu einer wichtigen Erkenntnis führt: „Du wirst eingestell­t für das, was du bist – nicht für das, was du vorspielst.“

IEntscheid­e dich rasch. Viele Hotels suchen verzweifel­t Nachwuchs, weiß Nachtschic­htleiter Schoppmann: „Sie freuen sich über jeden, der zwei gesunde Hände hat. In ihrer Not selektiere­n nur die wenigsten.“Das räche sich. Den

Ijungen Leuten wäre nicht klar, worauf sie sich einließen. Viele würden bald resigniere­n: „In fünf Jahren habe ich zehn Lehrlinge kommen gesehen. Drei sind gleich wieder gegangen.“

Zugegeben, es gehört eine Portion Glück dazu, mit 14 oder 15 Jahren die richtige Berufswahl zu treffen. Nicht immer sind Eltern und Lehrer, nicht einmal Schulnoten die besten Ratgeber. Zwei bis drei Monate sollen man im Job durchhalte­n und die verwirrend­e Anfangspha­se durchstehe­n, hier sind sich alle drei einig. Wer sich dann noch immer nicht vorstellen kann, den Beruf zumindest mehrere Jahre auszuüben, sollte rasch über Alternativ­en nachdenken. Organisier­e dich. Lehrlinge würden rascher erwachsen als Maturanten, meint Multimedia-Fachberate­rlehrling Kaiser. Sie übernehmen auch schneller Verantwort­ung. Das beginnt beim Aufstehen in der Früh: „Es macht einen Unterschie­d, ob ich mir beim Einschlafe­n sage: , Ich will pünktlich aufstehen‘, oder ob ich wie in der Schule sage: ,Macht eh nichts‘. Ich habe das selbst in der Hand.“

Sie selbst legte sich Rituale zurecht: Am Abend die Kleidung für den nächsten Tag herauslege­n (gebügelt!), morgens so früh aufstehen, dass sich ein Frühstück ausgeht. Und eine Dusche: „In der

IISchule war das noch egal. Aber jetzt fällt es mir auf, wenn jemand streng riecht.“

Lehrer sind Freunde. Als Schüler, erinnert sich Nachtschic­htleiter Schoppmann, sah er Lehrer oft als Feinde an. Zu Unrecht – doch um das zu erkennen, brauchte es Reife: „Sie wollen einem doch nur Wissen vermitteln. Und helfen.“Erst in der Berufsschu­le erkannte er das. Finde Spaß an deinem Beruf. Lernen ist anstrengen­d. Drei Monate brauche es, sagt Lödl, eine Fachabteil­ung halbwegs zu verstehen, ein Jahr, sie im kleinen Finger zu haben. Bis dahin sei es ein weiter Weg. Aber die Erfolgserl­ebnisse werden von Tag zu Tag mehr: „Viele Kunden kommen und wissen nur, dass sie einen Computer wol-

Ilen. Aber sie wissen nicht, was er können soll. Das finde ich für sie heraus“, sagt er und erzählt begeistert von Prozessore­n, Arbeitsspe­ichern und Frequenzbe­reichen. Auch das ist eine Frage der Einstellun­g: Wer Spaß an seinem Job haben will, der findet ihn. Steh zu deinen Fehlern. Missgeschi­cke vertuschen, unter den Teppich kehren, sich tot stellen: Das passt zu Kindern, nicht zu jungen Erwachsene­n. Sie stehen zu ihren Fehlern und Schwächen und haben den Mut, um Hilfe zu bitten.

Wie die künftige Fachberate­rin Kaiser es so schön formuliert: „Du kannst ruhig jung sein und noch ein bisserl dumm. Aber du musst so intelligen­t sein zu wissen, dass es um deine Zukunft geht.“

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