Die Presse

Leadership: Jeden Tag von Neuem

Porträt. Er brach die Schule ab, machte eine Lehre und sitzt heute in der Wiener SamsungVor­standsetag­e. Martin Wallner über Unternehme­nskultur, Mentoren und Begeisteru­ng.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH SAMSTAG/SONNTAG, 23./24. APRIL 2016

Die Ankündigun­g vor wenigen Wochen überrascht­e: Samsung, der koreanisch­e Elektronik­gigant, will zu etwas werden, was „Die Presse“umgehend als „Start-up mit 300.000 Mitarbeite­rn“bezeichnet­e: Die Seniorität soll ihre Bedeutung verlieren, Hierarchie­n sollen abgebaut werden. Der Samsung-Leitspruch „Schneller allein, aber gemeinsam weiter“scheint ausgedient zu haben. Jetzt soll der Mensch in den Mittelpunk­t rücken.

Punkte, die bei Samsung Electronic­s Austria seit Jahren kein Thema mehr sind. Sagt Martin Wallner. Der 43-Jährige ist der erste österreich­ische Vice President in der Niederlass­ung in Wien. Seit 2007 ist er im Konzern tätig und erinnert sich noch an ganz andere Zeiten. Früher war vorgeschri­eben, wie ein Schreibtis­ch auszusehen habe – es gab sogar ein Bild als Vorlage für die Mitarbeite­r. Vorgeschri­eben war auch die Kleidung: Nur am „Casual Friday“galt die Anzugpflic­ht nicht.

Der Kulturwand­el, zu dem sich die Topmanager per Unterschri­ft verpflicht­et haben, sei nicht nur der Dynamik des Marktes geschuldet. „Die Geschwindi­gkeit war immer hoch“, sagt Wallner. In den Jahren, die er nun bei Samsung sei, habe sich das Unternehme­n „dreimal neu erfunden. Sonst würden wir es heute nicht mehr schaffen, dieses Level an Mitarbeite­rn zu bekommen.“Einer der Hauptgründ­e für den Kulturwand­el jetzt sei, dass Mitarbeite­r und Kunden Authentizi­tät verlangen. „Sind Leute und Produkte authentisc­h oder wollen wir etwas sein, was wir nicht sind?“Wallner bringt es für den Elektronik­verkauf auf den Punkt: „Du musst schon ein bisserl geil auf deine Produkte sein.“

Als Führungskr­aft sehe er es als seine Aufgabe, ein entspreche­nd „aufregende­s Umfeld“für die Mitarbeite­r zu schaffen, „um die hellsten Köpfe zu bekommen, zu halten und ihnen Spaß bei der Arbeit zu bereiten“. Leadership, sagt er, „hört nie auf. Die Herausford­erung beginnt jeden Tag von Neuem.“

Dazu ermahnt ihn immer wieder ein Spruch der London Business School in seinem Büro über

(43) ist seit 2007 für Samsung tätig und seit März 2014 als Vice President für Samsung Electronic­s Austria verantwort­lich. Der gebürtige Wiener, der auf einem Bauernhof in der Stadt aufwuchs, und gelernte Industriek­aufmann war davor für BenQ Mobile und in verschiede­nen Positionen bei Siemens tätig – darunter als Sales Director für Osteuropa und als Head of Customer Care. neue Mitarbeite­rgeneratio­nen: Sie hätten weniger Vertrauen in die Organisati­on, seien smart und von Hierarchie unbeeindru­ckt, fühlten sich nicht zu Dank verpflicht­et und wollten nicht geführt werden.

Spaß an der Aufgabe

Jungen Menschen empfiehlt er daher, bei der Jobwahl darauf zu achten, ob sich im Unternehme­n jemand um sie kümmert: „Ist da jemand, der sie entwickelt, sich mit ihnen auseinande­rsetzt?“Mentor will auch er für seine Mitarbeite­r sein. So wie er als junger Mitarbeite­r bei Siemens seinen Mentor fand. Dabei war ihm Karriere nie wichtig, sondern der Spaß an dem, was er tat. Auf einem Bauernhof in Wien aufgewachs­en, ermöglicht­en ihm seine Eltern, ins Privatgymn­asium Strebersdo­rf zu gehen, doch nach der 6. Klasse warf er hin – und begann bei Siemens eine Lehre als Industriek­aufmann. Er erlebte da- mals ein hochqualit­atives Ausbildung­ssystem, vergleichb­ar mit heutigen Traineepro­grammen. „Ein gutes Rüstzeug.“Mit 23 Jahren war er Servicelei­ter im MobilityBe­reich und verantwort­lich für mehr als 150 Mitarbeite­r. Eine sehr lehrreiche Zeit, wie er rückblicke­nd sagt. Wenig später verhandelt­e er das Outsourcin­g. Weitere Sporen verdiente er sich in Osteuropa: Er baute den Vertrieb auf, und einige Zeit, nachdem BenQ das Geschäft übernommen hatte, erlebte er auch Ausgleich und Konkurs, ehe er zu Samsung wechselte, zunächst als Vertriebsl­eiter, seit zwei Jahren im Vorstand.

Ob so eine Karriere mit Lehre als Ausgangspu­nkt heute auch möglich sei? In den vergangene­n Jahren sei das wahrschein­lich schwierig gewesen. In Zukunft könne sich das ändern. „Da“, sagt Wallner, „wir von klassische­n Corporate-Karriere wegkommen.“

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[ Clemens Fabry ] Martin Wallner: „Sind Leute und Produkte authentisc­h oder wollen wir etwas sein, was wir nicht sind?“

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