Albtraum Hauptversammlung
Aufsichtsrat I. Der Vorsitzende des wichtigsten Kontrollorgans hat eine mächtige Funktion. Doch die kann er während der Hauptversammlung oft nicht so recht vermitteln.
SIIo manche Aufsichtsrats-(AR-) Vorsitzende trauert der „guten alten Zeit“nach. Damals musste er die Hauptversammlung „nur“moderieren. Niemand kam auf die Idee, er solle sich auch inhaltlich einbringen.
Heute ist das anders. Heute wird von ihm eine Rolle zwischen Zeremonienmeister, Mediator und Stimmungsmacher erwartet – auf die er oft genug nicht eingestellt ist. Sein Gegenspieler, der Vorstandsvorsitzende, ist da einen großen Schritt weiter. Der lässt sich nämlich von seiner Marketing-Armada oder dem Personal Coach seines Vertrauens beraten und macht in der Hauptversammlung die deutlich bessere Figur.
Beim AR-Vorsitzenden jedoch beobachten Brigitta Schwarzer, seit 2015 Geschäftsführerin der Governance- und Compliance-Plattform Inara, und Vorstandstrainerin Regina Jankowitsch immer wieder böse Hoppalas, die einen wenig gewinnenden oder gar inkompetenten Eindruck hinterlassen:
Der Vorsitzende trifft erst Minuten vor ihrem Beginn auf der Hauptversammlung ein und wirkt unbeholfen, weil er sich, anders als alle anderen, noch orientieren muss. Die Lösung: Deutlich früher kommen und mit Aktionären und Aktionärsvertretern smalltalken. Das schafft Sympathien. Er übernimmt, seiner Rolle entsprechend, Begrüßung und Einleitung. Die Texte liest er jedoch vom Blatt ab, ohne Aufschauen, aber mit Verhaspeln. Zu seiner Verteidigung: Weil die Texte heikel sind, sind sie von Juristen hieb- und stichfest formuliert. Lösung: Die Texte vorab ein paarmal laut vor sich hinsprechen, ganz besonders Namen, Gesetze und Paragrafen. In der Sitzung bleibt dann genug Freiraum, um Augenkontakt mit dem Publikum aufzunehmen und ein paar unverfängliche eigene Sätze einzuflechten. Die Juristin
leitet seit 2015 die Aufsichtsratsplattform Inara. Davor war sie u. a. im Management von Wienerberger, Constantia Privatbank, Kapsch und Semperit.
IEr moderiert lasch, lässt Ko-Referate von Aktionären zu und Fragen, die nicht zur Agenda gehören. Im schlimmsten Fall versinkt die Hauptversammlung in untergriffigen Zwischenrufen. Nervenschwache AR-Vorsitzende haben schon mal die Bühne dem verhandlungsstärkeren Vorstandsvorsitzenden überlassen.
trainiert seit 1999 Vorstände und Aufsichtsräte. Sie ist Autorin mehrerer Fachbücher und liest an den Universitäten Wien und Krems.
IManche vertreiben sich bei langen Sitzungen die Zeit mit Zeitung und Smartphone. Zweckdienlicher ist, sich als Vermittler zwischen Podium und Publikum zu positionieren: Zusammenhänge erklären, schwer Verständliches übersetzen und Wichtiges zusammenfassen.
Profis proben
Schwarzer und Jankowitsch haben einen Workshop für das professionelle Vorbereiten und Führen der Hauptversammlung besonders börsenotierter Unternehmen zusammengestellt (www.inara.at/ aufsichtsraete, Termine auf Anfrage). Erklärtes Ziel ist, den AR-Vorsitzenden ebenso souverän, sattelfest und umsetzungsstark wirken zu lassen wie den Vorstand.