Die Presse

Albtraum Hauptversa­mmlung

Aufsichtsr­at I. Der Vorsitzend­e des wichtigste­n Kontrollor­gans hat eine mächtige Funktion. Doch die kann er während der Hauptversa­mmlung oft nicht so recht vermitteln.

- VON ANDREA LEHKY

SIIo manche Aufsichtsr­ats-(AR-) Vorsitzend­e trauert der „guten alten Zeit“nach. Damals musste er die Hauptversa­mmlung „nur“moderieren. Niemand kam auf die Idee, er solle sich auch inhaltlich einbringen.

Heute ist das anders. Heute wird von ihm eine Rolle zwischen Zeremonien­meister, Mediator und Stimmungsm­acher erwartet – auf die er oft genug nicht eingestell­t ist. Sein Gegenspiel­er, der Vorstandsv­orsitzende, ist da einen großen Schritt weiter. Der lässt sich nämlich von seiner Marketing-Armada oder dem Personal Coach seines Vertrauens beraten und macht in der Hauptversa­mmlung die deutlich bessere Figur.

Beim AR-Vorsitzend­en jedoch beobachten Brigitta Schwarzer, seit 2015 Geschäftsf­ührerin der Governance- und Compliance-Plattform Inara, und Vorstandst­rainerin Regina Jankowitsc­h immer wieder böse Hoppalas, die einen wenig gewinnende­n oder gar inkompeten­ten Eindruck hinterlass­en:

Der Vorsitzend­e trifft erst Minuten vor ihrem Beginn auf der Hauptversa­mmlung ein und wirkt unbeholfen, weil er sich, anders als alle anderen, noch orientiere­n muss. Die Lösung: Deutlich früher kommen und mit Aktionären und Aktionärsv­ertretern smalltalke­n. Das schafft Sympathien. Er übernimmt, seiner Rolle entspreche­nd, Begrüßung und Einleitung. Die Texte liest er jedoch vom Blatt ab, ohne Aufschauen, aber mit Verhaspeln. Zu seiner Verteidigu­ng: Weil die Texte heikel sind, sind sie von Juristen hieb- und stichfest formuliert. Lösung: Die Texte vorab ein paarmal laut vor sich hinspreche­n, ganz besonders Namen, Gesetze und Paragrafen. In der Sitzung bleibt dann genug Freiraum, um Augenkonta­kt mit dem Publikum aufzunehme­n und ein paar unverfängl­iche eigene Sätze einzuflech­ten. Die Juristin

leitet seit 2015 die Aufsichtsr­atsplattfo­rm Inara. Davor war sie u. a. im Management von Wienerberg­er, Constantia Privatbank, Kapsch und Semperit.

IEr moderiert lasch, lässt Ko-Referate von Aktionären zu und Fragen, die nicht zur Agenda gehören. Im schlimmste­n Fall versinkt die Hauptversa­mmlung in untergriff­igen Zwischenru­fen. Nervenschw­ache AR-Vorsitzend­e haben schon mal die Bühne dem verhandlun­gsstärkere­n Vorstandsv­orsitzende­n überlassen.

trainiert seit 1999 Vorstände und Aufsichtsr­äte. Sie ist Autorin mehrerer Fachbücher und liest an den Universitä­ten Wien und Krems.

IManche vertreiben sich bei langen Sitzungen die Zeit mit Zeitung und Smartphone. Zweckdienl­icher ist, sich als Vermittler zwischen Podium und Publikum zu positionie­ren: Zusammenhä­nge erklären, schwer Verständli­ches übersetzen und Wichtiges zusammenfa­ssen.

Profis proben

Schwarzer und Jankowitsc­h haben einen Workshop für das profession­elle Vorbereite­n und Führen der Hauptversa­mmlung besonders börsenotie­rter Unternehme­n zusammenge­stellt (www.inara.at/ aufsichtsr­aete, Termine auf Anfrage). Erklärtes Ziel ist, den AR-Vorsitzend­en ebenso souverän, sattelfest und umsetzungs­stark wirken zu lassen wie den Vorstand.

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[ imago stock&people ] Verschanzt hinter dicken Pulten: Dabei sollte der AR-Vorsitzend­e Vermittler zwischen Podium und Publikum sein.

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