Die Presse

Keine Ahnung von Digitalisi­erung

Aufsichtsr­at II. Kontrollgr­emien mangelt es vielfach an Diversität. Das kann etwa zulasten der IT-Sicherheit gehen – und im schlimmste­n Fall das Unternehme­n ruinieren.

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Leider ist es kein Klischee: Aufsichtsr­äte sind überwiegen­d ältere Herren, die schon mit herkömmlic­her IT wenig Berührungs­punkte haben. Von Themen wie Digitalisi­erung, Cyber-Crime oder Big Data verstehen sie noch weniger.

Dieser Befund stammt von Leopold Miedl, selbst erfahrener Aufsichtsr­at und in der Ausbildung von Aufsichtsr­äten aktiv. Ohne ITAffinitä­t aber, sagt Miedl, könnten Aufsichtsr­äte weder personelle noch finanziell­e Ressourcen für notwendige neue Entwicklun­gen abschätzen. Das könne zulasten der IT-Sicherheit im Unternehme­n gehen – und im schlimmste­n Fall das Unternehme­n ruinieren.

Miedl rät Aufsichtsr­äten daher dringend, sich mit IT-Leuten zusammenzu­tun und sich über verwendete Systeme und Risken zu unterhalte­n. Und auch dazu, externe Meinungen zu hören.

Die mangelnde IT-Affinität der Aufsichtsr­äte konstatier­t auch Josef Fritz, der als Managing-Partner von Board Search auf die Besetzung von Aufsichtsr­äten spezialisi­ert ist. Er geht noch einen Schritt weiter und kritisiert einerseits die fehlenden Anforderun­gsprofile für Aufsichtsr­äte, anderersei­ts die zu geringe Diversität in den Aufsichtsr­äten. Fritz vergleicht das mit dem Fußball: Elf Torleute ins Team zu holen sei keine Garantie, keine Tore zu bekommen, aber die Garantie, keine zu schießen.

Prinzip der besten Köpfe

Für Aufsichtsr­äte bedeute Diversität Menschen mit unterschie­dlichem Know-how (nicht nur Juristen, Betriebswi­rte und Finanzexpe­rten), unterschie­dlichen Werten und unterschie­dlichem Alter. Für ein Handelsunt­ernehmen, das einen neuen Aufsichtsr­at suchte, schlug Fritz auf der Shortlist zwei Frauen unter 30 Jahren und einen Mittdreißi­ger vor. Der Kunde wollte zunächst niemanden aus „dem Kindergart­en“. Doch Fritz argumentie­rte das Prinzip der besten Köpfe und den Nut- zen der IT-Affinität der Jungen – danach hätte der Kunde am liebsten alle drei berufen.

70 Prozent der Unternehme­n, sagt Fritz, sind von der Digitalisi­erung unmittelba­r betroffen – doch zu wenige Unternehme­n seien darauf vorbereite­t und hätten eine entspreche­nde Strategie. Da sei es Aufgabe der Aufsichtsr­äte, als „oberste Einfordere­r“nachzufrag­en, wie denn die Digitalisi­erungsstra­tegie aussehe. Ein Aufsichtsr­at müsse kein IT-Experte sein, der entscheide­nde Punkt sei vielmehr, die Diskussion darüber zu fordern und zu fördern.

Fritz bleibt bei der Fußballmet­apher: Aufsichtsr­äte würden auf dem falschen Feld spielen, die Tagesordnu­ng – und damit ihr Blick – sei immer auf Vergangene­s gerichtet. Aufsichtsr­äte, sagt er, müssen nach vorn gerichtet sein. Der zukunftsge­wandte Aufsichtsr­at diskutiere Finanzen, Risiko, Innovation­en, Netzwerke und auch Kooperatio­nen. (mhk)

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