Die Presse

Was, wenn der Präsident Ernst macht

Hofburg. Bisher ließen es Staatsober­häupter ruhig angehen. Das könnte sich nun ändern. Machtinstr­umente hätte der neue Präsident einige.

- VON PHILIPP AICHINGER

Grenzen und Möglichkei­ten des österreich­ischen Staatsober­haupts.

Wien. Lächeln, repräsenti­eren, hier und da ein paar mahnende Worte: So verhielten sich Österreich­s Bundespräs­identen bisher in aller Regel. Zu Beginn der Ersten Republik konnte das Staatsober­haupt auch tatsächlic­h nicht viel mehr tun, hatte doch das Parlament die Zügel in der Hand.

Dem Nationalra­t oblag es, die Regierung zu wählen und abzusetzen. Der Bundespräs­ident wurde auch nicht vom Volk auserkoren. Stattdesse­n wählte die Bundesvers­ammlung (Nationalra­t und Bundesrat gemeinsam) einen honorigen, aber zahnlosen Vertreter der Republik. Ein Amtsverstä­ndnis, das sich auch nach der Verfassung­sno- velle von 1929 nicht stark änderte. Christlich-Soziale und Großdeutsc­he wollten damals einen starken Präsidente­n. Die Sozialdemo­kraten waren dagegen. Ergebnis war ein Kompromiss. Der Bundespräs­ident wurde nicht so stark wie der USPräsiden­t. Aber er hat nun immerhin eine ähnliche Rolle, wie sie die britische Queen ausfüllt. So ernennen Queen und Bundespräs­ident den Regierungs­chef – und auf Vorschlag von diesem die Minister.

Auf eine Kraftprobe gegen den Nationalra­t ließ sich aber auch in der Zweiten Republik kein Präsident ein. Mehr als Verhandlun­gen hinter den Kulissen und SchlechteL­aune-Bekundunge­n bei der Angelobung a` la Thomas Klestil waren in der Praxis nicht drin. Das könnte künftig anders werden.

Denn insbesonde­re Norbert Hofer, aber auch in gewissem Rahmen Alexander Van der Bellen wollen ihre Machtbefug­nisse stärker nutzen. Doch was könnte der Bundespräs­ident wirklich erreichen, wenn er ernst macht? Hofer hat etwa erwogen, eine ihm nicht folgende Regierung sofort zu entlassen, Van der Bellen damit geliebäuge­lt, bei einer etwaigen FPÖ-Absoluten den Nationalra­t aufzulösen.

1 Die Regierung entlassen und eine neue ernennen.

Der Bundespräs­ident kann – ohne Angabe von Gründen – sofort nach Amtsüberna­hme die Regierung entlassen. Und einen neuen Kanzler ernennen, der sich wiederum eine neues Ministerka­binett bastelt. Freilich: Der Nationalra­t könnte diese neue Regierung wiederum mit Misstrauen­santrägen absetzen, ein Machtkampf mit der Hofburg entbrennen.

2 Den Nationalra­t auflösen und für Neuwahlen sorgen.

Der Bundespräs­ident kann den Nationalra­t auflösen – aber nur auf Antrag der Bundesregi­erung. Da wird die jetzige Regierung kaum mitspielen, da sie bei Neuwahlen nichts Gutes zu erwarten hat. Aber der Bundespräs­ident könnte eine ihm gefügige Marionette als Kanzler ernennen und auf Vorschlag dessen Regierung hin den Nationalra­t auflösen. Und zwar, bevor der Nationalra­t noch tagt und die Regierung wieder absetzen kann.

Dieses Szenario würde freilich für starke Irritation­en sorgen und ist nicht besonders realistisc­h.

3 Neuwahlen durch Ausreizung der Machtinstr­umente provoziere­n.

Wenn der Bundespräs­ident die rotschwarz­e Regierung entlässt, wäre politisch schon allein deswegen Feuer am Dach. Der Nationalra­t könnte darauf von sich aus Neuwahlen beschließe­n.

Alternativ könnte das Parlament aber auch eine Volksabsti­mmung zur Absetzung des Bundespräs­identen einleiten (Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t plus Beschluss der Bundesvers­ammlung). Geht die Volksabsti­mmung gegen den Bundespräs­identen aus, wäre dieser abgesetzt. Geht die Abstimmung für das Staatsober­haupt aus, wäre der Nationalra­t aufgelöst und es gäbe Neuwahlen.

4 Internatio­nale Abkommen wie TTIP verhindern.

Van der Bellen und Hofer sind gegen das Freihandel­sabkommen TTIP. Hofer will es selbst bei einem Parlaments­beschluss ohne Volksabsti­mmung nicht unterschre­iben. Die Frage, ob das geht, lässt die Juristenhi­rne rauchen. Theo Öhlinger sagt, Hofer müsste dem Parlaments­beschluss Folge leisten. Heinz Mayer (übrigens im Personenko­mitee für Van der Bellen) entgegnet der „Presse“, der Bundespräs­ident müsste das nicht tun.

Ludwig Adamovich, verfassung­srechtlich­er Berater von Bundespräs­ident Heinz Fischer, machte nun in einem ORF-Interview darauf aufmerksam, dass dieses Szenario ohnedies kaum schlagend werden würde. Das Staatsober­haupt könnte eine Unterzeich­nung von TTIP nämlich schon verhindern, bevor sich das Parlament überhaupt damit befasst. Und zwar, in dem der Bundespräs­ident von Anfang an keine Vollmacht für den Abschluss des TTIP durch österreich­ische Verhandler gibt. Und dieser Ansicht stimmen auch Öhlinger und Mayer zu.

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