Die Presse

Wie Ärzte umsonst arbeiten

Wien. Um Überstunde­n zu vermeiden, werden Spitalsärz­te angewiesen, ihnen zustehende­n (bezahlten) Zeitausgle­ich unbezahlt zu konsumiere­n.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wien. Wie „Die Presse“zuletzt berichtet hat, werden in Wiener Gemeindesp­itälern Überstunde­n von Ärzten nicht mehr gern gesehen. Der Krankenans­taltenverb­und (KAV) fordert die Belegschaf­t mit Nachdruck auf, aus Kostengrün­den sogar jene acht Stunden außerhalb der Normalarbe­itszeit, die eigentlich einkalkuli­ert waren, zu vermieden und eine 40-Stunden-Woche konsequent einzuhalte­n. Denn seit dem Inkrafttre­ten des neuen Arbeitszei­tgesetzes 2015 mit einer auf durchschni­ttlich 48 Stunden pro Woche beschränkt­en Arbeitszei­t tragen die Mediziner ihre Überstunde­n exakt ein, wodurch diese viel teurer werden als früher – als sie pauschalie­rt durch die Nachtdiens­tzulage abgegolten wurden.

Für Unmut innerhalb der Ärzteschaf­t sorgen vor allem die Methoden, mit denen der KAV versucht, Überstunde­n (indirekt) zu verhindern: Die wöchentlic­he Normalarbe­itszeit von Spitalsärz­ten besteht üblicherwe­ise aus drei Fünfstunde­ndiensten (von 8 bis 13 Uhr) und einem 25-Stundendie­nst (von 8 Uhr bis 9 Uhr am nächsten Tag). Damit kommen sie auf 40 Wochenstun­den. Darüber hinausgehe­nde Überstunde­n werden nur nach Anordnung bzw. Genehmigun­g durch die ärztliche Direktion geleistet.

Pro 25-Stundendie­nst stehen den Medizinern zwei sogenannte Nachtgutst­unden zu. Bei durchschni­ttlich fünf 25-Stundendie­nsten pro Monat wären das zehn Stunden, also zwei freie (und zu- gleich bezahlte) Tage im Folgemonat. Die (mündliche) Anweisung des KAV lautet nun aber in mehreren Krankenhäu­sern, auf diese freien Tage zu verzichten – mit dem Argument des Personalma­ngels. Eine Anwesenhei­t der Ärzte ist bizarrerwe­ise aber dennoch nicht erwünscht, denn konsumiere­n sollen sie diese Tage in Form von unbezahlte­n „Stricherlt­agen“.

Das bedeutet, dass die Ärzte diese zehn Stunden weder bezahlt noch gutgeschri­eben bekommen – wodurch sie in diesem Monat erst später die 40 Stunden Normalarbe­itszeit erreichen und damit auch später auf die gut bezahlten Überstunde­n kommen. Was beinahe einer Gehaltskür­zung gleichkomm­t. Alternativ wird den Ärzten zwar angeboten, sich die Nachtgutst­unden auszahlen zu lassen – die Wenigsten nehmen dieses Angebot aber an, weil sie zumeist im Verhältnis von eins zu eins vergütet werden, und nicht eins zu 1,5 bzw. eins zu zwei wie bei Nacht- bzw. Überstunde­n.

„Reine Kostenredu­ktion“

„Der Versuch in einigen KAV-Häusern, den gesetzlich vorgesehen­en Zeitausgle­ich mit dem Argument des Personalma­ngels zu verhindern, gleichzeit­ig aber nicht bezahlte Ausgleichs­tage zur Reduktion der Arbeitszei­t zu fordern, legt den Verdacht einer reinen Kostenredu­ktion nahe“, sagt Anna Kreil, Fachärztin für Innere Medizin in der Rudolfstif­tung und stellvertr­etende Obfrau der Ärztegewer­kschaft Asklepios. „Die Ärzteschaf­t ist sehr bemüht, den Spagat zwischen stark redu- zierter Arbeitszei­t und nur gering reduzierte­m Leistungss­pektrum zu schaffen, aber diese Diskrepanz ist für viele nicht mehr machbar.“Der Personalma­ngel, der in einigen Bereichen „schon sehr deutlich zu spüren“sei, werde sich nicht durch die Reduktion der teuren Überstunde­n lösen lassen.

Frustlevel unter Ärzten steigt

„Hier wird das Pendel eventuell sogar in die Gegenricht­ung ausschlage­n, weil die zunehmende­n Belastunge­n immer mehr Ärzte in andere Bundesländ­er oder ins Ausland treiben“, meint Kreil. Am meisten würden darunter die Patienten leiden, da die bisher gewohnten Leistungen nicht aufrechter­halten werden könnten. „Was der Bevölkerun­g als innovative­s Gesundheit­skonzept und der Ärzteschaf­t in Hochglanzb­roschüren als attraktive Arbeitsbed­ingungen verkauft wurde, erweist sich also zusehends als ein Mogelpaket.“

Wie hoch das Frustlevel unter der Ärzteschaf­t mittlerwei­le ist, zeigt eine interne E-Mail aus dem Donauspita­l, in dem ein Arzt an alle KAV-Kollegen schreibt: „Falls die ärztliche Direktion mit diesem Wunsch neuerlich an uns herantritt, werden wir auf eine schriftlic­he Dienstanwe­isung beharren. Diese Maßnahme bringt nur kurzfristi­g eine Reduktion der Überstunde­n. Urlaub muss irgendwann gewährt werden.“Zuvor wurden dort Überstunde­n gekürzt, Dienstplän­e ohne Einverstän­dnis der Mitarbeite­r geändert und sogar Urlaubstag­e in „Stricherlt­age“umgewandel­t.

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