Endlich wieder zurück im großen Spiel
Neuvorstellung. Kann man von einem Sportwagen auf ein SUV schließen? Oder umgekehrt? Jaguar verpflanzt mit dem F-Pace die eigene, junge DNA erstmals ins große Format – und bringt sich im heißesten Segment des Autogeschäfts ins Spiel.
Langsam schließen sich die Reihen, werden die letzten Lücken im Angebot dicht gemacht. Von VW fehlt noch ein kleines SUV, von Rolls-Royce erwartbar der Gegenpol. Lamborghini ist auch noch ausständig. Maserati hat schon geliefert. Ferrari verweigert sich, noch. Das SUV ist die harte Währung im Autogeschäft geworden. In Österreich gehört jeder vierte Neuwagen dem Format an, das freilich von klein und eh bescheiden bis riesig und maßlos reichen kann.
Dickerchen auf Raubzug
Die Wachstumsraten des SUVs auf den Automärkten der Welt zeigen streng nach oben. Die Dickerchen rauben in allen Segmenten. Bei den Vans, den Kleinen und den Kombis, sogar bei den Sportwagen und Roadstern. Gerade hat Jaguar erklärt, von seiner gehobenen Mittelklasse keinen Kombi mehr anbieten zu wollen. Und nur folgerichtig hat die Schwestermarke Land Rover das erste SUV-Cabrio auf die Räder gestellt. Alles scheint mittlerweile möglich.
Auch ein Jaguar, der quasi zufällig ein SUV ist? So formuliert man bei der Marke den Anspruch, den man an sich gestellt habe. Von der Ambition kündet schon der Name: F-Pace. Das F-Wort stammt vom zweisitzigen Sportwagen F-Type, mit dem die Marke vor wenigen Jahren ihre Wiedergeburt zelebriert hat. Das SUV ist freilich das Auto, das die neue Existenz festigen soll. Wenn alles läuft, werde man davon mehr verkaufen als von allen anderen aktuellen Baureihen zusammen.
Schwer zu sehen, warum das nicht gelingen sollte. Es beginnt schon optisch gut. Das SUV an sich ist ja kein Format, das Anmut beherbergt, doch der Jaguar macht das Beste daraus – er zitiert den F-Sportwagen glaubwürdig. Diese Art Mimikry hatte auch Porsche versucht, doch einen 911er sucht man im Cayenne vergebens. Im F-Pace sind mit einem kurzen vor- deren Überhang, einer betonten Taillierung vor allem zum Heck hin und einem weit zurückversetzten Greenhouse alle Register gezogen.
Mehr Country Club
Auf annähernd 2,9 Metern Radstand ist ein ansehnliches Viermannzelt von Interieur aufgeschlagen. Wie fein es innen zugeht, entscheidet letztlich die Aufpreisliste. Die Grundzutaten stimmen: anregender Ledergeruch, mehr Country Club als Raumkapsel.
L/B/H 4731/2070/1652 mm. Radstand 2874 mm. Leergewicht ab 1665 kg bis 1884 kg. Kofferraumvolumen 650 bis 1740 Liter.
Diesel: 20d (R4, 180 PS) ab 44.850 Euro (Frontantrieb, man. Getriebe, Ausstattung Pure). 20d AWD, Automatik ab 51.150 Euro. 30d AWD (V6, 300 PS) ab 64.200 Euro. Benziner: 35t AWD (V6, 340 PS) ab 70.650 Euro. S AWD (V6, 380 PS) ab 90.300 Euro.
Der aufgeräumte Look mit kunstfertig verschalten Oberflächen hat aber auch seinen Preis: Statt eines Controllers und vieler Knöpfe steuert allein ein zentraler Touchscreen das Bordsystem, und das erfordert mehr Zielgenauigkeit, als man mit dem Zeigefinger gemeinhin aufzubringen vermag – vor allem in Fahrt, womöglich gar flotter. Gelöbnis an die eigene Selbstdisziplin: Sich der mannigfaltigen Funktionen zu bedienen – das sollte man sich für die Zeit im Stillstand aufsparen.
Innerlich besteht der F-Pace hauptsächlich aus Aluminium, der Anteil ist höher als bei allen anderen Baureihen. Im Leergewicht liegt das über 4,7 Meter lange Auto nicht über einem 5er-BMW.
Das schlägt sich auch fahrerisch nieder. Der Jaguar setzt sich leichtfüßig in Bewegung, und mit Freude stürzt er sich in Kurven. Das agile Einlenkverhalten ist vermutlich die herausragende Eigenschaft des F-Pace-Fahrwerks. Allein das Hinterteil vermag man nicht so tief und satt in den Kurvenscheitelpunkt zu vergraben, sodass man leicht hecklastig aus dem Kurvenausgang herauspfeilen könnte – aber das ist eigentlich alles Sportwagen-Terrain. Für ein Auto dieser Statur lässt sich der F-Pace fast unanständig durch das Geläuf treiben – die Bremsanlage etwa: hervorragend. Kein Wanken, kein Schwanken, kein Schaukeln.
Unter den drei Motoren gibt es einen klaren Gewinner: den 300 PS starken V6-Diesel. Der Kompressor-V6 wirkt aufgesetzt mit seiner Soundkulisse, er macht zu viel Aufhebens, wo der Diesel blindlings marschiert mit der Gewalt von 700 Newtonmetern. VierzylinderIngenium? Jaguar ist stolz auf seinen ersten komplett selbst konstruierten Diesel. Aber er ist sogar in dem großen Auto laut, gibt sich harsch, bärbeißig. Man könnte ihn mit Frontantrieb haben. Doch um in den Genuss des F-Pace in voller Statur zu kommen, gibt es keinen günstigen Einstieg. Und warum sollte es das bei Jaguar?