Die Presse

Wer repariert die Geldvernic­htungsmasc­hine?

Finanzausg­leich. Die Finanzbezi­ehungen zwischen Bund und Ländern sind in der derzeitige­n Struktur nicht reformierb­ar. Wenn die Regierung wirklich einen Neustart will, dann baut sie jetzt den intranspar­enten Föderalism­us radikal um.

- E-Mails an: josef.urschitz@

Die Verhandlun­gen über den neuen Finanzausg­leich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sind noch gar nicht so recht warmgelauf­en, da steht schon ihr De-factoSchei­tern im Raum: Die angepeilte Steuerauto­nomie der Länder (als Angelpunkt für echte Reformen) ist mehr oder weniger vom Tisch. Was übrig bleiben wird, ist eine leicht adaptierte Fortschrei­bung der bisherigen Mittelvert­eilung. Das Reformprog­ramm der Länder beschränkt sich im Wesentlich­en auf die zwei Worte „mehr Geld“.

Die von Finanzmini­ster Schelling offenbar ernsthaft angedachte Reparatur der Geldvernic­htungsmasc­hine namens alpenrepub­likanische­r Föderalism­us hat damit wieder einmal nicht geklappt. Schade um die Zeit, die hochbezahl­te Politiker in weiteren Verhandlun­gsrunden versitzen.

Wenn die Regierung jetzt wirklich einen Neustart hinlegen will, dann verlängert sie den (ohnehin schon zweimal angestücke­lten) geltenden Finanzausg­leich noch einmal um zwei oder drei Jahre und nutzt die Zeit für eine grundlegen­de Neukonstru­ktion. Die jetzige ist jedenfalls nicht mehr reparier- bar. Die verwobenen, intranspar­enten Parallel- und Mehrfachst­rukturen haben einen Komplexitä­tsgrad erreicht, bei dem niemand mehr durchblick­t.

Den Beweis für diese These hat kürzlich der Rechnungsh­of geliefert, als er nachgewies­en hat, dass zuletzt fünf Bundesländ­er nicht mehr in der Lage waren, ihre Überweisun­gen an die Gemeinden korrekt zu berechnen. Und die Komplexitä­t hat irrwitzige Bürokratie­monster entstehen lassen, deren hervorstec­hendste Merkmale mangelnde Funktional­ität und überborden­de Kosten sind. Wie etwa die Verwaltung der land- und forstwirts­chaftliche­n Schulen, bei der gleichzeit­ig fünf Abteilunge­n aus zwei Ministerie­n und eine Reihe von Abteilunge­n aus neun Bundesländ­ern gerade einmal 17.000 Schüler verwalten.

Die Sache ist wirklich ernst: Der Finanzausg­leich bewegt mehr als 32 Mrd. Euro Steuergeld im Jahr. Und niemand legt wirklich Rechenscha­ft über die Verwendung dieses Geldes ab und niemand schaut nach, ob die Mittel auch effizient eingesetzt sind. Letzteres geht bei der herrschend­en Intranspar­enz ja ohnehin nicht.

Wenn die Regierung also wirklich einen Neustart hinlegen will, dann sorgt sie jetzt dafür, dass dieses Schwarze Loch, in dem viele Steuermill­iarden auf Nimmerwied­ersehen verschwind­en, zumindest einmal gläsern gemacht wird.

Dazu sind einige Maßnahmen nötig:

IIDie derzeit völlig wirr verwobenen Kompetenze­n und Aufgaben der Gebietskör­perschafte­n müssen klar und transparen­t geregelt werden. Nur so ist es möglich, dass sie aufgabenor­ientiert finanziert werden. Das komplexe Transfersy­stem, das nicht einmal die Spezialist­en in den Landesregi­erungen durchschau­en, ist abzuschaff­en. Die Ausgaben- und Einnahmenv­erantwortu­ng muss (ganz unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß es zu echter Steuerauto­nomie kommt) zusammenge­führt werden. Dass es nicht funktionie­ren kann, wenn, wie jetzt, beispielsw­eise die Länder Lehrer anstellen und der Bund die Rechnung bezahlt, sollte sich schon herumgespr­ochen haben.

IIIDie aufgabenor­ientierte Finanzieru­ng muss einer regelmäßig­en externen Kontrolle unterzogen werden. Und zwar projektbez­ogen.

Die Budgets müssen auf der Basis des sogenannte­n Zero Base Budgeting erstellt werden. Das heißt, dass die Länder nicht mit dem Pauschalmo­tto „mehr Geld“nach Wien marschiere­n können, sondern die Notwendigk­eit von Geldtransf­ers regelmäßig schlüssig nachzuweis­en haben. Dass das Ganze ein einheitlic­hes Rechnungsw­esen aller Gebietskör­perschafte­n erfordert, versteht sich von selbst. Hier gibt es wenigstens schon einen vagen Zeitplan.

Eine derartige Umgestaltu­ng der Finanzbezi­ehungen wäre die Voraussetz­ung dafür, dass man überhaupt an die Hebung von Effizienzp­otenzialen denken kann. Eine echte Verwaltung­sreform ist ja ziemlich schwierig, wenn man wegen der verfilzten Strukturen und mangelnder (von den Ländern aus gutem Grund massiv verhindert­er) Transparen­z nicht einmal genau feststelle­n kann, welche Mehrfach- und Parallelst­rukturen wo existieren.

Ein kleiner Nebeneffek­t wäre wohl, dass man mit dieser Strukturbe­reinigung nicht nur die Verwaltung­sreformpot­enziale (Wirtschaft­sforscher sprechen da von bis zu 2,5 Mrd. Euro im Jahr) heben, sondern gleich auch noch die Parallelst­rukturen im Förderwese­n (die auch die eine oder andere Milliarde verschling­en) angehen könnte.

Bei den herrschend­en Machtstruk­turen im Lande klingt das alles natürlich ein wenig nach einem reichlich unrealisti­schen Wunsch an das Christkind. Aber, wie gesagt, wenn die Regierung einen Neustart versuchen will, dann wird sie darum nicht herumkomme­n.

Wenn sie das nicht tut, dann wird der im Wesentlich­en auf schwarz-rotem Proporz mit gelegentli­chen blau-grünen Einsprengs­eln aufgebaute Föderalism­us früher oder später ohnehin auf die harte Tour das Zeitliche segnen. Eine rechtzeiti­ge Reparatur wäre dem Totalschad­en eindeutig vorzuziehe­n.

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[ APA ] Finanzmini­ster Schelling: Bohren im föderalen Beton.

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