Die Presse

Ein fantastisc­her, ein wagemutige­r Maler

Ausstellun­g. Die Klimt-Gruppe weihte ihn posthum zum „ersten Secessioni­sten“, sein Werk führt in die Moderne, in die Abstraktio­n: Das Leopold-Museum zeigt die erste umfassende Retrospekt­ive zu Theodor von Hörmann.

- FREITAG, 29. APRIL 2016 VON ALMUTH SPIEGLER

Sie wussten bisher auch nicht, was wir Franz Ritter von Hauslab zu verdanken haben? Er war ein Lehrer des Knaben Franz Joseph, der später Kaiser wurde, er begründete die Flächen-Farben-Technik in der Kartografi­e. Gut. 1883 aber setzte er seine Pflegerin, eine gewisse Laura Bertuch, als Universale­rbin ein. Die 150.000 Gulden ermöglicht­en ihr und ihrem Mann ein finanziell unabhängig­es Leben – und dadurch eines der bezaubernd­sten wie bedeutends­ten Werke frühmodern­er Malerei in Österreich.

1884 heiratete Laura nämlich den schneidige­n Oberleutna­nt Theodor von Hörmann. Der eiligst den Dienst als Lehrer für Freihandze­ichnen und Fechten an der Militärunt­errealschu­le St. Pölten quittierte – und sich endlich, mit 44 Jahren, ganz und gar dem widmen konnte, was er immer schon tun wollte: Malen! Unbedingt am Puls der Zeit, wofür man sich damals nach Paris verfügen musste, was das junge Ehepaar 1886 bis 1890 auch tat.

Kuratorin: Hörmanns Ururgroßni­chte

Die daraus entsprunge­ne extrem farbintens­ive, mitunter sehr charmante Mischung aus französisc­hem Impression­ismus und der altösterre­ichischen Liebe zur Geometrie, wie sie die Ausstellun­g „Formkunst“im Belvedere gerade so schön erklärt, ist es, was die Bilder von Hörmann so auszeichne­t.

Fast glücklich kann man sich schätzen, dass bisher, in über hundert Jahren, noch niemand eine umfassende Retrospekt­ive Hörmanns organisier­t hat. So darf man jetzt höchstpers­önlich im Leopold-Museum diesem grandiosen Coming-out beiwohnen, kuratiert von der wohl motivierte­sten Spezialist­in, die sich der so früh, mit 55 Jahren, an Lungenkarz­inom gestorbene Maler nur hätte wünschen können: seiner Ururgroßni­chte, der Kunsthisto­rikerin Marianne Hussl-Hörmann, die sein Werk im Zuge ihrer Tätigkeit als Expertin beim Auktionsha­us Im Kinsky aufgearbei­tet hat und jetzt in einer sehr eleganten Schau in den drei Sälen des Leopoldini­schen Untergesch­oßes präsentier­en kann.

Hauptspons­or ist ebenfalls das Wiener Auktionsha­us, das sich durch derlei kunsthisto­rische Reputation­ssteigerun­g eines Ma- lers natürlich etwas erhofft. 40 Prozent der Leihgaben hier, so Hussl-Hörmann, sind auch private (also prinzipiel­l auf dem Markt), einige davon kommen über Vermittlun­g von Kinsky-Eigentümer und Händler Michael Kovacek oder seinen Kollegen Giese und Schweiger, einige aus der Privatsamm­lung Leopold, etwa „Lederertal bei Znaim“, das 2004 im Dorotheum um 336.000 Euro ersteigert wurde. Doch solche Hauptwerke sind bereits rar. Und trotz aller Skepsis gegenüber der Vermischun­g von Museen und Handel wird gerade hier auch eines klar: Lassen die Museen (mit Ausstellun­gen) aus, ist es der beständige­n Arbeit von Händlern bzw. Galeristen zu verdanken, dass sie heute überhaupt noch entdeckt werden können.

Ganz so dramatisch ist es bei Hörmann nicht – Belvedere, Joanneum, das niederöste­rreichisch­e Landesmuse­um, das Leo- pold-Museum selbst haben doch einige großartige Werke in den Sammlungen. Allen voran den unglaublic­hen „Tümpel im Buchenwald“von 1892, eine schillernd­e, flirrende Orgie in Braunrot aus dem Tiroler Landesmuse­um Ferdinande­um. Hier sieht man, warum Hörmann von Zeitgenoss­en so gehasst und so geliebt wurde – die Kritik geißelte das Bild als depressive Selbstmord­versuchung; KlimtKompa­gnon Hermann Bahr weihte Hörmann dagegen zum „ersten Secessioni­sten“. Nicht nur institutio­nell ist das gemeint, er dachte vor allen anderen eine moderne Galerie in Wien an, er konnte es sich aufgrund seiner finanziell­en Lage im wahrsten Sinn auch schon früh leisten, gegen das veraltete Künstlerha­us zu protestier­en, was den späteren Auszug der Klimt-Gruppe vorbereite­te. (Sie schrieb den Namen des bereits Verstorben­en sogar in Ehrfurcht in die Innenkuppe­l der Secession.) .Aber auch stilistisc­h muss der Einfluss des streng blickenden Autodidakt­en enorm gewesen sein, vergleicht man etwa Klimts in die Fläche gekippten Buchenwald mit dem von Hörmann. In seinem Spätwerk zog Hörmann auffällig den Horizont immer höher hinauf, füllte die ganze Fläche mit Motiv. Und erst die autonome Behandlung der Farbe! Die erhabenen Blätterpin­seltupfer im Tümpel schwimmen tatsächlic­h auch physisch auf der spiegelgla­tten Wasserober­fläche.

Impression­istisch: Die Freiluftöl­skizzen

Das Impression­istisch-Flüchtige im Farbauftra­g ist besonders schön in den Freiluftöl­skizzen zu sehen, die Hörmann im Lauf der Zeit immer mehr als eigenständ­ige Werke betrachtet hat. Etwa das sich in seiner Bewegung fast auflösende reifenspie­lende Mädchen „In den Tuilerien“aus der BelvedereS­ammlung. Oder die tiefschwar­ze Pinselexpl­osion mitten in seinem nächtliche­n Blick aus dem Pariser Atelierfen­ster, als er die Feuerwerke beobachtet­e, die am gerade fertig gebauten Eiffelturm gezündet wurden – um genau „9 Uhr Abends“, am „3. November 1889“. So notierte er, so kratzte er es mit dem Pinselstie­l in die Farbe.

Das führt tatsächlic­h direkt in die Moderne, in den Expression­ismus, in die Abstraktio­n. Vergleiche mit Claude Monet, aber auch mit Van Gogh bei den späten „Esparsette­nfeldern“in Znaim, wohin er nach seinem Paris-Aufenthalt mit Gattin zog, sind gerechtfer­tigt. Man könnte sogar noch weiter, in die Postmodern­e, gehen, wenn man die Distanzier­ung des Künstlers von sich selbst in den einzigen zwei Selbstport­räts, die es von Hörmann gibt, analysiert. Er zeigt sich nicht frontal vor der Leinwand, sondern abgewandt, in ziemlicher Entfernung, sogar in ziemlicher Entfernung von der Staffelei! Ein Flaneur, ein Beobachter. Immer mit Pfeife, die ihn wohl das kurze Leben kostete. Er muss ein strenger Mann gewesen sein, ein Militär aus Pragmatism­us, ein institutio­neller Visionär, ein fantastisc­her, ein wagemutige­r Maler. Diese Ausstellun­g wird ihm in vielem gerecht.

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[ Belvedere] „Paris bei Nacht mit Eiffelturm“, 1889.

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