„Ich musste keine Nische suchen“
Theater. Bettina Hering, die scheidende Intendantin am Landestheater Niederösterreich, über die Fülle der Erfahrung an einem kompakten Haus und die Herausforderung Salzburg.
Die Presse: Noch leiten Sie das Landestheater Niederösterreich, zugleich bereiten Sie sich aber längst auf die Saison 2017 bei den Salzburger Festspielen vor. Wie bringt man so etwas auf die Reihe? Bettina Hering: Man kann immer nur eines nach dem anderen machen. Ich durchlebe gerade aufregende Zeiten, da müssen die Termine genau strukturiert sein.
Wie verläuft die Übergabe an Ihre Nachfolgerin, Marie Rötzer, am Landestheater? Harmonisch. Es ist ein guter, reibungsloser Übergang. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man bei so einem Haus sofort loslegen muss. Ich hatte knapp ein Jahr Zeit für die Vorbereitung. Das braucht einen strammen Plan. Ich wollte mich bei meiner Nachfolgerin nicht aufdrängen, stand aber für alles bereit. Inzwischen haben wir einige lange Gespräche geführt. Nun ist sie nonstop mit ihrem Programm beschäftigt, deshalb treffen wir uns neuerdings nur noch partiell.
Was wird sich ändern in Sankt Pölten? Es wird Kontinuität geben, aber auch Neuerungen. Einige junge Schauspieler, die mit mir gekommen sind, werden wohl gehen, etwas Neues suchen, das entspricht den ganz normalen Abläufen im Theater. Ich habe ihnen viel Verantwortung übergeben, sie haben, große, kleine und mittlere Rollen gespielt, eine Fülle. Diese Erfahrung kann ihnen keiner mehr nehmen. Das ist heute wichtig, die Situation für Schauspieler ist tendenziell schwieriger geworden. Fixe Plätze in Ensembles sind im gesamten deutschsprachigen Raum viel weniger geworden, von den Schauspielschulen kommen aber mindestens so viele Absolventen wie bisher. Man kann die Jungen nur ermuntern, sich nicht einschüchtern zu lassen.
Was waren hier am Landestheater die positiven Überraschungen für Sie? Es ist ein kompaktes Haus mittlerer Größe, die Wege sind kurz, gut fürs Kommunizieren. Weil alles abgedeckt wird, musste ich keine Nische suchen. Stolz bin ich auf die Einführung des Bürgertheaters. Dieser direkte Kontakt, die Einbeziehung des Lokalen, ist sehr gut angenommen worden. Für mich war es eine absolut positive Erfahrung, die auch mit einem Nestroy-Preis gekrönt wurde. Das Publikum bei uns ist angenehm gemischt, es gibt kaum Schwellenängste. Ich erinnere mich an viele wunderbare Momente, Aufmunterungen in Briefen, schöne Begegnungen. Über „Mamma Medea“zum Beispiel wurde viel und erregt diskutiert, genauso über „Meine Mutter, Kleopatra“in der Regie von Robert´ Alföldi. Viele Inszenierungen haben großes Interesse hervorgerufen, medial wie im Publikum, haben den Diskurs angeregt. „Acht Frauen“mit Ulrike Folkerts war ein echter Renner, auch das ist schön.
Mussten Sie es sich lang überlegen, zu den Festspielen nach Salzburg zu gehen? Die Genese war tatsächlich eine längere. Der künftige Salzburger Festspielintendant, Markus Hinterhäuser, hat mich angesprochen, es folgte eine Reihe längerer Gespräche. Wir haben sondiert, wo wir künstlerisch stehen, wie wir arbeiten wollen. Da blieb mir genug Zeit, um zu überlegen. Natürlich ist es ein Geschenk, die Leitung des Schauspiels der Salzburger Festspiele zu übernehmen. Ausschlaggebend war für mich, dass Hinterhäuser und ich gut zusammenarbeiten können. Wir wollen inhaltlich mehr zusammendenken, im Schauspiel wie auch in der Oper.
Der Anspruch ist vor allem in Salzburg der allerhöchste. Wie erfüllt man den? Und wo haben Sie ihn im Landestheater gesucht und gefunden? Es geht immer um künstlerisch hohe Qualität, das gilt auch für das Landestheater. Da muss man ebenfalls nach Neuem suchen. Ich habe eine Reihe junger, vielversprechender Regisseurinnen und Regisseure beschäftigt – Cilli Drexel, Ana Zirner, Katrin Plötner, Philipp Hauß, Alexander Charim und viele an- dere. Interessante Gäste konnten eine gute Chemie erzeugen. Die Ansprüche in Salzburg sind sehr hoch, aber es muss einem bewusst sein, dass man dort nur ein Kuchenstück zeigen kann und nicht eine ganze Saison bestreitet. Es wird immer etwas fehlen. Auf jeden Fall will ich versuchen, Exemplarisches zustande zu bringen, das Theater soll in seinen unterschiedlichen Ausdrucksformen auf der Bühne stattfinden. Für den Erfolg gibt es keine Zauberformel. Eine Intendanz muss Verstand und Intuition walten lassen. Wir haben auch sehr lange Vorlaufzeiten. Festivals sind nicht sehr flexible Gebilde.
Wollen Sie in Salzburg auch Regie führen? Nein. Schon hier im Landestheater habe ich dabei Grenzen gezogen. Ich halte mich für eine gute Hausregisseurin, habe das auch gern gemacht und bin fröhlich bei den Proben dabei. Aber ich kann mich zudem sehr gut einschätzen und bleibe deshalb sehr gern in der zweiten Reihe.
geboren 1960 in Zürich, hat seit 2012 das Landestheater Niederösterreich geleitet. Demnächst verantwortet sie als Schauspiel-Chefin der Salzburger Festspiele diese Programmsparte, ab der Saison 2017. Hering hat in Zürich Germanistik, Philosophie und Psychologische Anthropologie studiert, sie war ab 1991 vor allem als freischaffende Dramaturgin und Regisseurin tätig. Ihr Vertrag in Salzburg läuft vorerst für fünf Jahre.