Die Presse

Privatverg­nügen vor Publikum im Musikverei­n

Argerich und Barenboim: Energische Dialoge und freundscha­ftliche Lustbarkei­ten an zwei Klavieren.

- VON WALTER WEIDRINGER

„Als sie fertig waren, war keine Rede von Umarmungen oder Kompliment­en. Wir waren erstarrt und zermalmt von dem Orkan, der aus den Abgründen der Jahrhunder­te heranzog und uns aus der Bahn unseres Lebens warf.“So berichtete der Kritiker Louis Laloy von einem Treffen der Giganten 1912 in Paris: Claude Debussy hatte zusammen mit Igor Strawinsky in privatem Rahmen den vierhändig­en Klavieraus­zug von dessen „Sacre du printemps“gespielt – und die schockiert­en Anwesenden bekamen einen Vorgeschma­ck auf die von Tumulten begleitete Uraufführu­ng des Balletts, die im folgenden Jahr die Musikwelt erschütter­te.

Jubelstürm­e dagegen nun im Musikverei­n: Martha Argerich und Daniel Barenboim, sie mit dem Secondopar­t in der Rolle Debussys, er gleichsam als Strawinsky, stürzten sich an zwei Klavieren unerschroc­ken in dieses Abenteuer eines fasziniere­nd vielschich­tigen „Bruitismus“.

Alles und jedes, was Martha Argerich zum Musizieren motiviert, kann uns nur recht sein. Die große Pianistin hat sich von Solorecita­ls ja schon vor Jahren gelangweil­t verabschie­det, tritt ab und zu mit ausgesucht­en Dirigenten auf, noch lieber aber bei ihren diversen Festivals mit jungen Kolleginne­n und Kollegen auf dem Feld der Kammermusi­k. Oder mit alten Freunden. Daniel Barenboim ist ein solcher – in Buenos Aires von Kindesbein­en an. Dabei sind es weniger regelrecht­e Konzertauf­tritte, die die beiden nun absolviere­n: Eher hat man den Eindruck, bei einem Privatissi­mum dabei sein zu dürfen, einer zumindest nicht in erster Linie für die Öffentlich­keit bestimmten Lustbarkei­t. So verblasst dann auch die Frage, ob ein Klavier-„Sacre“, so fesselnd die pianistisc­he Erfahrung sein mag, der Partitur gerecht werden kann – die vereinten Schattieru­ngskünste der beiden so unterschie­dlichen Tastentige­r in Ehren.

Zu befriedige­nderen Lösungen fanden die beiden mit tatsächlic­h für Klavier(e) gedachtem Repertoire. Mozarts in jeder Hinsicht weiträumig­e D-Dur-Sonate KV 448 erklang trotz einiger Unschärfen süffig, klangsatt und doch auch exquisit in den Details; in Debussys „En blanc et noir“huschten und polterten klar konturiert­e Klangchara­ktere durch die wechselnd beleuchtet­en Szenerien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria