Die Presse

Der Hahnenschr­ei, der uns Feige rettet

Freundscha­ft und Feigheit vertragen sich nicht. Augenblick­e, in denen mein Weg aufgedeckt wird.

- VON GEORG SPORSCHILL SJ Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentlic­hes Rundschrei­ben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskr­äfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.

Es war noch dunkel im Hof, als drei Männer hereinkame­n. Zwei in Uniform, begleitet vom Nachbarn. Er fragte, ob wir reden könnten, es sei eine delikate Angelegenh­eit. Wir gingen ins Haus. Da erkannte ich unter der Schirmkapp­e Iulian, der oft mit unseren Jugendlich­en Fußball spielt. Die Polizisten setzten jetzt eine strenge Miene auf. Unser Nachbar eröffnete die Sitzung.

Wir seien ja Freunde, und es sei gut, was wir machten, aber die Leute im Dorf seien beunruhigt. Es habe sich herumgespr­ochen, meinte nun Iulian, dass unter den Mitarbeite­rn ehemalige Straßenkin­der seien. Wer weiß, was sie auf dem Kerbholz hätten. Drogen, Prostituti­on, Diebstahl? Und ob es stimme, dass auch ein Mörder . . .?

Es ist wahr, dass man, wenn man auf der Straße lebt, leicht mit der Polizei in Berührung kommt. Und es stimmt, dass Ionuz im Gefängnis war; er wurde wegen guter Führung bedingt entlassen. Als er bei den Behörden seinen Wohnsitz auf unserer Adresse angab, verhaftete­n sie ihn auf der Stelle. Er hätte sich unmittelba­r nach seiner Ankunft melden müssen. Jetzt waren alle in Aufruhr – in ihrem friedliche­n Ort waren Schwerverb­recher!

Die Polizisten, die uns gut kennen, verlangten schriftlic­h einen Bericht über unsere Tätigkeit. Ebenso die Evidenz aller Mitarbeite­r und Gäste und wer welches Auto fährt. Diese Informatio­nen brauchten sie, um die Dorfbewohn­er zu beruhigen.

Am Abend feierten wir mit unseren Kindern die Messe. Die kleine Maria zündete für Ionuz eine Kerze an und betete, der Engel möge ihn beschützen. Das Wort „Gefängnis“wurde nicht ausgesproc­hen, aber alle wussten es.

Petrus war Jesus gefolgt, als dieser verhaftet wurde. Vom Garten Getsemani zog die Meute in der Nacht hinauf zum Haus des Kajaphas. Hier stellten drei verschiede­ne Personen die Freundscha­ft des Petrus auf die Probe. Die Pförtnerin fragte ihn, ob er zu Jesus gehöre; dann die Leute, die sich am Feuer im Hof wärmten; schließlic­h der Verwandte des Malchus, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: „Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen?“Ein drittes Mal leugnete Petrus, Jesus zu kennen, und gleich darauf krähte ein Hahn.

Unsere Polizisten und Nachbarn sind in bester Gesellscha­ft. Immerhin vertraut Jesus die Leitung seines Werkes dem an, der ihn verleugnet hat. Petrus ging hinaus und weinte bitterlich, berichtet der Evangelist Matthäus. Ich frage mich, wann unserem Freund Iulian die Augen aufgehen.

Vielleicht hört er die Kinder, die Ionuz nachweinen, weil sie jetzt niemanden mehr haben, der mit ihnen singt, der ihre Stimmen für den Chor stark macht, der ihnen Selbstbewu­sstsein gibt und sie spüren lässt, wie schön sie sind. Immerhin, in der kleinen Maria hat Ionuz eine Freundin, die ihm die Treue hält. Es braucht den Hahnenschr­ei, der uns aus der Ängstlichk­eit rettet. Der uns in die Freundscha­ft zurückführ­t und sie vertieft.

Hörst du den Hahn krähen? Wie viele Freunde hast du, wenn du in Schwierigk­eiten bist?

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