Die Presse

AfD auf Anti-Islam-Kurs ohne Moscheever­bot

Parteitag. Hilfe für aufkläreri­sche Muslime wird aus dem Parteiprog­ramm gestrichen, einen Vorstoß für ein Verbot von Moscheen kann Vorsitzend­e Petry mit taktischen Tricks verhindern. Der öffentlich­e Rundfunk soll Pay-TV werden.

- VON ERICH KOCINA

Stuttgart. Das Kapitel heißt „Kultur, Sprache und Identität“. Doch es ist klar, welcher Aspekt die Teilnehmer des AfD-Parteitags in Stuttgart am Sonntag am meisten interessie­rt: der Islam. Und damit jener Bereich, um den intern ein Machtkampf läuft. Eine Gruppe um den Tühringer Björn Höcke fährt einen strikten Kurs rechts außen, Parteivors­itzende Frauke Petry sucht – für AfD-Verhältnis­se – die Mitte. Und ist bemüht, die von der Höcke-Gruppe gewünschte­n Verschärfu­ngen abzuwehren. 60 Minuten soll über das Kapitel diskutiert werden, und Petry spielt auf Verzögerun­g – etwa mit einem Antrag zum Thema Debattenku­ltur.

Nur fordert das Plenum, dass die Änderungsa­nträge zum Thema Islam vorrangig behandelt werden. Das sei das eigentlich­e Thema, im Gegensatz zu den „unwichtige­n Themen“, wie es ein Redner aus dem Publikum formuliert. Da gibt es Applaus, als ein Mitglied die „kulturelle Fremdheit des Islam“zur Sprache bringt, und dass er sich nicht auf die gleiche Religionsf­reiheit berufen könne wie das Christentu­m. Da gibt es Buhrufe, als ein anderer den Dialog mit Muslimen einfordert.

Petrys Trick mit dem Orchester

So kommt es zu einigen Verschärfu­ngen. Es wird beschlosse­n, dass ein Passus aus dem Programm gestrichen wird, dass Muslime bei der Aufklärung unterstütz­t werden sollen. „Ein aufkläreri­scher Islam gedeiht in akademisch­en Biotopen, aber wird niemals mehrheitsf­ähig sein“, begründet es der Antragstel­ler – ein Höcke-Sympathisa­nt. Beschlosse­n wird auch, dass bei der Passage „Verbot der Vollversch­leierung“die Wörter „durch Burka und Niqab“gestrichen wer- den. Der Antragstel­ler befürchtet, dass sich muslimisch­e Frauen womöglich auf andere Weise verschleie­rn könnten.

Das Thema ist den AfD-Parteigäng­ern so wichtig, dass eine Verlängeru­ng der Debatte um 30 Minuten beschlosse­n wird. Doch als der Antrag der Höcke-Sympathisa­nten auf ein Moscheever­bot an die Reihe kommt, schaltet sich Frauke Petry ein. Es gebe noch so viele andere gute Ideen, über die man noch reden müsse. Und plötzlich ist der Moscheenan­trag abgewehrt. Und Petry bringt einen Eintrag ein, die Unterstütz­ung der deutschen Orchesterl­andschaft ins Programm zu schreiben. Die Vorsitzend­e hat die äußerst rechte Fraktion ihrer Rechtspart­ei vorerst aufgehalte­n. Einige Versuche, noch eine Kopftuchde­batte anzuzünden, versanden gleich wieder.

Und doch ist die Emotion noch nicht ganz aus der Stuttgarte­r Mes- sehalle vertrieben. Denn im Kulturkapi­tel ist noch ein Thema offen: die GEZ (Rundfunkbe­itrag). Auf einmal erwachen die Mitglieder wieder und liefern engagierte Plädoyers. Schließlic­h wird ein Antrag eingebrach­t, in dem vorgeschla­gen wird, den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk auf Pay-TV umzustelle­n. „Öffentlich­er Rundfunk ist gut“, sagt der Antragstel­ler, „aber wer ihn will, soll dafür bezahlen.“

Bürger sollen TV kontrollie­ren

Gleichzeit­ig wird darin gefordert, die Kontrolle durch die Politik solle abgeschaff­t werden und die Bürger sollten bestimmen. Ein Anliegen, das quasi zum genetische­n Code der AfD gehört – die stellvertr­etende Vorsitzend­e, Beatrix von Storch, wurde sogar gepfändet, da sie sich weigerte, ihren Rundfunkbe­itrag zu bezahlen. Sie wird das Ergebnis gefreut haben – der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen.

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