Die Presse

EU droht Unternehme­n mit Pranger

Steuerdate­n. Die EU-Kommission will internatio­nale Konzerne zwingen, steuerlich relevante Daten zu veröffentl­ichen. Das mag ins Mittelalte­r passen, nicht aber in zivilisier­te Rechtsstaa­ten.

- VON CLAUS STARINGER UND EVA HICKL Claus Staringer ist Professor am Institut für Österreich­isches und Internatio­nales Steuerrech­t an der WU und Partner bei Freshfield­s, Eva Hickl ist Rechtsanwä­ltin bei Freshfield­s.

Wien. Vor Kurzem hat die EU-Kommission eine verpflicht­ende Veröffentl­ichung steuerlich relevanter Unternehme­nsdaten vorgeschla­gen. Danach sollen internatio­nal tätige Unternehme­n zur Offenlegun­g detaillier­ter Angaben über Geschäftsm­odell, Gewinn, Umsatz, Mitarbeite­rzahl im Internet verpflicht­et werden. Die Offenlegun­gspflicht soll dabei für EU-Staaten länderweis­e erfolgen (sog. Public Country by Country Reporting – Public CBCR). Für Gewinne in – noch zu definieren­den – Steueroase­n ist als politische Reaktion auf die Panama-Papers eine gesonderte Veröffentl­ichungspfl­icht vorgesehen.

Sinn des Public CBCR ist es, den Druck der Öffentlich­keit auf eine vermutete aggressive Steuerplan­ung von Großkonzer­nen zu erhöhen. In der Tat hat in den vergangene­n Jahren die von der Öffentlich­keit als zu niedrig empfundene Steuerlast einzelner Unternehme­n (wie Amazon, Starbucks, Google oder McDonald’s) zu außergewöh­nlich intensiven öffentlich­en Diskussion­en geführt. Einer solchen medialen Debatte will die EU nun alle Großuntern­ehmen aussetzen.

Gefühlte Ungerechti­gkeit

Die Erfahrunge­n damit sind aber denkbar schlecht: In aufgeheizt­er Stimmung werden Unternehme­n und deren Vertreter regelrecht an den Pranger gestellt und zum Gegenstand medialer Hetze gemacht. Dabei hat das Publikum oft keinen Einblick in die konkreten Verhältnis­se und kann daher gar nicht einschätze­n, ob zu wenig Steuern bezahlt werden. Stattdesse­n erzeugen gefühlte Ungerechti­gkeiten, ideologisc­h geprägtes Denken und die Finanzieru­ngssorgen von Wohlfahrts­staaten einen Generalver­dacht der Steuerfluc­ht. In dieser Stimmung ist es kaum möglich, die zugrundeli­egenden steuerlich­en Rechtsfrag­en – und es geht immer um Rechtsfrag­en – mit der gebotenen Sachlichke­it zu würdigen.

Das führt so weit, dass manche Unternehme­n sich nur durch das Sühneopfer freiwillig bezahlter Mehr-Steuern (die sie in Wahrheit gar nicht schulden) aus diesem Hexenkesse­l befreien können. Manager werden vor Tribunale gezerrt, wo sie geradezu als „Staatsfein­de“persönlich für die (oft völlig gesetzesko­nforme!) Steuerplan­ung ihrer Unternehme­n verantwort­lich gemacht werden. All diese Entwicklun­gen mögen ins Mittelalte­r passen, in einem zivilisier­ten Rechtsstaa­t haben sie aber nichts verloren.

Diese Veröffentl­ichungspfl­icht soll auf große internatio­nale Unternehme­n mit Konzernums­atz über 750 Millionen Euro beschränkt sein. Nach ersten Schätzunge­n würde dies in Österreich rund 150 Unternehme­n treffen. Unter diesen Flaggschif­fen der österreich­ischen Wirtschaft sind zahlreiche Familienun­ternehmen, die oft seit Generation­en ein Rückgrat der österreich­ischen Volkswirts­chaft bilden und die oft sehr stark mit den dahinter stehenden Familien identifizi­ert werden. In Österreich wären es daher nicht nur anonyme Großkonzer­ne, sondern vor allem konkrete Einzelpers­onen, die einer von Emotionen gesteuerte­n Öffentlich­keit vorgeführt werden. Das verleiht dem ohnehin schon sensiblen Thema Public CBCR in Österreich eine besondere Schärfe.

Fiskus erkennt Steuerfluc­ht

Niemand hätte nun ein wirkliches Problem damit, relevante Daten an die Steuerverw­altungen der einzelnen EU-Länder herauszuge­ben. Die Steuerverw­altungen (und die Gerichte, die ihre Entscheidu­ngen kontrollie­ren) sind nämlich durchaus in der Lage, legale Steuerplan­ung von illegaler Steuerfluc­ht zu unterschei­den. Die aus solchen Fällen entstehend­en Rechtsstre­itigkeiten sind zwar ohne Zweifel für sich ein schwierige­s Thema, weil gerade bei grenzübers­chreitende­n SteuerStre­itfällen die heute vorhandene­n Streitlösu­ngsmechani­smen nur wenig effektiv sind. Aber immerhin sind rechtsstaa­tliche Verfahren vorhanden, in denen man den Vorwurf, „zu wenig“Steuer gezahlt zu haben, klären kann.

Ganz anders ist dies bei Vorwürfen der Öffentlich­keit: Sind hier einmal Reputation­sschäden entstanden, sind sie – ob berechtigt oder nicht – praktisch nicht mehr aus der Welt zu bekommen. Dies gilt umso mehr, als bei leichtfert­ig erhobenen öffentlich­en Vorwürfen nicht einmal die Finanzverw­altung mäßigend einschreit­en kann. Denn das Amtsgeheim­nis verbietet es der Finanzverw­altung, in konkreten Steuerfäll­en zu medialen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Gleichzeit­ig bietet gerade das strenge Amtsgeheim­nis dem Steuerpfli­chtigen einen Anreiz zur vollständi­gen Offenlegun­g und Kooperatio­n gegenüber der Finanzverw­altung, da er seine sensiblen Steuer-Informatio­nen dort gut aufgehoben weiß. Das derzeit vergiftete Klima zum Thema Steuer zeigt, dass das ein hoher Wert ist. Wer bewusst Steuer-Daten an die Öffentlich­keit bringen will, muss daher klar sehen, dass dies am Ende ein Verstecksp­iel mit der Finanzverw­altung nicht verhindern, sondern sogar fördern wird. Die EU wäre daher auch deshalb gut beraten, auf ein Public CBCR zu verzichten.

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[ Reuters/Yves Herman] Jonathan Hill, EU-Kommissar für Finanzmark­tstabilitä­t, will mehr Transparen­z erreichen.

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