„Brexit wird uns stärken, andere Nationen werden uns rasch
Interview. Der ehemalige Tory-Parteichef Iain Duncan Smith sieht für sein Land eine glorreiche Zukunft außerhalb der EU. Warnungen vor wirtschaftlichen Einbußen oder gar einer Abtrennung der europafreundlichen Schotten lässt er nicht gelten.
Die Presse: Warum treten Sie für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ein? Iain Duncan Smith: Es ist Zeit für uns, auszutreten und die Kontrolle über unsere Grenzen, über unser Geld und unsere Gesetze zurückzubekommen. Die Europäische Union entwickelt sich in die falsche Richtung, und das ganze Konzept muss überdacht werden.
Es gibt zahllose Warnungen vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit – vor weniger Wachstum und Währungsturbulenzen. Zählen die für Sie nicht? Ich glaube, die wirtschaftlichen Folgen werden positiv sein. Ich bin sicher, wenn wir wieder Kontrolle über unser Schicksal haben, wird es uns sehr gut gehen. Die überwiegende Mehrheit der Experten plädiert für den Verbleib in der EU. Das sind dieselben Leute, die uns in den Europäischen Wechselkursmechanismus geführt haben – ein Desaster; die uns in den Euro führen wollten – ein Desaster und die 2008 die globale Finanzkrise nicht gesehen haben. All diese großen Experten können nicht einmal zwei Monate richtig voraussagen. Die Wahrheit ist: Die Wirtschaft ist genau so stark und gut, wie wir sie machen, nicht was irgendjemand sagt.
Würden Sie nach einem Brexit im Land befindliche Ausländer ausweisen? Für jene, die schon heute in Großbritannien sind, würde sich nichts ändern. Der Kernpunkt ist, wir wollen unsere Grenzen wieder kontrollieren und entscheiden, wen wird brauchen. Leute, für die es Arbeit gibt, sind willkommen. Aber wir wollen auswählen, wen wir brauchen und wie viele kommen können. Warum sagen Sie, dass Großbritannien keine Kontrolle über seine Grenzen hat, obwohl das Land nicht Schengen-Mitglied ist? Wir haben eine offene Grenze mit Europa, und das hat jede Menge Probleme verursacht. Jeder europäische Bürger kann zu uns kommen, das kann so nicht weitergehen.
Wie haben Sie in der Volksabstimmung 1975 votiert? Ich stimmte für den Beitritt zu einer Wirtschaftsgemeinschaft, nicht für eine politische Union. Wir wollen unsere Demokratie zurück und nicht von einer Gruppe nicht gewählter Bürokraten regiert werden. Ich habe kein Problem damit, wenn andere an eine politische Union glauben. Aber wer nicht daran glaubt, soll gehen dürfen.
Haben Sie Sorge, dass der Brexit zu einem Zerfall des Vereinigten Königreichs führen wird? In Schottland spricht man für den Fall eines Austritts sehr deutlich von einem neuen Unabhängigkeitsreferendum. Im Gegenteil, der EU-Austritt wird Großbritannien stärken. Schottland wird nicht gehen. Das Lager der EU-Gegner sieht in der Mitgliedschaft in der Union eine ernste Einschränkung der Souveränität Großbritanniens. Dieselben Menschen haben aber überhaupt kein Problem mit Artikel 5 des Nato-Vertrags, in dem Sie sich sogar verpflichten, für ein anderes Land in den Krieg zu ziehen. Großbritannien bleibt vollkommen souverän. Wir haben freiwillig versprochen, den anderen Staaten der Nato in ihrer Verteidigung beizustehen. Das ist vernünftig und nobel. Was wir nicht in der Nato haben, ist eine legislative und bürokratische
war bis März britischer Sozialminister, als er unter Protest gegen Budgetkürzungen die Regierung Cameron verließ und mit fliegenden Fahnen ins Lager der EU-Gegner überlief. Mit Boris Johnson und Justizminister Michael Gove steht der ehemalige glücklose Parteichef der Konservativen (2001–2003) nun an der Spitze der Austrittsbefürworter.