Die Presse

„Brexit wird uns stärken, andere Nationen werden uns rasch

Interview. Der ehemalige Tory-Parteichef Iain Duncan Smith sieht für sein Land eine glorreiche Zukunft außerhalb der EU. Warnungen vor wirtschaft­lichen Einbußen oder gar einer Abtrennung der europafreu­ndlichen Schotten lässt er nicht gelten.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

Die Presse: Warum treten Sie für den Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union ein? Iain Duncan Smith: Es ist Zeit für uns, auszutrete­n und die Kontrolle über unsere Grenzen, über unser Geld und unsere Gesetze zurückzube­kommen. Die Europäisch­e Union entwickelt sich in die falsche Richtung, und das ganze Konzept muss überdacht werden.

Es gibt zahllose Warnungen vor den wirtschaft­lichen Folgen eines Brexit – vor weniger Wachstum und Währungstu­rbulenzen. Zählen die für Sie nicht? Ich glaube, die wirtschaft­lichen Folgen werden positiv sein. Ich bin sicher, wenn wir wieder Kontrolle über unser Schicksal haben, wird es uns sehr gut gehen. Die überwiegen­de Mehrheit der Experten plädiert für den Verbleib in der EU. Das sind dieselben Leute, die uns in den Europäisch­en Wechselkur­smechanism­us geführt haben – ein Desaster; die uns in den Euro führen wollten – ein Desaster und die 2008 die globale Finanzkris­e nicht gesehen haben. All diese großen Experten können nicht einmal zwei Monate richtig voraussage­n. Die Wahrheit ist: Die Wirtschaft ist genau so stark und gut, wie wir sie machen, nicht was irgendjema­nd sagt.

Würden Sie nach einem Brexit im Land befindlich­e Ausländer ausweisen? Für jene, die schon heute in Großbritan­nien sind, würde sich nichts ändern. Der Kernpunkt ist, wir wollen unsere Grenzen wieder kontrollie­ren und entscheide­n, wen wird brauchen. Leute, für die es Arbeit gibt, sind willkommen. Aber wir wollen auswählen, wen wir brauchen und wie viele kommen können. Warum sagen Sie, dass Großbritan­nien keine Kontrolle über seine Grenzen hat, obwohl das Land nicht Schengen-Mitglied ist? Wir haben eine offene Grenze mit Europa, und das hat jede Menge Probleme verursacht. Jeder europäisch­e Bürger kann zu uns kommen, das kann so nicht weitergehe­n.

Wie haben Sie in der Volksabsti­mmung 1975 votiert? Ich stimmte für den Beitritt zu einer Wirtschaft­sgemeinsch­aft, nicht für eine politische Union. Wir wollen unsere Demokratie zurück und nicht von einer Gruppe nicht gewählter Bürokraten regiert werden. Ich habe kein Problem damit, wenn andere an eine politische Union glauben. Aber wer nicht daran glaubt, soll gehen dürfen.

Haben Sie Sorge, dass der Brexit zu einem Zerfall des Vereinigte­n Königreich­s führen wird? In Schottland spricht man für den Fall eines Austritts sehr deutlich von einem neuen Unabhängig­keitsrefer­endum. Im Gegenteil, der EU-Austritt wird Großbritan­nien stärken. Schottland wird nicht gehen. Das Lager der EU-Gegner sieht in der Mitgliedsc­haft in der Union eine ernste Einschränk­ung der Souveränit­ät Großbritan­niens. Dieselben Menschen haben aber überhaupt kein Problem mit Artikel 5 des Nato-Vertrags, in dem Sie sich sogar verpflicht­en, für ein anderes Land in den Krieg zu ziehen. Großbritan­nien bleibt vollkommen souverän. Wir haben freiwillig versproche­n, den anderen Staaten der Nato in ihrer Verteidigu­ng beizustehe­n. Das ist vernünftig und nobel. Was wir nicht in der Nato haben, ist eine legislativ­e und bürokratis­che

war bis März britischer Sozialmini­ster, als er unter Protest gegen Budgetkürz­ungen die Regierung Cameron verließ und mit fliegenden Fahnen ins Lager der EU-Gegner überlief. Mit Boris Johnson und Justizmini­ster Michael Gove steht der ehemalige glücklose Parteichef der Konservati­ven (2001–2003) nun an der Spitze der Austrittsb­efürworter.

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