Die Presse

„Die Seelen der Toten spr

Reportage. Barack Obama ehrte als erster US-Präsident die Opfer des U entschuldi­gte er sich nicht. Viele Japaner – und auch Überlebend­e des Nu

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Stecknadel­stille: Nur das Klicken von Hunderten Kameras ist in dem weiten Areal des Friedenspa­rkes von Hiroshima zu hören. Gefasst tritt Barack Obama an das Zenotaph, das leere Grabmal mit dem weltbekann­ten Satteldach, das den mehr als 200.000 Opfern des ersten Atombomben­abwurfes der Menschheit­sgeschicht­e gewidmet ist. Am Mahnmal mit der Inschrift „Ruhet in Frieden. Dieser Fehler wird sich nie wiederhole­n“, legt der US-Präsident einen Kranz mit weißen Blumen nieder. Er schließt die Augen. Kurz darauf befestigt sein Begleiter, Japans Premier Shinzo¯ Abe, einen Blumenkran­z. Obama verharrt wie versteiner­t, Abe verbeugt sich tief.

„Der Tod kam vom Himmel“

Auf diesen Moment haben viele Japaner gewartet. Obama ist der erste amtierende USPräsiden­t, der Hiroshima besucht. Es ist ein hoch symbolisch­es, emotionale­s Ereignis, das am Freitagnac­hmittag stattfand: 71 Jahre, nachdem an „einem sonnigen, wolkenfrei­en Morgen“– wie Obama erinnerte – die erste Atombombe detonierte. „Die Seelen der To- ten sprechen zu uns“, sagt Obama in seiner Rede. Der Tod sei vom Himmel gekommen und die Welt nicht mehr dieselbe gewesen. „Wir gedenken aller Unschuldig­en, die während dieses Krieges ums Leben gekommen sind.“Die Welt trage Verantwort­ung, dass solches Leid nie wieder geschehe. Staaten mit Atomwaffen müssten den Mut aufbringen, der Logik der Furcht zu entkommen und eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen.

Die Menschen im Friedenspa­rk hören diese Botschaft, aber tief berührt sie das nicht. Obama bleibt in dieser unverbindl­ichen Tonlage. „Wir mögen dieses Ziel in meiner Lebenszeit nicht erreichen, aber mit anhaltende­n Bemühungen können wir die Möglichkei­t einer Katastroph­e verhindern.“Abe stimmt dem zu und wirkt erleichter­t. Nichts wurde gesagt, was die Beziehunge­n der ExKriegsge­gner belasten könnte. Tokio wusste, dass mehr nicht zu erwarten war. Dennoch: „Wir schlagen eine neue Seite auf.“Obama habe mit seinem Besuch „eine schwierige, aber wundervoll­e Entscheidu­ng getroffen“.

Im Anschluss an die Reden sprach Obama kurz mit Überlebend­en der Atombomben­abwürfe. Ein alter Mann beginnt zu weinen, als der Präsident ihn anspricht.

Obama hatte von vornherein klargestel­lt, dass er sich für den ersten Einsatz von Atombomben in der Menschheit­sgeschicht­e, den ein Vorgänger von ihm beschlosse­n habe, nicht entschuldi­gen würde. Japans Politiker und selbst viele Opfer nahmen das in Kauf, um diesen Besuch überhaupt zu ermögliche­n. Dieser lange, aus japanische­r Sicht überfällig­e Schritt hat die Debatte über Moral und Notwendigk­eit der Atombombe dennoch neu entfacht: Waren die Atomangrif­fe auf Hiroshima und Nagasaki wirklich notwen-

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Historisch­er Moment im Friedenspa­rk von Hiroshima: Als erster US-Präsident ehrte Barack Obama (r.) zusammen mit Japans Prem

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