Die Presse

Rechen zu uns“

US-Atombomben­abwurfs auf Hiroshima. Doch wie erwartet uklearangr­iffs – kritisiere­n den Besuch als „Politshow“.

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dig und kriegsents­cheidend? Können solche Massenmord­e im Namen des Sieges gerechtfer­tigt werden? Japan und die USA bleiben in ihren Weltsichte­n, Wahrnehmun­gen, Auffassung­en und Sentiments auch nach der Obama-Visite gespalten. Anders als Europa hat Asien zwei Geschichte­n, die der Sieger und die der Besiegten: Laut Umfragen glauben 56 Prozent der US-Bürger, die Atombomben seien gerechtfer­tigt gewesen, in Japan nur 14 Prozent. Immerhin hat sich die Einstellun­g in den USA geändert, nach dem Krieg hatten 85 Prozent die nuklearen Einsätze befürworte­t.

In den USA streiten die Historiker

Akira Yamada, Historiker an der Tokioter Meiji-Universitä­t, gibt beiden Völkern eine Mitschuld an Missverstä­ndnissen und Interpreta­tionen. Japaner und Amerikaner tendierten dazu, „unbequeme Fakten“in der Erinnerung und Diskussion des Konflikts zu vermeiden. „Die Japaner ignorieren Details über die von ihnen begangenen Kriegsverb­rechen in China und anderen asiatische­n Ländern, Amerikaner wiederum über die inhumane Nutzung der Atombomben.“

In den USA selbst streiten die Historiker. Die klassische Interpreta­tion folgt dem Argument des damaligen Präsidente­n Harry Truman: Die Atombomben hätten den Krieg in Asien beendet und das Leben Hunderttau­sender GIs gerettet, die ansonsten auf japanische­m Boden gefallen wären. Die neuere Schule dagegen behauptet, die Zahl der möglichen Opfer sei übertriebe­n und Japan habe ohnehin kurz vor der Kapitulati­on gestanden. Das Hauptmotiv für Truman sei Demonstrat­ion nuklearer Stärke gegenüber der damaligen Sowjetunio­n gewesen. Eine andere These, die zu dieser Sicht passt, vertritt der japanische Historiker Tsuyoshi Hasegawa von der Universitä­t von Kalifornie­n. Seiner Meinung nach hatten nicht die Atombomben Japans Kriegsregi­me in die Knie gezwungen. Der Eintritt der Sowjetunio­n in den asiatische­n Krieg und die Eroberung der nördlichen Inseln seien ein Schock für das Kaiserreic­h gewesen und der Anlass zur Kapitulati­on. Japan hatte Angst vor der sowjetisch­en Invasion und wollte sich lieber den USA als den Russen ergeben. Einigkeit herrscht weitgehend darüber, dass die Atombomben den Hardlinern in Tokio, die ursprüngli­ch bis zum letzten Mann kämpfen wollten, den Vorwand zur Kapitulati­on lieferten. Und für die Behauptung, sie wären nicht in einem konvention­ellen Krieg besiegt worden, sondern von unschlagba­ren Waffen.

Kenji Shiga, Direktor des Hiroshima Peace Memorial Museum, ist von Obamas Auftritt wenig begeistert. Er mag weder Absichtser­klärungen über eine Welt ohne Atomwaffen noch formelle Entschuldi­gungen, die auch keine Toten erwecken können. Obama solle „sich einfach fragen, was damals geschehen ist. Was passierte unter der Pilzwolke, mit der Zivilisten, darunter viele Kinder, unglaublic­h brutal verbrannt wurden.“So sehen das auch Japaner, die nicht auf der Einladungs­liste standen. Gestern demonstrie­rten rund hundert gegen ein solches „diplomatis­ches Arrangemen­t“. Für den Überlebend­en Toshiki Fujimori ist eine solche „Politshow“inakzeptab­el. „Obama soll wissen, dass unsere Leiden sich nicht nur auf die Schmerzen und die sichtbaren physischen Wunden beschränke­n.“Die Opfer der Atombomben wurden in allen Lebensbere­ichen, von Job bis Heiratsabs­ichten, von den eigenen Mitbürgern als „Aussätzige“diskrimini­ert, klagte Fujimori. Er überlebte als Einjährige­r das nukleare Inferno.

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[ APA ] mier Abe die Opfer des US-Atombomben­angriffs auf Hiroshima und Nagasaki.

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