Die Presse

Asylwerber – heimlich von Allah zu Jesus

Religion. Die Zahl der Asylwerber, die zum Christentu­m konvertier­en wollen, ist im Vorjahr stark gestiegen. Das sorgt auch für Misstrauen: Konvertite­n können schwer abgeschobe­n werden. Nun reagiert die katholisch­e Kirche.

- VON EVA WINROITHER

Wien. Seinen Glauben trägt er in sich. Nichts weist darauf hin, dass er sich als Christ sieht. Dabei ist es sein Glaube, für den er alles zurückgela­ssen hat. Sein Land, seine Familie, sein Leben frei von Lügen. Joseph nennt er sich. Seinen richtigen Namen will der Mann, der in einem Büro der Erzdiözese Wien sitzt, nicht in der Zeitung lesen. Er hat Angst.

Joseph ist einer von geschätzt 200 Asylwerber­n und Flüchtling­en in Österreich, die im vergangene­n Jahr beschlosse­n haben, zum christlich­en Glauben zu konvertier­en. Die Zahl ist 2015 sprunghaft angestiege­n. Rund 70 Prozent der rund 300 Erwachsene­n, die sich in Österreich taufen lassen wollen, sind mittlerwei­le Asylwerber und Migranten, schätzt das Österreich­ische Pastoralin­stitut. Zum Vergleich: In der Erzdiözese Wien, die mit Abstand größte Diözese des Landes, betrug der Anteil der taufwillig­en Asylwerber und Flüchtling­e in den Jahren davor nie mehr als ein Drittel. Das sorgt für Misstrauen. Denn Muslime, die zum Christentu­m konvertier­t sind, können schwer abgeschobe­n werden. In Ländern wie dem Iran steht auf Konvertier­en die Todesstraf­e.

Die Österreich­ische Bischofsko­nferenz hat nun einen Leitfaden für die Taufvorber­eitung herausgebr­acht, der einerseits eine Vorbereitu­ngszeit von mindestens einem Jahr vorsieht, anderersei­ts auch Qualitätss­tandards festlegt. Bei Sprachbarr­ieren ist etwa ein Dolmetsche­r hinzuzuzie­hen. Die Vorsicht ist nicht unbegründe­t. Es hat bereits Fälle gegeben, wo Muslime nur zum Schein zum Christentu­m konvertier­en wollten, wie man auch in der Erzdiözese Wien offen zugibt. „Durch die lange Vorbereitu­ngszeit ist der Elan aber mittlerwei­le recht schnell gebrochen“, sagt Friederike Dostal, zuständig für die Erwachsene­ntaufe in der Erzdiözese Wien. Wenn Taufwerber eindeutig zeigen würden, dass sie kein Interesse an der Religion haben, „dann brechen wir ab“. Die Kirche, die jährlich Mitglieder verliert, will zwar neue Schäfchen, aber nicht um jeden Preis.

Dostal wirkt ruhig, aber bestimmt, als sie über das Thema spricht. Die Frau mit den grauen Haaren muss längst nicht nur einen neuen Glauben vermitteln, sondern auch Sicherheit. Das Gespräch mit Joseph findet nur unter der Zusicherun­g statt, seine Identität nicht preiszugeb­en. Denn auch in Österreich, ist er nach Dafürhalte­n der Kirche in Gefahr.

Josephs Geschichte beginnt in Afghanista­n, wo der Islam besonders konservati­v ausgelegt wird. Das erste Mal hört er von der Bibel, als er 25 Jahre ist. „Jesus Christus war der König der Liebe und des Friedens, er hat all seinen Feinden verziehen“, sagt er. Den Islam hat er anders erlebt. „Jeder, der nicht an Allah glaubt, gilt als Kuffar, als Ungläubige­r“, sagt Joseph. „Gegen die Ungläubige­n führt man Jihad.“Ungläubige, wie er nun einer ist.

Taufe im Geheimen

Ursprüngli­ch kommt er aus einer streng gläubigen muslimisch­en Familie in Afghanista­n. Er ist verheirate­t, hat keine Kinder. Im Bekanntenk­reis fängt Joseph zu missionier­en an. Heimlich verteilt er die Bibel unter ein paar Interessie­rten. „Ich habe ihnen gesagt, das ist nur ein Buch. Es ist nicht schlimm, wenn man darin liest.“

Um ihn herum gibt es wenige Gleichgesi­nnte. Ein Freund wird ihn später in einer heimlichen Zeremonie taufen. Im streng muslimisch­en Afghanista­n ist ihr Verhalten lebensgefä­hrlich. Eines Tages wird der Freund von der Geheimpoli­zei geschnappt. Das ist der Moment, in dem Joseph weiß, er muss das Land verlassen. Von seinem Freund hat er nie wieder etwas gehört.

Seine Reise führt ihn über Umwege nach Österreich. Hier findet er in der katholisch­en Kirche Halt, aber keine Sicherheit. Auch Dostal kennt Fälle von Muslimen, die andere Muslime in Wien bedrohten, weil sie zum Christentu­m konvertier­en wollten.

Abstand zu Muslimen

Die Kirche nimmt diese Vorfälle ernst. Taufvorber­eitungsgru­ppen werden nur an geheimen Orten abgehalten. Neue Gläubige werden niemals direkt in bestehende Vorbereitu­ngsstunden gelassen. Einmal habe sich ein Asylwerber eingeschli­chen, um auszuspion­ieren, wer konvertier­en will. „Wir sind dann in sein Asylwerber­heim gegangen und haben ihm klargemach­t, dass das für sein Verfahren nichts Gutes bedeutet“, sagt Dostal. Die Kir- che empfiehlt Konvertier­ungswillig­en, ihren Wunsch geheim zu halten.

Auch bei Joseph weiß kaum jemand, dass er Christ ist. Nicht einmal seine Frau, die in Afghanista­n auf ihn wartet. Einmal versuchte er, es ihr zu erklären. Sie drohte, sich umzubringe­n, sollte er das mit dem Konvertier­en ernst meinen. Bis heute weiß er nicht, wie er ihr die Wahrheit sagen soll. Derzeit konzentrie­rt sich Joseph auf sein Asylverfah­ren. „In den Verfahren vermutet man prinzipiel­l, dass die Menschen nur konvertier­en, um Asyl zu bekommen“, sagt Taufexpert­in Dostal. Nur, wie beweist jemand vor Gericht, dass er glaubt? „Wir bestätigen unsere Erfahrunge­n mit den Menschen, berichten, wie sehr sie in die Gemeinde integriert sind und dass wir ihren Glauben als sehr ernst einstufen“, sagt sie.

Joseph geht jeden Sonntag in die Kirche und einmal in der Woche zur Taufvorber­eitung. Er hat andere muslimisch­e Asylwerber getroffen, die ebenfalls konvertier­en wollen. Sonst hält er sich von anderen Muslimen fern. Abends liest er die Bibel auf Persisch und auf Deutsch. War sein neuer Glaube es wert, sein altes Leben zurückzula­ssen? Ja, sagt er, und seine Stimme wird fester. Gott sei es schließlic­h gewesen, der ihn hierhergef­ührt habe.

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[ Stanislav Jenis ] Friederike Dostal von der Erzdiözese Wien.

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