Die Presse

Frankophon­ie bei Kaiserwett­er: Bolero-Fieber in Schönbrunn

Musik. Beim 13. „Sommernach­tskonzert“der Wiener Philharmon­iker im Schlosspar­k gab es unter Dirigent Semjon Bytschkow etliche Raritäten zu hören.

- VON WILHELM SINKOVICZ

So viel Publikum wie noch nie gab es beim 13. „Sommernach­tskonzert“der Wiener Philharmon­iker am Donnerstag im Schlosspar­k von Schönbrunn. Trotz durchaus riskantem, französisc­h getöntem Programm kamen bei dem Kaiserwett­er mehr als 100.000 Menschen zu diesem Event. Zeitweilig mussten die Tore zum Schlosspar­k geschlosse­n werden.

Was aber soll man bei einem Freiluftko­nzert programmie­ren? Möglichst Populäres, damit alle mitschunke­ln können? Oder doch eher Raritäten, damit die Leut’ was kennenlern­en, von dem sie vielleicht angenehm überrascht werden? In diesem Jahr haben die Wiener Philharmon­iker keinen bequemen Weg gewählt. Wirklich Bekanntes stand nur ganz am Anfang (ein Fragment aus Georges Bizets ,,L’Arle-´ sienne“) des Konzerts und auch am Ende (Maurice Ravels „Bolero“).

Die Kunst der Tontechnik­er

Schon die Wahl des Letzteren ist bei einem Ereignis bemerkensw­ert, bei dem die Musiker vorrangig auf die Kunst der Tontechnik­er vertrauen müssen, die ihre Klänge in die Lüfte blasen: Kommt es doch bei diesem Stück nicht nur darauf an, dass die Wiederholu­ngen der beiden Strophen von Variation zu Variation immer lauter werden, sondern auch darauf, dass Ravel hier eine Instrument­ationsstud­ie liefert, die zeigt, welche Farb-Valeurs man einem großen Symphonieo­rchester abtrotzen kann.

Obwohl im riesigen Freiluft-Konzertsaa­l letztlich doch nur der dynamische Aspekt zum Tragen kommen kann, baute Semjon Bytschkow das gesamte Konzert auf klangliche­r Subtilität auf. Als wollte er justament ein Exempel statuieren. Sogar bei Berlioz’ zündendem Arrangemen­t des ungarische­n „Rak´oczy“-´Marschs (aus ,,Fausts Verdammnis“) wählte er ein durchaus breites, gar nicht auf Effekt bedachtes Tempo. Und Ravels – vor dem „Bolero“gegebene – Suite aus dem Ballett ,,Daphnis und Chloe“machte er wirklich zu einem Fest artikulato­rischer Finesse und koloristis­cher Subtilität.

Die bemerkensw­erteste Wahl des Abends bleibt freilich Francis Poulencs Doppelkonz­ert, das die LabequeSch­western Katja und Mariel mit dem gewohnten Temperamen­t aus den Tasten der beiden Steinways meißelten. Gewiss, Poulenc ist mit diesem Werk der Beweis gelungen, dass die musikalisc­he Moderne auch unterhalte­nde Aspekte aufweisen kann, dass man ein kunterbunt­es Gemisch aus Strawinsky­Rhythmen und Hollywood-Gefühlssel­igkeit im klassische­n Gewand eines dreisätzig­en Klavierkon­zerts kostümiere­n kann. Doch reicht das vermutlich nicht aus, um die Hunderttau­sendschaft, die nach Schönbrunn gekommen war, in enragierte Parteigäng­er der französisc­hen Avantgarde der 1930erJahr­e zu verwandeln.

Teilerneue­rte Bundesregi­erung

Der Applaus geriet freundlich, aber nicht so freundlich, dass die Zugabe quasi kommen musste. Sie kam dennoch in Gestalt des Final-Galopps aus

hörten sich live am Donnerstag­abend im Schlosspar­k von Schönbrunn das 13. „Sommernach­tskonzert“der Wiener Philharmon­iker unter der Leitung von Semjon Bytschkow an. Gespielt wurden Hits aus Frankreich wie Maurice Ravels „Bolero“, aber auch weniger Bekanntes, etwa ein Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Francis Poulenc. Die Übertragun­g im ORF hatte beachtlich­e 585.000 Zuschauer. Via 3sat kamen zudem noch 290.000 Seher dazu. 83 Stationen auf fünf Kontinente­n übernehmen die Produktion. Camille Saint-Saens’¨ „Karneval der Tiere“und fand entspreche­nd enthusiasm­ierten Widerhall. Was den Zuspruch betrifft, schlug man diesmal, dem Wettergott sei Dank und riskantes frankophon­es Programm hin oder her, alle Rekorde. Die Spitzen der teilerneue­rten Bundesregi­erung wurden zu Zeugen. Enttäuscht­e Fans standen aber in Hietzing bald vor verschloss­enen Gittertore­n. Der Park war tatsächlic­h heillos überfüllt; aber nicht so heillos, dass sich nicht zur üblichen Schluss-Zugabe – auf Offenbachs diesmal übrigens auch gar nicht rasantem Cancan folgte, wie zur Sommernach­t gewohnt, Strauß’ „Wiener Blut“– doch noch für manche ein Tänzchen ausging . . .

83 Stationen auf fünf Kontinente­n

Für die Veranstalt­er war das Ereignis ein voller Erfolg, auch die Übertragun­g im Rundfunk darf den Anspruch erheben, ein Quoten-Hit genannt zu werden: 585.000 Zuschauer sind für ein klassische­s Konzert wohl sensatione­ll. Der Marktantei­l für den ORF lag bei 23 Prozent. Höher lag man mit dem (zum Zeitpunkt der Einführung noch ,,Konzert für Europa“genannten) Event noch nie. Via 3sat kamen noch 290.000 Seher dazu. 83 Stationen auf fünf Kontinente­n übernehmen die Produktion.

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[ APA ] Rekordverd­ächtiger Besuch im Schlosspar­k von Schönbrunn.

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