Die Presse

„Ich schätze den Standort sehr“

Interview. Hannes Bardach machte aus dem Wiener Technologi­eunternehm­en Frequentis einen Weltmarktf­ührer. Dem Gejammer um den Industries­tandort schließt er sich nicht an.

- VON ELISABETH POSTL

Die Presse: Herr Bardach, steigen Sie mit einem sicheren Gefühl ins Flugzeug? Hannes Bardach: Ja. Für mich ist Fliegen wie Straßenbah­nfahren. Ich weiß, mit welch mathematis­ch geringer Wahrschein­lichkeit da etwas passiert.

Weil Flugsicher­ung das Kerngeschä­ft Ihres Unternehme­ns ist? Ja, und es ist eine anspruchsv­olle Technik, und ich passe sehr gut mit meinen Eigenschaf­ten dazu.

Die da wären? Gründlichk­eit, gute Planung, ich habe gern alles abgesicher­t. Ein Nein kenne ich nicht. Wenn einer sagt: Nein, das ist technisch unmöglich, antworte ich: Alles ist baubar.

Das Thema Luftfahrt kam 1955 zum ersten Mal in der Unternehme­nsgeschich­te. In der Nachkriegs­zeit hat Frequentis alles gebaut, was die junge Republik brauchte. Der Gründungsa­uftrag war der Aufbau einer Rundfunkst­ation in der französisc­hen Besatzungs­zone in Wien.

1980 kam mit dem Großauftra­g der Austro Control der Fokus Flugsicher­ung. Und danach erhielten wir einen Auftrag für die deutsche Flugsicher­ung – als „kleine Firma mit Werkstätte­ncharakter“, so hieß es damals in einem Gutachten. 1990 war klar: Die Flugsicher­ung wird unser Kerngebiet. Damals gewannen wir einen Auftrag der Eurocontro­l, der europäisch­en Flugsicher­ung.

Noch vor dem EU-Beitritt Österreich­s also. All diese Handelshem­mnisse, die es damals gab, sind heute einfach unvorstell­bar. Wir brauchten eine Firma in Deutschlan­d, um uns überhaupt um den Eurocontro­l-Auftrag bewerben zu können. Keiner wollte etwas mit Zollangele­genheiten zu tun haben. Wir brauchten überall Ersatzteil­lager, weil die Verzollung so lang gedauert hätte. Und heute ist jedes Ding innerhalb von 24 Stunden an jedem Ort Europas. Die europäisch­e Öffnung hilft uns als Technologi­efirma also enorm.

Inwiefern? Wir wurden Marktführe­r in Europa in unserer Nische, expandiert­en ab 1995 nach Asien und so weiter. Da gab es Jahre mit sehr hohen Wachstumsr­aten, einmal hatten wir 70 Prozent Wachstum. Der erste Rückschrit­t kam erst nach dem 11. September 2001. Diese Anschläge waren für die gesamte Luftfahrtb­ranche ein Schock. Aufträge wurden gestoppt, wir richteten uns strategisc­h neu aus und gingen ab 2002 auch daran, an Polizei, Eisenbahn, Küstenschi­fffahrt zu liefern.

Profitiere­n Sie von der Terrorangs­t? Es gibt ein gestiegene­s Sicherheit­sbedürfnis. Der Public-Safety-Bereich ist ein sehr wichtiger im Moment. Wir statten jetzt viele Einsatzzen­tralen aus. Stichwort Videoüberw­achung, bei der Sie im Moment einen Großauftra­g der Londoner Metropolit­an Police erfüllen. Was halten Sie selbst denn davon, auf der Straße gefilmt zu werden? Das ist eine interessan­te Sache, Videoüberw­achung wird kulturell unterschie­dlich empfunden. Ich habe vor dem Auftrag für die Londoner Polizei Lehrbücher darüber gelesen. In England ist es so, dass sich Menschen ohne Kameraüber­wachung unsicher fühlen. Besonders in zentralen Lagen geht durch Videoüberw­achung Kriminalit­ät zurück – ganze Viertel sind dadurch wieder belebt. Zuvor hatte sich keiner mehr getraut, nachts hinauszuge­hen. Hingegen haben in Deutschlan­d noch viele Menschen ein sehr negatives Gefühl, wenn sie an Überwachun­g denken – es hängt nun einmal sehr stark von der Vorgeschic­hte eines Landes ab: England hatte immer eine sehr liberale, demokratis­che Regierung, Deutschlan­d hatte auch noch in jüngster Zeit, allein mit der DDR-Staatssich­erheit, Regimes, die Leute ausspionie­rt haben. Ich selbst habe aber eine positive Einstellun­g zur Videoüberw­achung.

Weil Sie selbst überwachen? Nein, weil ich weiß, dass Kriminalit­ät dadurch eingeschrä­nkt werden kann. Die Videoüberw­achung ermöglicht das.

Man hat das Gefühl, Frequentis ist im Ausland bekannter als in Österreich. Das kommt wohl davon, dass wir als Nischenunt­ernehmen nur ein paar Prozent unseres Umsatzes hier machen. Unsere Technologi­e hat keine Breitenwir­kung. Dabei sollen junge Ingenieure wissen: Da gibt es eine internatio­nal tätige Firma, die hat ihr Headquarte­r in Wien und liefert in die ganze Welt.

Haben Sie jemals überlegt, Ihr Headquarte­r zu verlegen? Ich schätze den Standort sehr. Wien hat gute Universitä­ten – als Unternehme­n muss man Talente an sich ziehen. Wien ist ein absolutes Asset. Es ist die Kultur der Österreich­er, die sehr verträglic­h ist mit vielen anderen Kulturen, wir können sowohl mit West und Ost als auch mit Arabern und Amerikaner­n. Die Österreich­er kommen überall gut an. Solange

wurde 1983 Geschäftsf­ührer des Wiener Unternehme­ns Frequentis, das er davor als Berater betreut hatte. Unter Bardach entwickelt­e sich die 1947 gegründete Firma von einem kleinen Betrieb zu einem Weltmarktf­ührer; das Kerngeschä­ft von Frequentis sind heute Kommunikat­ionsanlage­n, speziell für den Flugverkeh­r, und die Ausstattun­g von Einsatzzen­tralen, etwa für Polizei, Feuerwehr oder Rettung. 1986 hatte Frequentis 36 Mitarbeite­r – heute sind es rund 1500. Das Ebit des Unternehme­ns lag 2015 bei 12,5 Mio. Euro. die Austrian die Flüge nicht zu sehr einschränk­t, haben wir hier eine sehr gute Basis.

Andere Unternehme­r machen sich um den Industries­tandort Sorgen. Und Sie? Für Frequentis – nein. Aber natürlich wäre eine positive Stimmung wichtig. Vor 20 Jahren wurde alles, was an Neuem passiert ist, sehr skeptisch betrachtet. Das hat sich geändert. Innovation wird heute positiv gesehen. Um etwas zu bewegen, braucht man auch ein positives Klima.

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[ Picturedes­k.com ] Kulturell unterschie­dlich empfunden werde die Videoüberw­achung, sagt Hannes Bardach, er selbst sehe sie positiv. Seine Firma Frequentis stellt Überwachun­gssysteme her.

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