Siegesgöttin und Boxer im Sommergarten
Auktionshaus Im Kinsky. Die 112. Kunstauktion im Kinsky mit den Sparten Jugendstil & Design, Klassische Moderne sowie Zeitgenössische Kunst trumpft mit einem handverlesenen Angebot zum Teil marktfrischer Kunstwerke auf.
Wien. Jede Auktion ist auf ihre Weise einzigartig. Die 112. Kunstauktion im Kinsky mit den Sparten Jugendstil, Klassische Moderne und Zeitgenossen wartet allerdings mit einigen ungewöhnlichen, handverlesenen Spezialitäten auf. Da ist zum einen die Jugendstil-Sonderauktion mit dem Schwerpunkt Mode und Accessoires der Wiener Werkstätte (siehe Bericht unten). Zum anderen zeichnen sich die Gemäldeauktionen durch eine große Dichte marktfrischer Kunstwerke aus.
Seltenes und Bedeutsames
„Zwei großartige Gemälde von Albin Egger-Lienz, das eine davon zeigt eine mythologische Darstellung, die über sieben Jahrzehnte im Besitz ein und derselben Familie war. Ein magisches Traumszenario von Franz Sedlacek, auch vier Jahrzehnte in Privatbesitz. Ein großartiger Kolo Moser – ,Stiefmütterchen mit Blumentöpfen‘ – nie ausgestellt und seit 1921 in privatem Besitz.“Michael Kovacek, Geschäftsführer des Auktionshauses, wird mit dem Aufzählen der Raritäten kaum fertig. „Eine seltene Landschaft aus Alfons Waldes Frühzeit“, listet er weiter. „Das Bild haben wir von der Urenkelin des Erstbesitzers bekommen, der es seinerseits direkt beim Künstler erworben hat.“Die kleine, fast quadratische Tafel des Kitzbühlers ist mit 10.000 bis 20.000 Euro verhältnismäßig niedrig angesetzt. Zum Vergleich: Die erstgenannten Lots sind mit Schätzpreisen im sechsstelligen Bereich ausgepreist – Franz Sedlaceks „Traum“(1932) etwa mit 100.000 bis 200.000 Euro, ebenso Mosers „Stiefmütterchen“. Als erstes Lot des Abends könnte allerdings schon die kleine WaldeTafel für einen Knalleffekt sorgen.
Ebenfalls zu den Highlights zählt Richard Gerstls „Obstgarten (Kleines Gartenbild)“. Entstanden ist es 1907 am Traunsee, wo Gerstl den Sommer zusammen mit Arnold und Mathilde Schönberg verbracht hat. Der Aufenthalt steht nicht nur am Beginn eines leidenschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Maler und der Gemahlin seines Freundes. Er markiert auch eine Wende in Gerstls Schaffen, der in diesem Sommer die Freilicht- und Landschaftsmalerei für sich entdeckt hat. Das Bild ist insofern historisch bedeutsam, als es in der allerersten Gerstl-Ausstellung 1931 in der Galerie von Otto Kallir-Nirenstein gezeigt worden ist. Mit einem Schätzwert von 250.000 bis 500.000 Euro ist es (zusammen mit Alfons Waldes „Tiroler Bergdorf“, 1938) das teuerste Werk des Moderne-Abends.
„Das alles sind jungfräuliche Bilder, da ist keine abgeschaute Ware dabei“sagt Michael Kovacek und erzählt aus dem Nähkästchen. „Dem Gerstl-Bild sind wir zehn Jahre lang nachgelaufen. Erst jetzt – im Vorfeld zweier Gerstl-Ausstellungen in Frankfurt und in der Neuen Galerie in New York – hat die Familie beschlossen, sich von dem Bild zu trennen. Ähnlich war es bei Kolo Moser und Franz Sedlacek, beide Werke kenne ich schon seit vielen Jahren. Doch genau darum geht es – um dieses Wissen, wo sich die Dinge befinden. Das macht die Qualität des Angebots aus.“
Aufmerksamkeit verdient auch eine Kollektion von vier Arbeiten der Kinetistin Erika Giovanna Klien, darunter ein rätselhafter „Muschelbohrer“aus 1934, ausgeführt in Tempera (20.000 bis 40.000 Euro). Mit einigen Tierbildern ist diesmal auch die steirische Malerin Norbertine Bresslern-Roth gut vertreten, deren Werk im Herbst mit einer Personale in der Grazer Neuen Galerie erstmals umfassend gewürdigt wird. Ein größeres Konvolut von Zeichnungen und Gemälden Herbert Boeckls leitet schließlich über zur jüngeren österreichischen Kunstgeschichte.
Zeitgenössische Highlights
Der Mittwoch steht dann ganz im Zeichen der zeitgenössischen Kunst, die aufgrund der Fülle an Einbringungen in zwei Teilen angeboten wird. Zu den Höhepunkten zählen hier vier marktfrische Bilder von Zero-Künstler Hans Bischoffshausen, dem wohl internationalsten Kärntner Künstler. „Drei der Bilder stammen aus einer alten Privatsammlung und wurden vor 40 Jahren direkt beim Künstler erworben. Ein viertes wurde aus Frankreich eingebracht.“, sagt Kovacek. Ähnlich hat die aktuelle Werkschau Oswald Oberhubers im 21er-Haus mehrere Frühwerke des gebürtigen Meraners zutage gebracht, darunter die Bronzeskulpturen „Lust auf“(20.000 bis 40.000 Euro) und „Schlangenrelief“(15.000 bis 30.000 Euro). Oberhuber zählt sowohl als Leiter der Galerie St. Stephan in der Nachfolge Otto Mauers wie auch als ehe- maliger Rektor der Universität für angewandte Kunst zu den einflussreichsten und prägendsten Künstlerpersönlichkeiten Wiens.
Mit dem Plastilin-Diptychon „Guernica“(20.000 bis 40.000 Euro) aus dem Jahr 2006 der Wiener Gruppe Gelitin ist auch die junge Generation österreichischer Künstler prominent vertreten.
Die hochpreisigsten Werke des Abends stammen von zwei Klassikern der österreichischen Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts: Angeführt wird das Ranking von einem späten Gemälde des im Vorjahr verstorbenen Ernst Fuchs, „Christus vor Pilatus“(2007, angesetzt mit 100.000 bis 200.000 Euro). Dahinter rangiert Alfred Hrdlickas lebensgroßes Bronzemonument „Der Boxer“aus dem Jahr 1992 (50.000 bis 100.000 Euro).
Preislich in derselben Liga befinden sich die beiden vielleicht eindrücklichsten Objekte des Abends: ein korrespondierendes Paar illusionistischer Skulpturen des chinesischen Künstlers Ai Weiwei. „Scales“nennt er die beiden 2008 entstandenen Objekte aus Kupfer und rostfreiem Stahl. Zusammengesetzt aus mehreren durch Scharniere verbundenen Rhomben erinnern sie in verblüffender Einfachheit an chinesische Faltobjekte. Ai Weiwei beschreibt die Skulpturen als Experiment: „Scales“ist eine Studie darüber, wie sich einfache und elementare Grundbestandteile zu Formen oder Möbeln entwickeln können.“Ebenfalls auf 50.000 bis 100.000 Euro geschätzt wird Jörg Immendorffs düsteres Historiengemälde „Tor West“aus dem Jahr 1984, das inhaltlich in der Nähe seines 16-teiligen Zyklus „Cafe´ Deutschland“angesiedelt ist. An internationalen Klassikern stechen schließlich auch noch Namen wie Andy Warhol, Yves Klein, Asger Jorn, Jan Dibbets hervor. Andy Warhol ist mit einem winzigen silbernen „Flower“-Silkscreen aus 1964 vertreten, geschätzt auf 15.000 bis 30.000 Euro, Yves Klein mit der Statuette „Sieg der Samothrake“(15.000 bis 30.000 Euro), gehalten in dem für ihn typischen Blau.
Namen wie Christian Ludwig Attersee, Herbert Brandl, Günter Brus, Franz Grabmayr, Xenia Hausner, Kiki Kogelnig, Karl Korab, Maria Lassnig, Otto Muehl, Hermann Nitsch, Karl Prantl, Alfons Schilling, Peter Sengl und Hans Staudacher runden das insgesamt über 400 Lotnummern umfassende Angebot in Richtung österreichische Gegenwartskunst ab. Es sollte also für jeden etwas zu finden sein.